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Herr Helfridsson, ABB investiert 250 Millionen Euro in einen neuen Robotik-Campus. Wie kam es zu dieser Investition?
Der Bedarf an Robotik wächst weltweit. Immer mehr Unternehmen möchten repetitive Arbeiten automatisiert ausführen können. ABB bedient diese steigende Nachfrage von drei Standorten aus: China, USA und Europa. Der schwedische Stammsitz, an dem vor 50 Jahren der erste elektrische Industrieroboter der Welt geschaffen wurde, ist für den europäischen Markt zuständig. Wir investieren nun in einen neuen Campus, um die bisher örtlich verstreuten unterschiedlichen Produktionsstätten und -abteilungen, und außerdem Forschung und Entwicklung, unter ein Dach zu bringen. Es ist wichtig, dass Mitarbeiter unterschiedlicher Funktionen sich treffen können und miterleben, wie verschiedene Robotiklösungen entstehen. Doch auch Kunden, Akademiker und Studierende werden ein willkommener Teil des neuen Campus sein. Um sich dem wachsenden Markt anpassen zu können, ist dieser Zuwachs an Kollaboration essenziell. Ein weiterer Grund für den Bau auf 65.000 Quadratmetern ist aber auch die Verdoppelung der Produktionskapazitäten, die damit einhergeht.
Wie war bisher die Resonanz der schwedischen Öffentlichkeit?
Unsere Pläne mit dem Bau wurden hier in Schweden, aber auch international, mit großem Interesse verfolgt. Gratuliert hat uns unter anderem der schwedische Premierminister. In Västerås, wo sich unser Stammsitz befindet, sind auch Unternehmen wie Hitachi, Quintus, Alstom und Bombardier ansässig. Northvolt, Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien, betreibt hier sein Forschungslabor. Die Region entwickelt sich immer mehr zu einem Hub für Innovationen, bei dem wir voneinander lernen, die grüne Transformation vorantreiben und effiziente Lösungen für unsere Kunden schaffen können. Dabei setzen wir natürlich auch bei dem Bau des neuen Campus auf Nachhaltigkeit, angefangen bei den Baumaterialien bis hin zu Solarpaneelen auf dem Dach. Ab 2030 soll ABB klimaneutral operieren können, was die Produktion angeht aber eben auch hinsichtlich der Produktionsstätten. Den Dialog mit der Öffentlichkeit und den Kunden, den wir diesbezüglich führen, nehmen wir sehr ernst.
Das Thema KI ist gerade in aller Munde. Wie kann man sich die ABB-Robotik, die der neue Campus hervorbringen wird, vorstellen?
Künstliche Intelligenz wird ohne Frage eine immer wichtigere Rolle spielen in der Zukunft, auch bei ABB. Wie schnell sie einen Großteil der Prozesse erreichen wird, ist derzeit noch unklar. Die Möglichkeiten, wie künstliche Intelligenz in Robotiklösungen integriert werden kann, sind jedoch hoch spannend: Autonome Mobile Roboter, die 3D Visual-SLAM-Technologie (ein Vision-System, das den Robotern „Augen“ verleiht) benutzen und Umgebungen wie eine Werkhalle oder ein Lager navigieren, die oftmals ein wechselhaftes, an sich schwer abschätzbares Terrain darstellen. KI kann viel besser als ein Mensch kalkulieren, wie, wann und wo etwas zu tun ist. Sie kann aufgrund ihrer Kalkulationen die Geschwindigkeit der eingesetzten Lösungen regulieren und so den Energieverbrauch senken und die Effizienz steigern. Mit KI wird die Arbeit in der Fertigung in vollem Umfang smart.
Sind auch sprachbasierte KI-Systeme wie ChatGPT in zukünftigen Robotiklösungen denkbar?
Das faszinierende an Technologie ist, je mehr man sie nutzt, desto mehr lernt man durch sie. Sie öffnet neue Räume und man findet in der Beschäftigung mit ihr fast von allein neue Wege und Einsatzmöglichkeiten. Als Treiber ist jedoch der Nutzen entscheidend, den ein Anwender von einer neu geschaffenen Lösung hat. Dieser muss klar feststehen. Was sprachbasierte KI angeht, so erwarte ich sehr wohl, diese auch in zukünftiger Robotik zu sehen. ABB wird auch in diesem Bereich an Lösungen arbeiten, die den Kunden helfen, effizienter zu sein.
Wie viel Automation ist bei der Herstellung von ABB-Robotern beteiligt? Werden in Zukunft Roboter Roboter bauen?
Um bei der Produktion effizient zu sein, nutzen wir hochmoderne Technologie. Wo wir erkennen, dass eine automatisierte Lösung uns einen Vorteil bringt, da automatisieren wir. In unseren Fabrikhallen arbeiten deshalb Menschen Seite an Seite mit Cobots und AMR, um Roboter herzustellen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.
Wie begegnen Sie Menschen, die die fortschreitende Automatisierung mit Sorge sehen?
In vielen Ländern herrscht ein erhebliches demographisches Problem, das auch in den kommenden Jahrzehnten nicht geringer werden wird. Die Anzahl derer, die in der industriellen Produktion spezialisierte Aufgaben ausführen und die in Rente gehende Generation ablösen können, wird immer kleiner. Wir brauchen dringend automatisierte Lösungen, um dieser Entwicklung und diesem Problem entgegenzuwirken. Die Automatisierung ist keine Bedrohung für derzeitige und künftige Arbeitnehmer, sondern eine veritable Hilfe für alle. Wir werden deshalb in vielen Bereichen Menschen sehen, die mit Robotern zusammenarbeiten. Flexible Automatisierungslösungen sind hier wichtig, die sowohl automatisierte wie menschliche Fähigkeiten nutzen, das heißt vom Menschen mühelos bedient und zum Beispiel umprogrammiert werden können. Wir werden mehr und mehr mittelständische Unternehmen sehen, die diese Lösungen als Chance begreifen, um wettbewerbsfähig bleiben zu können.