Als die Corona-Pandemie Deutschland im März 2020 überrollte, rückte Klopapier sofort in den Fokus der Hamsterkäufer und avancierte in wenigen Tagen zum Luxusgut. Allerdings stieg der Absatz von Desinfektionsmitteln in der gleichen Zeit fast viermal so stark wie der unverzichtbare Toilettenbegleiter. Privatpersonen und Unternehmen deckten sich mit Präparaten ein, um Hände und Flächen von dem gefährlichen Krankheitserreger zu befreien. Waren früher vor allem Krankenhäuser mit der regelmäßigen Desinfektion ihrer Räume beschäftigt, hat Corona diesen Vorgang in alle Bereiche des öffentlichen Lebens getragen.
Die gründliche Oberflächendesinfektion ist inzwischen eine wichtige Maßnahme gegen das Virus. An vielen öffentlichen Orten ist das eine Herausforderung, denn oft handelt es sich um große Gebäude mit vielen Räumen, die mehrmals täglich gereinigt werden müssen. Die Chemikalien sind zudem ungesund, sodass die Mitarbeiter bei der Verteilung eine Schutzausrüstung brauchen. Es spricht also vieles dafür, den Vorgang auf irgendeine Weise zu automatisieren. Autonome Transportroboter sind dafür ein geeigneter technischer Ansatz.
Die mobilen Plattformen können mit ihrer Software und Sensorik selbständig navigieren, Hindernisse rechtzeitig wahrnehmen und je nach Situation bremsen oder ausweichen. Bestückt mit diversen Aufsatzmodulen lassen sich die Roboter dem jeweiligen Einsatz anpassen. Im Logistik- und Produktionsumfeld werden sie zum Beispiel für den Materialtransport genutzt und sind dafür mit Palettenhebern oder Regalaufsätzen ausgestattet.
Inzwischen haben mehrere Hersteller auch Aufsatzmodule für die Desinfektion entwickelt – mit dabei Mobile Industrial Robots, kurz MiR. Das dänische Unternehmen hat mobile Transportroboter mit einer Tragfähigkeit von 100 bis 1000 kg im Programm. Zusammen mit sechs Partnern haben die Spezialisten in einem halben Jahr mehrere Aufsätze entwickelt, die für den Transport einer Zerstäubungslösung oder eines sogenannten UVC-Modul eingesetzt werden können.
Während die Zerstäubung flüssiger Desinfektionsmittel bei den meisten harten Oberflächen gut funktioniert, erweist sich die Methode für Materialien wie Papier, Textilien oder Teppiche als ungeeignet oder sogar schädlich. Schonender ist die Desinfektion mit ultravioletter (UV) Strahlung. Diese lässt sich nach je Wellenlänge des Lichts in die Bereiche A, B und C unterteilen. Kurzwellige UVC-Strahlung ist so energiereich, dass sie die DNA-Struktur von Bakterien und Viren inklusive Corona-Virus zerstört. Dabei ist sie umweltfreundlicher als zerstäubende Desinfektionsmittel und verursacht keine Korrosion an den bestrahlten Oberflächen. Allerdings ist UVC-Licht für den Menschen potenziell gefährlich und eine gründliche Desinfektion großer Flächen daher mühsam. Auch in diesem Fall sind die autonomen Roboter eine optimale Lösung für die Raumdesinfektion. Sie lassen sich leicht für bestimmte Wegstrecken programmieren und fahren diese dann selbständig ab. Stoßen sie auf ein Hindernis, berechnen sie die Route neu. Zudem stellen die Roboter sicher, dass alle Oberflächen erreicht werden.
Das US-Unternehmen Teradyne hat inzwischen gezeigt, wie das Ganze in der Praxis aussehen kann. Der Spezialist für Automatisierungslösungen hat ein umfassendes Hygienekonzept für die Rückkehr seiner Mitarbeiter ins Büro ausgearbeitet. Dafür musste sichergestellt sein, dass alle Oberflächen in der Arbeitsumgebung desinfiziert werden.
An seinen Standorten in Reading (Massachusetts) und San Jose (Kalifornien) betreiben die Amerikaner unter anderem eine Produktion mit empfindlicher Elektronik. Eine Raumdesinfektion durch Versprühen war dort nicht möglich. An freiliegenden Leiterplatten verursachen die Chemikalien auf Dauer eine Korrosion. Als Mutterkonzern von MiR hat Teradyne jedoch den direkten Draht zu mobilen Transportrobotern, mit denen sich Innenräume mit UVC-Licht desinfizieren lassen. Die Verantwortlichen entschieden sich schließlich für ein konkretes Modell, das den Anforderungen entsprach.
Die eingesetzten Roboter arbeiten nach eigenen Angaben schnell und effizient. In einer Viertelstunde bestrahlen die Maschinen rund 30 bis 40 m². Das Werk in Massachusetts besteht aus drei Gebäuden mit mehreren Stockwerken und einer Fläche von rund 5700 m². Dort desinfiziert jede zweite Nacht ein Roboter die Räumlichkeiten. Ein zweiter Roboter wird für die Reinigung am Tag genutzt. Die kleinere Anlage in Kalifornien besteht aus einem Raum und kann bei Bedarf mehrmals täglich desinfiziert werden, wenn die Mitarbeiter sich außerhalb des Labors aufhalten – zum Beispiel während eines Schichtwechsels. Teradyne testet außerdem die Einsatzmöglichkeit für eine weitere Produktionsanlage auf den Philippinen.
Jörg Faber, Sales Director bei MiR, erwartet, dass sich das Einsatzspektrum der mobilen Desinfektionsroboter erweitern wird. „Während diese Lösungen früher ausschließlich im Gesundheitssektor genutzt wurden, macht dieser Anwendungsbereich mittlerweile nur noch die Hälfte aus“, erklärt Faber. Aktuell desinfizieren die mobilen Roboter vor allem Krankenhäuser und Flughäfen. Anwendungsmöglichkeiten sieht Faber aber auch im öffentlichen Nahverkehr oder in Lagerhallen mit internationalen Waren, deren Handelskunden sicherstellen möchten, dass das umgeschlagene Material bedenkenlos an den Endkunden verschickt werden kann. Auch in Hotels, Fitnessstudios, Supermärkten und sogar in Gefängnissen wäre eine automatisierte Raumdesinfektion denkbar.
Mit der flexiblen Technik von MiR kann der Anwender die Desinfektionsroboter leicht umrüsten und langfristig auch für andere Aufgaben nutzen, beispielsweise in der Intralogistik. „Das steigert das Vertrauen in die nachhaltige Nutzung der Modelle“, glaubt Faber. Es sei am Ende egal, ob Mitarbeiter vor Infektionen geschützt oder von Routineaufgaben entlastet werden sollen. In beiden Fällen seien mobile Roboter die richtige Lösung. (us)
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