Startseite » Technik » Automatisierung »

Interview zur Unternehmensausrichtung von Schmalz

Interview: Unternehmensentwicklungen bei Schmalz
„Weltweit größte Kompetenz beim Vakuumgreifen“

Firmen im Artikel
Vakuumtechnik und das Vakuumgreifen in der Robotik und Automation sind das Kerngeschäft des familiengeführten Unternehmens Schmalz. Im Interview erklärt der Geschäftsführer Dr. Kurt Schmalz, welche aktuellen bürokratischen Hindernisse das Unternehmen erlebt, welche Erwartungen er an die Politik hat und worin er den Unternehmenserfolg begründet sieht. Zudem gibt er einen Ausblick dazu, wie das Unternehmen in der nächsten, vierten Generation erfolgreich weitergeführt werden kann.

» Nico Schröder, Korrespondent Industrieanzeiger, Augsburg

Inhaltsverzeichnis

1. Unternehmens-Chancen und Herausforderungen
2. Unternehmen & Perspektive: Schmalz soll als Familienunternehmen weitergegeben werden
3. Automatisierungstrends: KI und Easy to Use Robotics
4. Schmalz als durchgängig digitalisiertes Unternehmen
5. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz
6. Vakuumgreifen als Domänen-Know-how
7. So flexibel sollten Roboter-Greifer sein
8. Anspruch: Projektierungsaufwand bei Kunden reduzieren

Herr Dr. Schmalz, was braucht es Ihrer Erfahrung nach – gerade auch als familiengeführtes Unternehmen – an Rahmenbedingungen, um auf Dauer erfolgreich zu sein?

Ich muss leider, wie viele Familienunternehmen, ins gleiche Horn stoßen. Wir erleben aktuell große bürokratische Hindernisse – nehmen wir das Thema Lieferketten-Gesetz, das gut gedacht, aber ein riesiger bürokratischer Moloch ist. Oder denken Sie an die Berichtspflichten zu Nachhaltigkeit, die in der Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD, festgeschrieben sind. Und ich verweise mit Blick auf geeignete Rahmenbedingungen für Unternehmen auch auf die Planbarkeit von politischen Entscheidungen im Energiebereich.

Was erwarten Sie von politischer Seite?

Von politischer Seite erwarten wir Entscheidungen, die uns das Arbeiten erleichtern, die den Standort Deutschland für mittelständische Unternehmen wieder attraktiver machen, sodass wir im weltweiten Wettbewerb wieder aufholen. Schauen wir beispielsweise auf die USA und den Inflation Reduction Act, der neue Möglichkeiten für Investitionen geschaffen hat, heißt das, Deutschland und Europa müssen auf jeden Fall die Rahmenbedingungen verändern und gewisse Fesseln abwerfen. Auch sehe ich Bildung und Qualifizierung von Mitarbeitenden als Aufgabe, für die es die richtigen politischen Rahmenbedingungen braucht. Jugendliche so auszubilden, dass wir sie anschließend berufsbildend weiterfördern können, wäre ein Ansatz. Generell müssen die Arbeitskosten reduziert und die Arbeitsflexibilität erhöht werden. Als Land müssen wir klare, nachvollziehbare technologische Pfade verfolgen, so wie China oder die USA, und uns an erfolgreichen Ländern und strategischen Wettbewerbern orientieren. Aber wir Unternehmerinnen und Unternehmer müssen natürlich auch zusehen, dass wir unser eigenes Glückes Schmied sind – und die Dinge in die Hand nehmen.

SCHMALZ_People_Dr._Kurt_Schmalz_.jpg
Dr. Kurt Schmalz ist Geschäftsführer des Unternehmens J. Schmalz mit Sitz in Glatten/Schwarzwald.
Bild: J. Schmalz

Unternehmens-Chancen und Herausforderungen

Ist die Politik angesichts des dramatischen Klimawandels nicht mit konsequenten Entscheidungen zu Nachhaltigkeit und grünen Technologien – und entsprechender Regulierung – im Rückstand gewesen?

Einerseits ja. Wir haben mit Blick auf den Klimawandel viele Jahre einen Stillstand erlebt. Das ist so. Andererseits erleben wir nun eine gewisse Hektik, in der die Regeln entstehen, die Unternehmen zur neuen EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CRSD) oder zum Lieferkettengesetz umsetzen sollen. Ich stelle die Frage nach der Wirksamkeit, wenn wir uns als Unternehmen mit ausufernder Bürokratie beschäftigen, statt wirklich wirksame Maßnahmen zur CO2-Reduktion anzugehen. Die Chancen der „grünen Technologien“ in unserem Fall sind vor allem geringerer Energieverbrauch in der Nutzungsphase.

Herr Dr. Schmalz, wie sehen Sie Erfolg?

Für mich persönlich gilt immer, dass wir trotz allen Erfolgs, den wir seit vielen Jahrzehnten haben, das Erreichte und all unsere Prozesse immer wieder in Frage zu stellen haben. Schmalz ist Vorbild für Wachstum und für Erfolg über viele Jahrzehnte. Aus einem kleinen Betrieb hat sich ein weltweites Unternehmen mit 1800 Mitarbeitenden an heute 31 Standorten entwickelt. Begeisterte Kunden und Mitarbeitende sind für mich bei allem der größte Erfolg. Sind die Kunden zufrieden, kommen sie wieder. Also zufriedene Kunden und eine gute Unternehmenskultur führen das ganze Unternehmen zu einem guten Ertrag, den wir für die Finanzierung eines kontinuierlichen und globalen Wachstums brauchen.

Unternehmen & Perspektive: Schmalz soll als Familienunternehmen weitergegeben werden

In den drei Generationen des Bestehens hat sich Schmalz grundlegend gewandelt: von Rasierklingen über Gepäckwagen bis zur Vakuum-Automation, die Sie Herr Dr. Schmalz, mit ins Unternehmen gebracht haben. Steht die vierte Generation bereit? Und welche Aufgaben hat sie perspektivisch vor sich?

Ja, mit der nächsten Generation gibt es Gespräche. Und sicher ist: Schmalz wird als Familienunternehmen weitergegeben.

Die Aufgaben werden insofern dieselben bleiben, nämlich: die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmensgruppe zu erhalten und laufend zu verbessern. Eine Herausforderung – auch in der Zukunft – wird es sein, neben der Wettbewerbsfähigkeit kluge und begeisterte Mitarbeiter zu bekommen.

Wie schlägt sich Schmalz im konjunkturellen Auf und Ab?

Wir sind weltweit zwar unter Plan, aber noch recht ordentlich unterwegs. Wir reagieren einfach, indem wir Kostenanpassungen vornehmen und bereits jetzt die Voraussetzungen schaffen, um dann, wenn es wieder aufwärts geht, schnell wachsen zu können. Wir sehen Länder, wo wir recht gut wachsen – in den USA unter anderem. In anderen Ländern haben wir derzeit Mühe, vor allem auf dem deutschen Markt spüren wir die Konsequenzen der wirtschaftsunfreundlichen Politik und der schwachen Konjunktur.

Automatisierungstrends: KI und Easy to Use Robotics

Welche Automatisierungstrends nehmen Sie aktuell wahr?

Wir sehen zwei wesentliche Entwicklungen – eine davon High-Level. Ich meine den Trend zur künstlichen Intelligenz. Generative KI wird in der Automatisierung und Robotik beim Picken zunehmend eingesetzt. Das andere ist das, was eher auf der operativen Ebene zu sehen ist, und was wir Easy to Use Robotics nennen. Das heißt, es geht um einen hohen Anspruch an Flexibilität von Automatisierungslösungen. Und vor allen Dingen wird der Nutzen der Automatisierung hinterfragt: Was nützt es mir generell, zu automatisieren? Und wie verbessert sich insbesondere meine Performance durch den Einsatz von Automatisierung? Das bedeutet für uns an der Stelle, dass wir komplexe Lösungen einfach und wirtschaftlich realisieren müssen. Davon losgelöst sind wir in beinhartem Wettbewerb mit chinesischen Anbietern und Produktkopierern konfrontiert – auch in Südostasien. Hier lautet die Devise „good enough“-Produkte herzustellen mit extrem kurzen Reaktionszeiten auf Kundenwünsche.

SCHMALZ_ECBPM_ECBPi_UR_Schmalz.jpg
Easy-to-use Robotics: Anschlussfertige Handling-Sets für Leichtbauroboter und Cobots basierend auf einem intelligenten, elektrischen Vakuum-Erzeuger
Bild: J. Schmalz

Schmalz als durchgängig digitalisiertes Unternehmen

Wie geht Schmalz die Trendthemen Digitalisierung und generative KI konkret an?

Wir haben die grundsätzliche Vision, dass wir in der absehbaren Zukunft ein durchgängig digitalisiertes Unternehmen sein wollen, um weiterhin wettbewerbsfähig und kundenfreundlich zu sein. Das heißt, unsere gesamten internen Prozesse schauen wir daraufhin an, wo wir Digitalisierung, aber auch generative KI nutzen können, um weiterhin unsere Wettbewerbsfähigkeit hochzuhalten. Und natürlich nutzen wir KI für unsere Produkte, allen voran bei unseren Robotik-Picking-Bundles, die mit intelligenter Software ausgestattet sind.

Nachhaltigkeit und Energieeffizienz

Wie treiben Sie Nachhaltigkeit und insbesondere Energieeffizienz voran?

Der Weg hin zum zirkulären Wirtschaften beschäftigt uns sehr, sprich R3 – Reduce, Reuse und Recycle, sodass man wirklich von Kreislaufwirtschaft reden und in allen Bereichen seinen Beitrag leisten kann. Wenn es um Reduzierung von Energie geht, bieten wir beispielsweise eine energetisch optimierte Auslegung von Vakuumsystemen an. Bis zu 80 % Energie kann damit gespart werden. Wir ermöglichen dem Kunden die Wahl zwischen Ejektor und elektrischer Vakuumerzeugung, jeweils passend für seinen konkreten Anwendungsfall. Mit unseren Systemen und mit den Auslegungstools setzen wir zudem alternative, recyclingfähige oder Spritzguss-Materialien ein, um ein paar Beispiele zu nennen. Vertrieblich gesehen, kann auch eine Engineering-Plattform, wo unsere Greifer bereits webbasiert konfiguriert werden können, auf die Nachhaltigkeitsbemühungen unserer Kunden einzahlen. Mit dem CSR Reporting erleben wir aktuell die wohl größte Umstellung. Dennoch: Unsere Anstrengungen, unseren CO2-Fußabdruck möglichst klein zu halten und sozial sowie wirtschaftlich stabil unterwegs zu sein, haben nach wie vor Bestand. Wir haben das schon immer ernst genommen.

Haben Sie in Bezug aufs CSR Reporting personell aufgestockt?

Wir haben intern dazu aufgestockt. Es geht im Moment vor allem um die Ermittlung aller relevanten Datenpunkte. Es geht uns darum, unser gesamtes Unternehmen im Bereich Wertstoffe, Materialdurchlauf und Energieverbrauch zu digitalisieren. Wir entwickeln einen vollständigen digitalen Zwilling unseres Unternehmens, um danach die gesamten Prozesse optimieren zu können – inklusive Einbindung von Photovoltaikanlage und eigener Energiespeicher.

Vakuumgreifen als Domänen-Know-how

Wie sieht die Schmalz-Strategie insbesondere beim Thema Robotik aus?

Bei Schmalz verfügen wir über eine jahrzehntelange Erfahrung im Bereich End of Arm Tooling, also über besondere Fähigkeiten und Angebote beim Vakuumgreifen unterschiedlicher Objekte. Das ist unser Domänen-Know-how. Mit Fug und Recht behaupten wir, die weltweit größte Kompetenz beim Vakuumgreifen zu haben. Diese erweitern wir nun um Software und digitale Services. Ein erster Schritt war vor einigen Jahren die Übernahme der GPS Gesellschaft für Produktionssysteme in Stuttgart, wodurch wir unseren Bereich digitale Services gestärkt haben, um zum Beispiel Condition-Monitoring- oder Energie-Monitoring-Systeme für unsere Vakuumerzeuger oder für Robotergreifer anbieten zu können. Das Ganze erweitern wir jetzt mit der Strategie in Richtung intelligentes und flexibles Greifen.

So flexibel sollten Roboter-Greifer sein

Was heißt „intelligentes und flexibles Greifen“? Wie flexibel müssen Robotergreifer eigentlich sein?

SCHMALZ_Anwendungsbilder_Matrixgreifer_FMG_2.jpg
Im Sinne flexibel aufbaubarer Greifer bietet der Matrix-Flächengreifer FMG ein kompaktes Greifmodul mit zwölf einzeln ansteuerbaren Sauggreifern.
Bild: J. Schmalz

Das heißt, wir erweitern die Kompetenz über Sauggreifer, Vakuumerzeuger, Sensorik – also komplette Greifsysteme dahin, dass wir es möglichst einfach machen, bei bestimmten Anwendungen Greifsysteme flansch-fertig an die Roboter anzubauen und Roboter „easy to use“ in Betrieb zu nehmen. Es ist eine Art Rückwärtsintegration vom Greifer hin zum Roboter. Unser Ziel ist es, für bestimmte Branchenprozesse geeignete Greiferlösungen anzubieten, beispielsweise zur Blechhandhabung. Solche Prozesse lösen wir mit dem hochflexiblen Matrix-Flächengreifer FMG. Dieser Greifer sorgt dafür, dass Sie unterschiedliche Formen, Größen und Gewichte ohne Greiferwechsel greifen können. Der Greifer ist modular aufgebaut. Und durch unterstützende Vision-Software erreichen wir eine unglaublich hohe, nie da gewesene Flexibilität des Greifens. Natürlich ist dabei klar, dass die Greifflexibilität von End-of-Arm-Toolings immer auf genau definierte Prozesse begrenzt sein muss, zum Beispiel für Blechanwendungen oder das Greifen von Kartons oder Lebensmitteln. Dafür bieten wir leicht nutzbare Konfiguratoren für die flexible Auswahl und Zusammenstellung von Greifern. Schließlich haben wir für zahlreiche Branchen ein breites Angebot an Komponenten, die online zu kompletten Greifsystemen kombiniert werden können.

Anspruch: Projektierungsaufwand bei Kunden reduzieren

Im Bereich Robotik bietet Schmalz zunehmend Kits/Baukästen bis hin zur Plug-and-Play-Lösungen. Welcher Gedanke steckt dahinter? Wie verändert Schmalz damit den kundenseitigen Projektierungsaufwand und das Handhaben?

In Zukunft wird es immer wichtiger sein, dass unsere Kunden deutlich weniger Projektierungsaufwand haben. Diesen reduzieren wir bereits um bis zu 50 %. Bundles aus Kamera, Software und Greifer, die wir anbieten, können sehr schnell und flexibel eingesetzt werden. Also die bisherige intensive Arbeit, Roboterzellen für diese Handling-Aufgaben als Projekt zu behandeln, wollen wir beenden. Wir sagen, es gibt vorgefertigte Lösungen, die hoch standardisiert sind, die das Handhaben deutlich preisgünstiger machen und die vor allen Dingen deutlich schnellere Anwendungen ermöglichen. „Plug and work“, lautet die Devise, also „einstecken und loslegen“.

www.schmalz.com

Unsere Whitepaper-Empfehlung
Firmen im Artikel
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 11
Ausgabe
11.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de