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Musterbeispiel eines Gleichstromnetzes

Sektorenkopplung
Blaupause für industrielle Gleichstromnetze

Das neue Produktions- und Technologiezentrum von Phoenix Contact schafft 18.485 m2 neue Nutzfläche für 400 Arbeitsplätze. Die Besonderheit: die Vernetzung der Sektoren Energie, Mobilität, Infrastruktur und Gebäude – eine Blaupause im Sinne einer All Electric Society. Eine wesentliche Grundlage für die Sektorenkopplung: Der Einbau eines Gleichstromnetzes.

» Thorsten Sienk, Fachredakteur, Phoenix Contact

Das Gebäude mit der internen Nummer 60 macht mit seiner Einweihung im Sommer 2023 die heutigen Möglichkeiten für optimierte Energieketten von der Erzeugung über die Verteilung bis hin zu Speicherung und Verbrauch erlebbar. Hierbei integriert das Unternehmen z. B. thermische Energie zu einem Wärmenetzwerk auf lokaler Ebene – realisiert mit Wärmepumpen und einem 1500 m3 großen Eisspeicher. Das Ziel dabei: Integration und Nutzung der kompletten Abwärme aller Prozesse. Elektrisch betrachtet, kommen im ersten Ausbauschritt Batteriespeicher, zwei PV-Anlagen und ein partielles Gleichstromnetz zum Einsatz. Daran angebunden ist unter der Prämisse „Vehicle to Grid“ bidirektional ausgelegte Ladeinfrastruktur für Elektromobilität.

Gerade die strategische Entscheidung, ein Gleichstromnetz für den industriellen Einsatz zu installieren, bringt die Energiewende entscheidend voran: Regenerative Energiequellen, Batteriespeicher und Elektromobilität basieren auf Gleichstrom und lassen sich leichter integrieren. Zudem kann ein Gleichstromnetz Verlustleistungen wirksam reduzieren, etwa durch die Nutzung der Rekuperationsenergie, wenn Elektromotoren bremsen. Frank Stührenberg, CEO von Phoenix Contact, ist angesichts dieser nachhaltigen Werte von der Entscheidung, das neue Gebäude mit einem Gleichstromnetz auszurüsten, jeden Tag mehr überzeugt. Gleichstrom gebe der All Electric Society schließlich als notwendiges Energieverteilnetz einen gehörigen Innovationsbooster. Das neue Gebäude lässt sich insofern „mit einer Miniatur unseres Marktpotenzials vergleichen“.

Gelebte Sektorenkopplung

Und wer zieht ein? Hauptnutzer wird der eigene Maschinenbau der Ostwestfalen. Chris-Jörg Rosen, Leiter des Unternehmensbereichs und Mitinitiator des DC-Smart-Grids schätzt am Gleichstrom die Möglichkeit, Bremsenergie ohne aufwändige Rückspeisetechnik im Energieverbund zu behalten. Bis dato liegen seines Wissens aber noch keine industriellen Anwendungen vor, die Bremsenergie in signifikanter Menge zurückspeisen. Das Unternehmen betritt mit dem DC-Netz folglich neues Terrain „indem wir einen weiträumigen DC-Bus im Gebäude 60 aufsetzen. Damit gehen wir über kurzfristige Zwischenspeicherungen hinaus und managen komplett den Energiefluss von Quelle und Senke.“ Komplex wird das Ganze, da das Unternehmen am Stammsitz in Blomberg ganz unterschiedliche Ökosysteme per DC-Bus miteinander verbinden will – damit also eine echte Sektorenkopplung betreibt. „Wir haben es mit multidirektionalen Energieflüssen zu tun“, sagt Rosen.

Nachhaltig ab der Installation

Erhebliche Effizienzgewinne resultieren aus dem einfacheren Aufbau der Netze. Wer auf Gleichstrom setzt, benötigt keine dreiadrigen Leitungen mehr für einphasige AC-Energieströme oder sogar fünfadrige Kabel für den klassischen AC-Kraftstrom. Stattdessen reichen zwei Leiter aus für plus und minus. Rosen: „Das ist die natürliche Form, wie Elektronen fließen – von einem zum anderen Pol. Es gibt in der Natur keinen Wechselstrom.“ Der Wegfall von Leitern spart auf direkte Wese Isolierungsmaterial und vor allem Kupfer. Laut Schätzungen liegt hier ein Einsparpotenzial bis 50 %.

Auf Verbraucherseite bringt der Wechsel bei der Energieversorgung von AC zu DC ebenfalls gravierende Einsparungen mit sich. Heutige Verbraucher arbeiten in der Regel mit einem AC-Eingangskreis. Der Wechselstrom wird dann geräteintern in Gleichstrom gewandelt. Werden Geräte direkt mit Gleichstrom versorgt, fällt der Gleichrichter weg. Rosen stellt sich hier die Frage, wie die Geräte von Morgen aussehen, die direkt am DC-Netz hängen. „Wir sparen Bauteile und können damit kleiner werden.“

Blaupause für die All Electric Society

Zurück ins Gebäude 60: Das Unternehmen befindet sich Stand heute laut eigenen Angaben in der glücklichen Lage, vor allem aufgrund der Ladetechnik aus dem Bereich Elektromobilität gut aufgestellt zu sein und Gleichstromnetze mit erprobter Technik aus einem System heraus ausrüsten zu können. Die Rede ist hier vor allem vom Produktprogramm Charx mit Lösungen für das Schnellladen von Fahrzeugen direkt mit Gleichstrom. Die Erfahrung des Unternehmens im Umgang mit hohen Gleichstromleistungen macht es vergleichsweise einfach, dieses Know-how auf industrielle Anwendungen zu übertragen – vor allem in der Verknüpfung der Fabrikautomation mit der Gebäudetechnik sowie regenerativer Energieerzeugung. Diese Sektorenkopplung ist mehr denn je gefragt, um Energie zu sparen, Leistungsflüsse zu harmonisieren sowie batteriebasierte Energiespeicher und die „Regenerativen“ zu integrieren. Und dann ist da noch das Lastmanagement, das ebenfalls von der Einbindung von stationären Energiespeichern – Stichwort „Peak-Shaving“ – profitiert.

Gebäude bieten heute weit mehr als das sprichwörtliche Dach über dem Kopf. Technisch-energetisch betrachtet, haben sie eine Schlüsselposition inne für die sinnvolle Verknüpfung von Solarenergie, Leittechnik, Produktion, Batteriespeicher und auch Ladesäulen. Gebäude sind damit der Ort für gelebte Sektorenkopplung. Und diese Kopplung ist notwendig für eine nachhaltige, „elektrifizierte“ Gesellschaft, die ihren Energiebedarf zu 100 % aus regenerativen Quellen deckt.

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