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Wie die Digitalisierung dem Leichtbau hilft

Marc Bicker vom Leichtbau-Cluster Landshut zu den Trends
„Der Mensch begrenzt den Ultra-Leichtbau“

„Der Mensch begrenzt den Ultra-Leichtbau“
Marc Bicker ist Leiter des Instituts für Transfer und Zusammenarbeit (ITZ) an der Hochschule Landshut. Bild: Hochschule Landshut
Warum der Leichtbau einen neuen Schub erfährt, erläutert Marc Bicker, Leiter des Leichtbau-Clusters Landshut. Seit zehn Jahren initiiert er für das Netzwerk einen Gemeinschaftsstand auf der Hannover Messe. Er nennt die Vorteile des Leichtbaus und erklärt, wo der automobile Leichtbau an seine Grenzen stößt.

Katja Wohlers
Fachjournalistin in Hamburg

Der Ruf nach innovativen Leichtbaulösungen wird lauter. Ist der Leichtbau bislang nicht innovativ gewesen?

Seit vielen Jahren beschäftigen sich nahezu alle Industriebranchen damit, spannende Leichtbaukonzepte in den Markt zu bringen. Oft aber werden diese Lösungen nicht offensichtlich oder sind gar zur Selbstverständlichkeit geworden. Generell steigt der Trend zu Innovationen innerhalb der Querschnittstechnologie Leichtbau. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen tragen dazu bei.

Was bringen Innovationen im Leichtbau an Mehrwert und für die Rentabilität?

Innovationen im Leichtbau führen zumeist zu einem Mehrwert in der Nutzungsphase und können bei einer ganzheitlichen Bewertung des gesamten Lebenszyklus durchaus wirtschaftlich sein. Sowohl für den Nutzer als auch für den Hersteller. Das Reduzieren von Massen und Massenträgheitsmomenten senkt besonders bei Automobilen und Flugzeugen den Verbrauch. Geringere Betriebskosten sind das Ergebnis.

Der Vorteil liegt also beim Anwender. Haben die Produzenten auch Vorteile?

Intelligent eingesetzte neue Werkstoffe, die entsprechend ihren jeweiligen Eigenschaften konstruktionsoptimiert in einem Werkstoffmix zu einem Bauteilsystem eingesetzt werden, können für den Produzenten durchaus lohnend sein. Die Kosten der Werkstoffe dürfen nicht singulär betrachtet werden. Im Besonderen können die mit der Herstellung eines Bauteil-Systems verbundenen Fertigungskosten sinken: Hier greift die Funktionsintegration mit dem Ergebnis, dass weniger Bauteile innerhalb eines Systems benötigt werden. Dies kann zu weniger Prozessschritten in der Fertigung führen – verbunden mit einem ebenfalls geringeren Logistikaufwand.

Es ist also der ganzheitliche Blick gefragt?

Ja, Kosten für Werkstoffe, Konstruktion und die für eine Bauteillösung notwendigen Fertigungstechnologien isoliert zu sehen, ist falsch. Ingenieurwissenschaftlich ist sicherlich noch viel mehr machbar, doch es ist immer enorm wichtig, die Kosten-Nutzenanalyse aller Kerndisziplinen zu betrachten. Hinzu kommt die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit und die Kreislaufwirtschaft.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für die stärkere Nachfrage nach innovativen Leichtbau-Lösungen?

Dass Leichtbau seit mehr als drei Jahrzehnten ein immer stärker wachsendes Thema ist, liegt auch an der Material- und Energieeffizienz für einen Ressourcenschutz und Nachhaltigkeit. Bereits bei der Entwicklung von Bauteilen und Baugruppen muss der Lebenszyklus genau analysiert werden. Es hilft niemandem, wenn in der Nutzungsphase ein Beitrag zum Ressourcenschutz geleistet wird, doch in der Phase des Recyclings ein nicht geschlossener Werkstoffkreislauf die Nachhaltigkeitsbetrachtung zunichte macht.

Welche Rolle spielt die Elektromobilität für den Leichtbau?

Die Elektromobilität wird sicher ein weiterer Treiber sein, um Fahrzeuge leicht zu bauen. Das derzeit hohe Gewicht des Batteriespeichers ist das eine. Die bislang konstruierten Karosserien, Baugruppen und Systembauteile beanspruchungsgerecht für alternative Antriebsformen und -bedingungen neu zu konstruieren das andere. Hier sehe ich viel Potenzial.

Ist darüber hinaus das Leichtbaupotenzial im Automobilsektor ausgeschöpft?

Nein, bei weitem nicht. Der Faktor Mensch ist durch sein Nutzungsverhalten die eigentliche Schwachstelle für den sogenannten Ultra-Leichtbau. Wenn sich zum Beispiel der Fahrer an der Lenksäule oder an der Tür abstützt, sich vielleicht sogar auf die Motorhaube setzt, auf wenig oder gar nicht befestigten Wegen fährt oder Feindkontakt mit der Bordsteinkante hat. Wer ertappt sich denn nicht selbst ab und zu dabei? All das zwingt den Konstrukteur zu einer entsprechend „erhöhten Auslegung“ zahlreicher Bauteile in Interieur, Exterieur, Karosserie sowie Chassis.

Kann Digitalisierung hier Abhilfe schaffen?

Allerdings. Die Sensorik und die Vernetzung des Fahrzeugs mit dem Nutzer sowie Serviceeinrichtungen bieten die Chance eines sogenannten Structural-Health-Monitorings. Die Überwachung von sicherheitsrelevanten Bauteilen, Baugruppen oder des Gesamtsystems mit entsprechender Dokumentation können dem Fahrer sowie dem Service für Wartung und Instandhaltung alle auf das Fahrzeug wirkenden Belastungen und Kräfte aufzeigen – also auch Überlastungen, die nicht dem normalen Fahrbetrieb oder der normalen Nutzung entsprechen.

Und so ließe sich die heute übliche Überdimensionierung zurückfahren?

Ja, vor dem Versagen des Bauteils kann dann eingegriffen werden. Das Aufsuchen der Servicewerkstatt erfolgt nur dann, wenn ein Bedarf dafür ermittelt wird. Die momentan für Bauteile, Baugruppen und Gesamtsysteme vorgesehene Überdimensionierung wäre nicht mehr nötig. Die Übertragung der erhobenen Daten könnte beispielsweise über das Mobilfunknetz erfolgen. Und dann wären wir bei Leichtbau 4.0.


Variationen der Metawell-Leichtbauplatten Aluflex, die sich bei Bedarf sogar mit Nut-Feder-Verbindungen kombinieren lassen. Bild: Metawell

Geheimtipps auf der Hannover Messe

Zwei Partner im Leichtbau-Cluster Landshut lassen schon jetzt durchblicken, mit welchen Highlights sie auf die Messe kommen – teils haben sie den Rang von Geheimtipps. So stecken drehmomentgeregelte Antriebe von Sensodrive, einem Spin-off des DLR, nicht nur in Leichtbaurobotern, sondern auch in Fahrsimulatoren, OP-Mikroskopen, selbstfahrenden Motorrädern und Exoskeletten. Die Nachfrage sei groß, sagt Geschäftsführer Norbert Sporer. „Wie bette ich den Drehmomentsensor so ein, dass er größtmöglichen Nutzen bringt?“, nennt er eine der typischerweise brennenden Fragen. In Hannover lassen sich solche Anwendungen erleben.

Auch Metawell ist wieder dabei. Die Bayern gestalten ihr Programm an Aluminium-Leichtbauplatten immer noch variabler. Absolute Planheit, niedriges Gewicht (bis zu 80 % weniger als massives Alu), hohe Biegesteifigkeit und Korrosionsschutz sollen sie bieten. Der Clou: Über Nut&Feder-Systeme lassen sie sich ganz leicht verbinden.

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