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Dichtung: Rotationsdichtungen erhöhen Reichweite von E-Autos

E-Mobilität
Dichtungen für die nächste Stromer-Generation

Dichtungen für die nächste Stromer-Generation
Direkt auf der Rotorwelle des Elektromotors sitzend, halten HiSpin-Rotationsdichtungen das Schmiermittel des Getriebes aus dem trockenen Motorraum fern. Bilder: Trelleborg Sealing Solutions
Als Dichtungen für die nächste Generation von Elektroautos schickt Trelleborg zwei neue Rotationsdichtungen ins Rennen. Damit steigt der Wirkungsgrad der E-Achse, was die Reichweite eines Stromers erhöhen kann.

Dietmar Kieser

Damit Elektroautos mit einer Aufladung Reichweiten erreichen, die Autofahrer von Verbrennern gewohnt sind, braucht es funktionsfähige Technologien. Der E-Motor im Auto verändert hier – bedingt durch hohe Drehzahlen, sensible Elektronik und Automatikgetriebeöle – die Anforderungen an Rotationsdichtungen. An dieser Stelle setzt Trelleborg mit zwei neuen Dichtungen an: Die Varianten HiSpin PDR RT und HiSpin HS40 sollen dazu beitragen, die Reichweite von Elektroautos zu erhöhen und deren Massentauglichkeit einen großen Schritt näherzukommen.

Eine wichtige Technologie für höhere Reichweiten von Elektrofahrzeugen ist die E-Achse: eine Kombination aus Elektromotor und Getriebe, die in einen herkömmlichen Motorraum passt. Der Motor ist dabei direkt mit dem Getriebe gekoppelt. Die besondere Anforderung besteht darin, dass die Dichtung zwischen den beiden Komponenten das Schmiermittel des Getriebes aus dem trockenen Motorraum fernhält. Daher werden zwischen diesen beiden Komponenten zuverlässige Dichtungen benötigt.

Elektroantriebe drehen weitaus schneller als Benzinmotoren

Benzinmotoren laufen normalerweise bei 2000 bis 4000 min-1 – Elektroantriebe hingegen vier- bis achtmal schneller bei 15.000 bis 16.000 min-1. In Zukunft dürfte sich diese Zahl wohl nochmals verdoppeln. Das Limit der Umfangsgeschwindigkeit für herkömmliche Dichtungen in der E-Achse heutiger Elektrofahrzeuge liegt laut Trelleborg Sealing Solutions bei 30 m/s. Die theoretische, für den Wirkungsgrad der elektrischen Maschine optimale Umfangsgeschwindigkeit von mehr als 60 m/s erfordert heute sehr aufwendige Konstruktionen.

Relativgeschwindigkeiten an der Welle bis zu 60 Meter pro Sekunde

Ziel für die neuen E-Mobility-Dichtungen war es, die akzeptablen Relativgeschwindigkeiten an der Welle auf mindestens 40 m/s zu erhöhen. Beim HiSpin HS40 sei dieses Ziel erreicht worden, hebt Trelleborg hervor, und mit dem HiSpin PDR RT würden sogar 60 m/s erreicht.

Eine weitere Herausforderung stellt das fehlende Schmiermittel im System dar. Im elektrischen Antrieb ist meistens nur wenig davon vorhanden. Die Anforderungen an die Dichtung sind deshalb hoch. Rotationsdichtungen werden nach Ruhephasen hohen Reibungskräften ausgesetzt, was zu Verschleiß, einer kürzeren Lebensdauer, Leistungsverlust sowie Einbußen bei der Reichweite des Fahrzeugs führen kann. Der Einsatz unterschiedlicher Schmiermittel im E-Antrieb ist eine weitere Herausforderung, da nicht alle Dichtungsmaterialien mit den eingesetzten Mitteln kompatibel sind – wenn etwa wasserbasierte, dielektrische Mittel oder solche mit höherer Viskosität ins Spiel kommen.

Dichtungsvarianten für den Einsatz in Anwendungen für Hochgeschwindigkeit

Trelleborg ging es darum, zeitnah neue E-Mobility-Dichtungen zu entwickeln, die den hohen Drehzahlen von Elektrofahrzeugen sowie der variablen Schmiermittelversorgung standhalten können. Dies gelang innerhalb von nur acht Monaten – von der Zusammenstellung des Projektteams bis zur ersten Verfügbarkeit der Dichtungen für die Kunden. HiSpin PDR RT und HiSpin HS40 sind für den Einsatz in Hochgeschwindigkeitsanwendungen vorgesehen – abhängig von den Betriebsparametern des elektrischen Antriebssystems und den speziellen Kundenanforderungen eignet sich eine Variante für ein bestimmtes System besser als die andere.

Maßgeschneiderte Lippe mit verbesserten Eigenschaften für eine höhere Leistung

Der HiSpin PDR RT besteht aus einem präzisionsgefertigten Metallgehäuse und einem mechanisch eingepassten Turcon Polytetrafluorethylen (PTFE)-Dichtelement. Die Dichtung verfügt über eine maßgeschneiderte Lippe mit verbesserten Eigenschaften für eine höhere Leistung. Sie wurde so konzipiert, dass sie sich ideal an die Welle anlegt. Neben ihrer Funktionsfähigkeit bei Geschwindigkeiten von über 60 m/s hält die Dichtung laut Angaben so auch starken Temperaturschwankungen stand. Sie ist druck- und chemikalienresistent, dank ihrer geringen Reibungswerte ist weitgehender Trockenlauf möglich. Über einen jüngst eingeführten Rapid-Prototype-Service können Kunden Prototypen der Dichtung bestellen. Zudem gibt es auch eine leitfähige Ausführung auf PTFE-Basis.

Der HiSpin HS40 gehört zu einem Produkttyp, mit dem Automobilhersteller bereits vertraut sind. Mit einer bidirektionalen hydrodynamischen Dichtlippe soll die Lösung auch bei hohen Geschwindigkeiten nur ein geringes Reibungsmoment haben. Trelleborg stellt die Dichtung mithilfe bewährter hauseigener XLT Fluorelastomer (FKM)-Materialmischungen her, die hohen Geschwindigkeiten und großen Temperaturschwankungen standhalten. Sie ist mit zunehmend aggressiven synthetischen Automatikgetriebeölen (ATF) kompatibel. Der HiSpin HS40 kann bei Geschwindigkeiten bis zu 40 m/s eingesetzt werden.


Jan Zumbach ist Leiter Business Development E-Mobility bei Trelleborg Sealing Solutions. Bild: Trelleborg
Jan Zumbach ist Leiter Business Development E-Mobility bei Trelleborg Sealing Solutions. Bild: Trelleborg

„Grenzen der technischen Spezifikationen schrittweise verschieben“

Ist das Risiko für eine Dichtung im Einsatz im Elektroantrieb größer als beim Verbrennungsmotor?

Die Anforderungen an eine Dichtung im Elektromotor sind grundsätzlich höher als beim Verbrennungsmotor. Durch die hohen Beschleunigungen, etwa bei Hybridsystemen, und die allgemein höheren Relativgeschwindigkeiten sind die Anforderungen ganz andere. Auf Seite der eingesetzten Medien sind die meisten Hersteller noch sehr konservativ. Aber auch da erwarten wir steigende Anforderungen in Bezug auf die chemische Beständigkeit unserer Produkte.

In welchem Maß entscheidet eine Dichtung zwischen Motor und Getriebe über die Reichweite eines Elektroautos?

Die Dichtung ist zwar „nur“ ein kleiner Teil eines großen Systems, doch sie befindet sich an prominenter Stelle. Direkt auf der Rotorwelle sind wir ganz nah am Herzstück des Autos – und das ist und bleibt der Motor. Der Einfluss auf die Reichweite geht aus meiner Sicht über die Reibverluste hinaus. Da sprechen wir zum Glück nur über ein paar Kilometer pro Batterieladung. Der wichtigere Aspekt ist die Verantwortung, die wir tragen, die Grenzen der technischen Spezifikationen schrittweise zu verschieben. So können wir unsere Partner unterstützen, neue Konzepte zu realisieren.

Mussten die Trelleborg-Ingenieure eine besondere Materialformel für das Dichtelement entwickeln?

Wir haben sowohl Elastomer- als auch PTFE-basierte Rotationsdichtungen entwickelt, die bei elektrifizierten Fahrzeugen zum Einsatz kommen. In der Auswahl der Werkstoffe sind wir frei. Neu entwickelt haben unsere Materialspezialisten einen hochgradig leitfähigen PTFE-Werkstoff. Aus meiner Sicht ein Game Changer. Mit diesem können wir Lagerströme ableiten, die Rotorwelle erden und damit die Langlebigkeit von Kugellagern zum Teil deutlich erhöhen. Und das auf einer axialen Länge von nur fünf bis sieben Millimetern.

Auf welche Lebensdauer sind die Dichtungen ausgelegt?

Unsere HiSpin-Dichtungen sind grundsätzlich auf eine Betriebsdauer von rund 8000 Stunden ausgelegt. Das entspricht auch einer durchschnittlichen Pkw-Lebensdauer. Zum Ziel gesetzt haben wir uns mehr als das Doppelte – 20.000 Stunden sollten es im Lkw-Bereich sein. Auch in diesem Segment wird fleißig an elektrifizierten Lösungen gearbeitet, kürzer werden Wartungsintervalle dabei eher nicht.

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