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Datensicherheit: Daten sind der Schlüssel

Vertragliche Regelung sichert Maschinenbauer ab
Die Daten sind der Schlüssel

Daten sind das Herzstück von Industrie 4.0 und Internet of Things. Von Maschinen generiert und ausgewertet, bilden Rohdaten wie auch personenbezogene Daten die Basis neuer Geschäftsmodelle – und rufen Datenschützer auf den Plan. ❧

Dietmar Kieser

„Daten sind das neue Öl.“ Erstmalig benutzte der britische Mathematiker Clive Humby im Jahr 2006 diese Analogie. Unternehmer, die die digitale Zukunft heute auf dem Schirm haben, werden dem kaum widersprechen. Wer sich an die Spitze dieser Bewegung setzt und nicht nur die eigene Produktion, sondern auch seine Lieferanten und Kunden vernetzt und Schlüsse aus den gewonnenen Daten zieht, dem winken beachtliche Vorteile.

Beispielsweise will Trumpf „in der Branche digital führend sein“, betont Philipp Schüll, der beim Ditzinger Maschinenbauer das Programmbüro zur digitalen Transformation leitet. Ziel sei es, die „Wertschöpfungsketten bis zum Jahr 2021 vollständig digital zu vernetzen und dadurch die Produktivität stark zu steigern, die Durchlaufzeit um 50 % zu reduzieren und neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen“, so Schüll auf der Fachtagung „Industrie 4.0 und das Internet of Things“ der Technischen Akademie Esslingen (TAE) in Ostfildern.

Aktuell „lerne“ sein Unternehmen anhand verschiedener Leuchtturmprojekte. Ein Beispiel ist die Stanzwerkzeugfertigung. Das 2009 gestartete Projekt stellt sich heute als digitalisierter Prozess mit voller Integration und Transparenz für den Kunden dar. Gibt dieser auf der Web-Plattform „myTrumpf“ die Parameter seines Werkzeugs ein, startet er damit die mannlose Auftragsabwicklung und dessen Fertigung auf den vollautomatischen Bearbeitungsmaschinen bei Trumpf am Standort Gerlingen. „Nicht die Maschine selbst, sondern die indirekten Prozesse und die Schnittstellen bergen die größten Potenziale“, argumentiert Schüll.

Rohling kommuniziert selbstständig mit Maschinen

Sechs Schritte sind es immerhin vom ersten Bearbeitungsschritt bis zum Versand des kundenspezifischen Teils – bei einer Variantenvielfalt von 31 Mio. Möglichkeiten. Zudem trägt jeder Rohling einen Data-Matrix-Code, der im Laufe der Produktionskette mit Informationen zum Auftrag gefüttert wird, und kommuniziert so selbstständig mit den am Prozess beteiligten Maschinen. Dies gewährleistet, dass die sich oftmals ähnelnden Teile die richtigen Adressaten erreichen. Insgesamt hat sich so die Durchlaufzeit von vier Tagen auf vier Stunden reduziert, die Arbeitsproduktivität ist um 70 % gestiegen – gleichzeitig ist die Reklamationsquote um 80 % gesunken und die Termintreue verbesserte sich um 240 %.

Gewiss wurden hier die technologischen Voraussetzungen durch Industrie 4.0 geschaffen. Dennoch werde die digitale Transformation – und damit die eigentliche Revolution – „nicht mit Technologien gewonnen, sondern mit Geschäftsmodellen, die den Kunden ein Wertangebot liefern“, formulierte Philipp Schüll das Prinzip.

Die Integration und Vernetzung, bei der es im Kern bei Industrie 4.0 geht, hält auch Heinz Wilming aus technologischer Sicht eher für eine evolutionäre Weiterentwicklung. Die eigentliche Revolution liege in den Möglichkeiten der Geschäftsmodelle und Dienstleistungen, betonte Wilming, der bei der Akquinet AG in Berlin die Geschäftsentwicklung IoT/Industrie 4.0 verantwortet. Deshalb könne ein Unternehmen bereits mit sehr kleinen digitalen Projekten einen Mehrwert generieren.

TAE-Tagung zeigt Best-Practice-Beispiele

Den Wandel hin zu stärker personalisierten Produkten und Dienstleistungen, den die TAE-Tagung anhand vieler Best-Practice-Beispielen aufzeigte, verdeutlichte Wilming an einem Projekt, das mit dem Gabelstaplerhersteller Still umgesetzt wurde. Trotz vielfach mit Serviceverträgen ausgestatteten Staplerflotten fehlte zuvor das Wissen um den Einsatz des Flurförderzeugs beim Kunden. Abhilfe schaffen heute die digitalen Produkte „FleetManager 4.x“ und „neXXt fleet“. Die online erfassten und aufbereiteten Fahrzeug- und Nutzungsdaten werden dazu verwandt, Nutzenanalysen zu erstellen, personalisierte Zugänge zu Staplern zu ermöglichen und Gewaltschäden zu reduzieren. Zudem können anhand aggregierter Daten Stapler weiterentwickelt und Services in Richtung vorausschauende Wartung erstellt werden. Am Stapler angebrachte IoT Edge Devices statten diesen mit „Intelligenz“ aus, Sensordaten lassen sich zwischenspeichern und vorauswerten.

Wichtig ist es Heinz Wilming, dass klein gestartete Projekte schrittweise weiterentwickelt werden können und auf offenen Standards aufsetzen. Zumal es bei Industrie 4.0-Projekten zumeist um individuelle Applikationen geht, die selbst kein Standard sind. Systeme wie „FleetManager 4.x“, „neXXT fleet“ und das IoT Edge Device müssten stark skalieren können, meinte Wilming. Diese Skalierbarkeit hält der IoT-Spezialist für wichtig, um bei entkoppelten Systemen eine Vielzahl von Daten verarbeiten zu können.

Vorzeigefabrik produziert reale Kundenaufträge

Bei Projekten im Kleinen wie im Großen zeigt sich: Der Schlüssel sind die Daten. Deutlich wird dies an einem weiteren Vorzeigeprojekt von Trumpf: der Ende letzten Jahres in Chicago errichteten Smart Factory (wir berichteten in den Ausgaben 26 und 29/2017). Im Fokus stehen dort die Beratung und das Training der Kunden bei der Einführung digital vernetzter Fertigungslösungen entlang der Prozesskette Blech. Zugleich produziert die Vorzeigefabrik reale Kundenaufträge.

Für das Grüne-Wiese-Konzept wurden „in jahrelanger Arbeit Prozessdaten erhoben“, nennt Eberhard Wahl die Voraussetzung für zielgerichtetes Optimieren. Der Produktmanager erinnert an „das Versprechen der Industrie 4.0, Daten zu erhalten, um uns zu optimieren“. Aber diesen Status gelte es, erst einmal zu erreichen. Heute sei die Smart Factory auf dem Stand, jeden Tag neue Daten zu liefern und sich durch stetiges Lernen selbst zu optimieren. Eine solche komplette Smart Factory würden Kunden heute bei Trumpf kaufen, sagte Wahl.

Eigentum an Daten kennt das Gesetz nicht

Mit der Übermittlung und Auswertung vielfältiger Daten durch vernetzte Maschinen kommen allerdings bislang ungeklärte Fragen auf. Es sei noch gar nicht geklärt, wem die Daten eigentlich gehören, sagte Laurent Meister, Rechtsanwalt und Partner der Wirtschaftskanzlei Menold Bezler aus Stuttgart. So würden technische Sensor- und Betriebsdaten ohne Personenbezug vom Datenschutzrecht nicht erfasst. „Ein Eigentum an Daten kennt das Gesetz bislang nicht“, hob Meister hervor. Das Sachenrecht greife hier nicht. Deshalb könnten von einer Maschine generierte Daten nicht zwangsläufig deren Eigentümer zugeordnet werden. Eigentum lässt sich nur an Sachen erlangen. Daten aber sind keine körperlichen Gegenstände, sondern digital vorhandene Einzelangaben.

Gleichwohl empfiehlt der Fachanwalt für Informationstechnologierecht, „die Nutzung technischer Rohdaten unter allen Teilnehmern der Wertschöpfungskette vertraglich abzusichern“. Denn sobald eine Maschine einer bestimmten Person zugeordnet sei, werde aus dem rein technischen ein personenbezogenes Datum. Ein Beispiel: Führt eine Cloud-Plattform technische Rohdaten mit einem Benutzerkonto zusammen, generiert dies personenbezogene Daten. Um solche Daten zu verarbeiten, braucht es nach dem Bundesdatenschutzgesetzt (BDSG) eine Erlaubnis.

Saftige Busgelder drohen bei Verstößen gegen DSGVO

Diesen Tatbestand verschärft demnächst die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nochmals: Nach den Grundsätzen „Privacy by Design“ und „Privacy by Default“ sind technische Prozesse so zu gestalten, dass sie so datenschutzschonend wie möglich gestaltet sind. Verbessern lässt sich der Datenschutz etwa, wenn Datenbestände getrennt werden in einen rein technischen, der dem Datenschutzrecht nicht unterliegt, und in einen personalisierten Bestand. Wer diesen Anforderungen nicht entspricht und die Grundsätze missachtet, dem drohen saftige Bußgelder: laut DSGVO bis zu 4 % des weltweiten Konzernjahresumsatzes.

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