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Condition Monitoring: Wittmann Battenfeld wertet 80 Parameter aus

Condition Monitoring
Die gläserne Spritzgießmaschine

Dank schneller Datennetze und Fortschritten in der Sensorik sind Condition-Monitoring-Systeme (CMS) nicht mehr Großanlagen vorbehalten. Wittmann Battenfeld hat Pionierarbeit geleistet und bietet Spritzgießmaschinen mit CMS an, die bis zu 80 Parameter durchleuchten.

Reinhard Bauer
Fachjournalist in Gmünd/Österreich

Sensorsysteme zur Zustandsüberwachung – CMS – werden seit vielen Jahren bei Großanlagen eingesetzt, um Produktionsausfälle und kostenintensive Wartungsaufwände zu minimieren. Anwendungsbeispiele sind Förderanlagen in der Rohstoffgewinnung, Vortriebsmaschinen im Tunnelbau, Kraftwerksturbinen oder Windkraftanlagen. Möglich wird das Condition Monitoring (CM) nun auch bei kleineren Fertigungsanlagen wie Spritzgießmaschinen (SGM).

Das CMS überwacht den Zustand der SGM permanent und ermöglicht eine vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance). Fertigungsleiter und Bediener sollen immer wissen, wie es um die Maschinen steht. Die Bauteile werden abhängig vom Grad des Verschleißes und ihrer Funktionserfüllung ausgetauscht und nicht mehr vorbeugend in festen Zeitabständen wie bisher (Preventive Maintenance).

Dies vermeidet nicht nur überflüssige Kosten für zu früh ausgetauschte Bauteile. Viel wichtiger ist, dass plötzliche Maschinen- und Produktionsausfälle verhindert werden können. Denn die zwischen zwei Wartungen eintretenden Schäden bleiben oft unentdeckt und können bis zum Totalausfall führen, der meist hätte leicht abgewendet werden können, wenn die Schäden rechtzeitig entdeckt worden wären. Die dann anfallenden, ungeplanten Reparaturkosten und der Ertragsausfall sind meist höher als die Investition in ein Condition-Monitoring-System. Dies gilt umso mehr, je enger die Produktionen in eine Just-in-time-Kette eingebunden sind – wie zum Beispiel die Spritzgießfertigung in der Automobilindustrie.

Dietmar Schabauer, Manager Technical Service/IoT-Services bei Wittmann Battenfeld, vergleicht den Effekt mit den beim Automobil erzielten Fortschritten: „Leuchtete früher das rote Warnlämpchen auf, musste der Fahrer den Wagen sofort abstellen, damit kein Schaden entsteht. Heute blinkt nur noch das gelbe Warnlämpchen auf und er hat Zeit, zu reagieren und einen Werkstatttermin zu vereinbaren.“ So läuft es nun auch bei SGM.

Erstmals vorgestellt zur K 2016

Zur K 2016 hat Wittmann Battenfeld als erster Hersteller ein Condition Monitoring System vorgestellt, das als optionale Ausrüstung zu den Spritzgießmaschinen lieferbar ist. Seither wurde es kontinuierlich verbessert, weiterentwickelt und ausgebaut – beispielsweise um Algorithmen zur Bewertung von auftretenden Schwingungen. Das CMS greift auf die Messwerte bereits vorhandener, sowie 30 zusätzlich eingebauter Sensoren zu und gibt diese an ein Aufzeichnungssystem weiter – insgesamt 80 Parameter. Konkret überwacht das CM-System die folgenden Funktionen:

  • bei (servo-) hydraulischen SGM die Ölqualität (Temperatur, die Partikelanzahl im Öl und den Wassergehalt), bei elektrischen SGM die Getriebeöl-Qualität,
  • das „Klima“ im Elektroschrank (Temperatur, Feuchtigkeit, eventuelle Rauchbildung),
  • Kapazität der Kühlwasser- und der Luftversorgung (Durchflussmenge, Druck, Temperatur),
  • mechanische Parameter der Schließeinheit (Drücke in den Druckkissen bei den MacroPower-Maschinen, Vibrationen und Drehmomente bei den servoelektrischen Antrieben),
  • mechanische Parameter des Plastifizier-Spritzaggregates (Vibrationen, Drehmoment, Schneckenhub, Schließverhalten der Rückstromsperre). Eine Vibrationsursache kann beispielsweise eine gelockerte Schraube der Schneckenkupplung sein, die zu einem größeren Folgeschaden führen kann, falls sie unbemerkt bleibt.

Das CMS erfasst und verarbeitet die Zustandsdaten. Die Messdaten-Erfassung und eine erste Visualisierung für den Bediener erfolgen auf Maschinenebene. Das System sammelt die Messwerte teils zyklussynchron, teils zeitabhängig (Temperaturen, Feuchtigkeit, Signale vom Rauchmelder im Elektroschrank) und leitet sie an den CMS-Rechner zur Auswertung weiter.

Die aktuellen Zustandsdaten werden auf einer Überblicksseite der B8-Maschinensteuerung an der SGM kompakt dargestellt. Abweichungen von Sollwerten (Temperaturbereiche, Luftdruck, Rauchmeldersignale) visualisieren Grün/Rot-Ampelanzeigen.

CMS-Rechner sammelt Daten
und bereitet sie auf

Das Herz des CMS-Systems ist der CMS-Rechner. Auf ihm werden die Datenanalyse und -aufbereitung durchgeführt. Er ist Teil eines Produktionsleitstandes. Er kommuniziert mit den Spritzgießmaschinen und greift die Messdaten ab, sammelt und speichert sie für eine später notwendige und jederzeit mögliche Rückverfolgung.

Die CMS-Software verarbeitet die Messdaten zu Trendfolge-Modellen. Ein CMS-Leitstand kann gleichzeitig bis zu 50 Maschinen überwachen und Vorwarnungen via E-Mail an die Instandhaltung weitergeben.

Auf der dritten Ebene geht es um die Bewertung der Daten und die Zustandsanalyse. Hier wurden anerkannte Qualitätsstandards zugrunde gelegt, beispielsweise die NAS (National Aerospace Standard) 1638 zur Beurteilung der Ölqualität beziehungsweise die Öl-Reinheitsklassifizierung nach ISO 4406. Bei anderen Parametern dienen Erfahrungswerte als Beurteilungslimits, zum Beispiel bei den Werten für den Öl- oder Luftdruck, bei Temperaturen oder beim Schließverhalten der Rückstromsperre. Zusätzlich erfassen Vibrationssensoren die Schwingungen von verschleißgefährdeten Bauteilen. Sie werden mit Analyse-Algorithmen ausgewertet.

Die CMS-Software liefert nicht nur aktuelle Statusinformationen, sondern erkennt auch Trends in der Veränderung der Funktionswerte. Sie bilden Entscheidungsgrundlagen für das Instandhaltungspersonal. Steigt zum Beispiel der Wassergehalt im Öl, wird der Instandhalter die Anlage abschalten und nach der Ursache forschen, bevor die Pumpe beschädigt wird. Ist womöglich ein Ölkühler geplatzt? Eine solche Störung ist leicht zu erkennen, wenn gezielt gesucht wird. Wird sie zu spät bemerkt, könnte die Pumpe ausfallen.

CM-System überwacht Zunahme von Vibrationen

Ein weiteres Fallbeispiel wäre, dass sich ein Vibrationssignal dem definierten Limit nähert. Erhält der Instandhalter nun ein Warnsignal, kann er binnen Minuten reagieren und einen größeren Folgeschaden beheben, indem er eine Reparatur einleitet und/oder schadhafte Komponenten austauscht.

Sollte nicht ausreichend qualifiziertes oder erfahrenes Personal vor Ort verfügbar sein, um auf die gelieferten Zustandsinformationen angemessen zu reagieren und die richtigen Entscheidungen zu treffen, so bietet sich eine weitere Option.

Über eine Online-Vernetzung kann das Personal die Dateninterpretation an ein Service-Center von Wittmann Battenfeld auslagern und notwendige Wartungsmaßnahmen von dort aus initiieren lassen – eine Dienstleistung, die Wittmann Battenfeld „24/7“ rund um die Uhr anbietet.

Resümee: Die zustandsorientierte Maschinenwartung bietet eine größere Ausfallsicherheit als die Wartung in fixen Zeitintervallen oder das Prinzip der vorsorglichen Wartung. Denn fehlende Information über Störungen zwischen den Wartungen (gelockerte Schrauben, beginnender Lagerschaden) mit dem Potenzial eines plötzlichen Totalausfall gehen dann nicht verloren.

Läuft etwas aus dem Ruder, meldet es das System, bevor es zu spät ist. Deshalb ist ein CM-System ein nützlicher Beitrag, um die Ausfallsicherheit von Produktionen zu steigern, besonders in Just-in-time-Prozessketten. Denn schon ein Ausfall, der nur wenige Tage andauert, kann die Kosten eines Condition-Monitoring-Systems übersteigen.


Dietmar Schabauer, leitender Manager Technical Service / IoT-Services bei Wittmann Battenfeld.

„Wir bringen Intelligenz in die Maschine“

Herr Schabauer, welches sind die wichtigsten Vorteile des Condition-Monitoring-Systems von Wittmann Battenfeld?

Mit Sicht aus der Praxis ist dies für mich die permanente Zustandsüberwachung der Spritzgießmaschine ohne Personalaufwand, kurz 24/7.

Drei Jahre ist das System nun am Markt. Hat es sich bewährt?

Das Feedback von Kunden ist sehr gut. Sie bestätigen, dass die Verfügbarkeit steigt und die Instandhaltungszeiten sinken.

Welche Nachfrage nach dem CM-System stellen Sie fest?

Hoch ist die Nachfrage bei Großmaschinen und bei hochautomatisierten, stark vernetzten Anlagen, bei denen Ausfälle zu hohen Kosten führen würden.

Nimmt die Nachfrage zu?

Ja, sie steigt kontinuierlich, weil „Just-in-Time“-Konzepte und damit die Verfügbarkeit immer wichtiger werden. Produziert ein Kunde sein Spritzgussteil zum Beispiel nur auf einer Maschine, vielleicht einer 2000-Tonnen-Großmaschine, wäre ein Ausfall gravierender, als wenn er mehrere kleine Maschinen einsetzt.

Wieviele CM-Systeme sind schon im Einsatz?

Wir haben bisher 35 Systeme weltweit installiert.

Wie stellt sich Wittmann Battenfeld damit im Markt?

Im Spritzgießmaschinenbereich sind wir Vorreiter. Und damit eröffnen sich für uns auch neue Geschäftsfelder. Künftig können wir Smart Services anbieten, bei denen wir dem Kunden die komplette Wartung abnehmen.

Wie entwickeln Sie die Systeme in Zukunft weiter?

Wir sind dabei, selbstlernende Algorithmen in die Software einzubringen. Machine Learning und KI sind hier die Schlagworte. Diese Systeme lernen dann aus der Vergangenheit für die Zukunft – und diese Zukunft ist nicht mehr weit. (os)

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