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Blechbearbeitung: Digitale Fertigungssysteme und -abläufe

Blechbearbeitung
Digitale Fertigungssysteme und -abläufe

Fertigungssysteme und -abläufe verändern sich dramatisch. Als Vorreiter in Sachen digitaler Transformation zeigt Trumpf, was heute schon praxistauglich ist und womit Blechbearbeiter auch morgen noch ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten können. ❧ Mona Willrett

„Die digitale Transformation ist bei uns in vollem Gange. Das Unternehmen verändert sich gerade grundlegend“, sagt Dr. Mathias Kammüller. Der Chief Digital Officer des Hochtechnologieunternehmens Trumpf verrät, das Ziel sei, diese Wandlung innerhalb von fünf Jahren umzusetzen. Dass der Laser- und Blechbearbeitungsspezialist das Thema Digitalisierung konsequent und ganzheitlich angeht, zeigt die Bandbreite der Aktivitäten, die der promovierte Ingenieur aufzählt: „Das geht weit über eine optimierte eigene Fertigung hinaus. Wir bauen unter anderem eine agile Entwicklungsorganisa‧tion auf, wir digitalisieren unsere Vertriebsprozesse und – wo immer sinnvoll – den kompletten Kundenprozess. Wir arbeiten intensiv an eigenen Industrie-4.0-Lösungen, die unsere Kunden produktiver, flexibler und schneller machen. Und wir erweitern unser Kerngeschäft durch neue Geschäftsfelder. Neben all dem wollen wir aber auch die Menschen unterstützen, die Herausforderungen des digitalen Wandels zu meistern. Deshalb beteiligen wir uns auch an den gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Aspekten dieses großen Themas.“
Im Kern fußt die digitale Transformation bei Trumpf auf drei Säulen:

  • Tru Connect – unter diesem Label fassen die Schwaben ihre Lösungen für Blechbearbeiter und Laseranwender zusammen,
  • Axoom als Angebot für die gesamte Fertigungswelt und
  • der digitalen Transformation der eigenen Wertschöpfung.

Die Produkte und Lösungen des Tru-Connect-Portfolios verbinden Menschen, Maschinen, Software und Services. Wichtige Bausteine sind hier die Prozessberatung, die Hardware in Form von Maschinen mit digitalen Schnittstellen, Software wie Tru Tops Fab, Tru Tops Boost oder die Mobile Control App, Assistenzsysteme auf Sensor-Basis oder Tools für Rückverfolgbarkeit und ‧Datenintelligenz. Das Angebotsspektrum reicht von Lösungen für einzelne Produk‧tionsschritte bis hin zur komplett vernetzten Fertigung. Individuell kombiniert, helfen die Module, komplexe Planungs- und Fertigungsabläufe zu vereinfachen sowie Zeit und Ressourcen einzusparen.
„Angesichts zunehmend aufwendiger Werkstücke, schrumpfender Losgrößen und der Forderung nach kurzen Lieferzeiten, müssen unsere Kunden sehr schnell und flexibel reagieren und trotzdem mit geringen Stückkosten produzieren“, sagt Florian Langer, Leiter des Tru-Connect-Produktmanagements. Moderne Bearbeitungsmaschinen vorausgesetzt, lägen 80 % des Optimierungspotenzials in den vor- und nachgelagerten Prozessen – vom Angebotswesen über den Auftragseingang und die Materialbeschaffung bis zur Auslieferung und Rechnungsstellung, erläutert er. „Gelingt es, diese Prozesse zu optimieren, dann sind selbst kleinste Aufträge lukrativ.“

Daten steigern die Produktivität

Anhand verschiedener Rollen demonstrierte Trumpf auf seiner Hausmesse vor wenigen Monaten, wie sich der Arbeitsalltag im Betrieb durch Angebote wie Tru Connect verändert. Das Szenario: Der Produktionsleiter kann in ‧einer vernetzten Fertigung Echtzeitinformationen zur Produktivität der Maschinen auf dem Tablet einsehen, während der Maschinenbediener sie per Mobile Control App fernsteuert und der Intralogistiker Teile im Lager mobil umbucht. Und der Instandhalter hat den Zustand aller Laser im Netzwerk im Blick, identifiziert Einsparpotenziale und erhöht so Verfügbarkeit und Produktivität der Lasersysteme.

Dass das Konzept funktioniert, zeigt die Gerlinger Stanzwerkzeugfertigung des Herstellers: Automatische Bearbeitungsmaschinen werden vor Ort zwar überwacht und gewartet, letztlich aber von Kunden mit Aufträgen beschickt, die ihre Stanzwerkzeuge online konfigurieren. Das Shop-System entscheidet selbst, welche Maschine den Auftrag übernimmt und nach welcher Priorität er abgearbeitet wird. Mittels Laser werden die Rohwerkzeuge mit ‧Informationen zum Auftrag versehen. Diese Beschriftung ermöglicht ‧eine durchgängige Zustandsüberwachung und Rückverfolgbarkeit der Werkzeuge und hilft auch beim Kommissionieren und Versenden. Geht die Bestellung ‧eines kunden‧individuellen Werkzeugs bis 14 Uhr ein, wird es noch am selben Werktag verschickt. Obwohl das Auftragsvolumen in Gerlingen täglich um bis zu 80 % schwankt, liegt die Liefertreue bei 98 %.

Ein weiteres Beispiel für ein erfolgreiches Digitalisierungsprojekt: Für die gemeinsame Entwicklung eines neuen Laserschweißverfahrens sowie das erfolgreiche Implementieren von Industrie-4.0-Lösungen in der Produktion der aktuellen Mercedes-Benz E-Klasse wurde Trumpf mit dem Daimler Supplier Award ausgezeichnet. Über sensorbasierte Analysen vernetzter Laserstrahlquellen können die Serviceexperten der Ditzinger Trendanalysen durchführen, mögliche Ausfallrisiken der Laser bestimmen sowie ungeplante Stillstände reduzieren. Das neue Laserschweißverfahren arbeitet ebenfalls sensorbasiert und gleicht Bauteilschwankungen während des Schweißprozesses selbstständig aus. Das führt zu einem geringeren Werkstoffeinsatz und somit auch zu einem reduzierten Gewicht des Fahrzeugs. Das gemeinsam entwickelte Laserschweißverfahren ist eines der energie- und ressourceneffizientesten Fügeverfahren im Fahrzeugbau.

Ein Blick von Stuttgart nach Chicago

Auch der Messeauftritt von Trumpf auf der Blechexpo (Halle 1, Stand 1407) steht im Zeichen der Vernetzung. Auf der Stuttgarter Blechbearbeitungsschau simulieren die Ditzinger einen komplett vernetzten Fertigungsprozess. Besucher erfahren, wie Maschinen und Komponenten mithilfe von Sensoren und Signalen kommunizieren. Parallel erhalten sie Einblicke in die 7000 km entfernte Smart Factory, die Trumpf vor kurzem in Chicago eröffnet hat. Im Fokus stehen dort die Beratung und das Training der Kunden beim Einführen digital vernetzter Fertigungslösungen entlang der Prozesskette Blech. Der Control Room – eine Schaltzentrale mit großen Displayflächen – stellt dem Nutzer Prozesskennzahlen aus der laufenden Produktion in Echtzeit zur Verfügung. „Unsere Smart Factory zeigt, was heute möglich ist. Wir sammeln dort auch wichtige Erfahrungen, wie sich neue Geschäftsmodelle, etwa Kapazitätspooling, am besten umsetzen lassen“, erklärt Langer.

Die Vernetzung der Prozesse in einer Smart Factory erfolgt auf vier Ebenen:

  • Sensoren und Aktoren generieren und erfassen eine Vielzahl von Daten für den optimalen Maschinenbetrieb.
  • Die Maschine wird mithilfe der Daten zum adaptiven System, das robuste, autarke Bearbeitungsprozesse sicherstellt.
  • In der Fabrik kommunizieren Maschinen, Werkstücke und Software und schaffen so Transparenz über alle Prozessschritte.
  • Im Ökosystem vernetzen alle beteiligten Partner ihre Geschäftsprozesse über geeignete Plattformlösungen.

Innerhalb und zwischen diesen Ebenen sorgen heute noch Systembrüche und Insellösungen laut Trumpf für viele Schnittstellen, die das Vernetzen der Prozesse behindern. Durch das Smart-Factory-Konzept lässt sich deren Zahl deutlich reduzieren.

Damit ermöglicht die digitale Vernetzung unter anderem leichter beherrschbare Einzelprozesse, durchgängige Abläufe für die gesamte Fabrik, eine bessere Datenerhebung und -auswertung, Transparenz über Leistungsdaten der Maschinen, Kosten und Bearbeitungsstände, automatisierte Geschäftsprozesse und unternehmensübergreifende Wertschöpfungsnetzwerke. Unterm Strich verbessert das die Gesamtproduktivität, die Flexibilität und die Prozessstabilität maßgeblich.

Um für begriffliche Klarheit zu sorgen, definiert Langer: „Industrie 4.0 ist eine Teilmenge der digitalen Transformation. Letztere ist weit umfassender und beinhaltet auch gesellschaftliche und rechtliche Aspekte.“ Was beispielsweise viel zu selten bedacht werde: Eine bisher nicht gekannte Transparenz werfe neue, unter anderem personal- oder arbeitsrechtliche Fragen auf.

Information erleichtert den Einstieg

Den Start in die vernetzte Fertigung begleitet Trumpf mit drei Beratungsangeboten:

  • Smart Factory Experience ist eine halbtägige Informationsveranstaltung in Ditzingen, die dem Interessenten die Potenziale einer vernetzten Fertigung aufzeigt.
  • Smart Factory Check – bei dem eintägigen Besuch beim Interessenten zeigen Spezialisten individuell, wo sich der Einstieg in die smarte Fertigung am meisten lohnt.
  • Smart Factory Consulting ist eine fünftägige Beratung beim Kunden, während der ein detailliertes Konzept erarbeitet wird – inklusive Lösungsvorschlägen, Kosten-Nutzen-Rechnung und Umsetzungsplan.

„Diese Beratungen enthalten immer auch eine starke Lean-Komponente. Sie sind der erste wichtige Schritt auf dem Weg zur smarten Fertigung“, so Langer. Welche Potenziale hier schlummern, zeigte eine Studie, die Trumpf gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart durchführte. „Dabei untersuchten wir die Fertigung von 25 unserer Kunden, die bereit waren, alle Daten offenzulegen“, erzählt der Leiter des Tru-Connect-Produktmanagements. „Im Schnitt ließen sich durch die Digitalisierung und Vernetzung der Prozesse die Erlöse verdoppeln und die Durchlaufzeiten auf ein Drittel senken.“ Dabei waren die Effekte – aber auch der Umsetzungsaufwand – umso größer, je weniger organisiert und strukturiert die Fertigung war.
Langer betont, um die digitale Transformation voranzutreiben, bedürfe es standardisierter Schnittstellen, die bislang in der Fertigungstechnik großteils noch fehlen. Als Beispiel nennt er die neue Datenschnittstelle Central Link, die Informationen zum Produktionsstatus sicher zur Verfügung stellt. Anwender können damit Web-Applikationen, Plattformen wie Axoom und – über das Kommunikationsprotokoll OPC UA – auch lokale Systeme einfach anbinden.

Plattform mit Prozess-Kompetenz

Eine tragende Säule in der Digitalisierungsstrategie des Herstellers ist auch Axoom. Das Karlsruher Software-Start-up bietet ‧eine ganzheitliche Lösung für die horizontale und vertikale Vernetzung der Produktion. Mit der gleichnamigen offenen Geschäftsplattform und einer sicheren Datenübertragung bringt Axoom Fertigungsbetriebe und Maschinenhersteller auf einfache Weise ins digitale Zeitalter. Der Produktbereich „Smart Enterprise“ richtet sich an fertigende Betriebe, die ihre Wertschöpfungskette vom Auftragseingang bis zur Auslieferung optimieren und synchronisieren wollen – inklusive der Anbindung von Lieferanten und anderen Dienstleistern. Über „Axoom IoT“ gelangen Maschinenhersteller direkt ins Internet der Dinge. Sie erhalten damit ‧eine einfache Möglichkeit, sich mit ihren Maschinen, Komponenten und Sensoren im Feld zu vernetzen – und das weltweit.

Heinz-Jürgen Prokop, Geschäftsführer bei Trumpf und in dieser Funktion auch für die Tochter zuständig, betont, dass sich Axoom von anderen Plattform unter anderem durch die Kompetenz auf Shop-Floor-Ebene unterscheide. „Die entscheidenden Informationen aus den Maschinen richtig zu interpretieren, das ist unheimlich komplex. Klassischen Software-Anbietern fehlt hier einfach das Prozesswissen. Genau da sehe ich unsere Stärke.“ Dabei sei Axoom nicht auf die Blechbearbeitung fokussiert. „Wir haben auch Kunden und Nutzer aus anderen Branchen, etwa aus der spanenden Fertigung oder der chemischen Industrie.“

In Bezug auf die Sicherheit gibt Prokop durchaus zu, dass Cloud-Lösungen potenziell Angriffen ausgesetzt seien. „Unser Sicherheitsstandard ist aber extrem hoch. Wir haben exzellente Fachkräfte, die ständig daran arbeiten, das Sicherheitsniveau weiter anzuheben.“ Viel kritischer sieht er die Kommunikation zwischen Maschinen und privaten Servern. Für innerbetriebliche Datentransfers würden viele Firmen auf moderne Verschlüsselungstechniken verzichten, obwohl die Gefahr eines Angriffs hier ebenso gegeben sei. Trotzdem wollten viele Fertiger ihre Daten nach wie vor nicht in einer Cloud ablegen. „Aber das muss auch nicht sein“, betont Prokop. „Wir bieten neben ‧Public-Lösungen auch private Clouds an. In diesem Fall steht der Server beim Kunden, wird aber von Axoom gemanagt, so dass sich der Anwender nicht um die IT kümmern muss.“ ‧Prokop kann die Zurückhaltung bezüglich einer Public Cloud nicht immer nachvollziehen, schließlich vertrauen viele Firmen ihr kostbarstes Gut – ihre Kundendaten – längst über ihre ERP-Systeme bedenkenlos Cloud-Lösungen an.

Dass die digitale Transformation einer Fertigung ihren Preis hat, ist naheliegend. Doch auch hier greift Trumpf seinen Kunden unter die Arme. „Mit unserer hauseigenen Bank bieten wir auch Finanzierungen von Industrie 4.0-Lösungen an. Das gilt für die Maschinen und die notwendige Software ebenso wie für die Einführungskosten“, berichtet Kammüller.

Und was kommt nach der vierten Industriellen Revolution? „Die digitale Transformation wird die gesamte Industrie noch viele Jahre beschäftigen“, ist Kammüller überzeugt. „Welches große Thema danach kommt, ist noch nicht abzusehen.“

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