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„Es kann sinnvoll sein, am Anfang kleine Brötchen zu backen. Aber fangen Sie an, zu backen“, sagte Application Engineer Julian Milling vor den Forumsteilnehmern. Mit „Backen“ meint er durchaus das Drucken selbst – dahinter verbirgt sich die liebewolle Art, in der Insider ihren additiven Bauprozess umschreiben. Julian Milling vertritt Additive Manufacturing Solutions (AMS), eine Business Unit der iGo3D GmbH, die bereits 2013 das erste Ladengeschäft für den 3D-Druck in Oldenburg eröffnete und seither einen Online-Shop betreibt. Die Industriesparte AMS ist früh hinzugekommen und berät Unternehmen.
„Wir müssen zu einem funktionalen, additiven Denken kommen“, nennt der Anwendungsingenieur die Leitlinie seiner Gespräche mit Kunden aus der Industrie, „wir dürfen unser Denken nicht limitieren.“ Nur so könne das Potenzial der neuen Fertigungsweise mit ihrer Designfreiheit und ihren Möglichkeiten zur Funktionsintegration erschlossen werden.
Einstiegshilfe ins additive Denken können die preisgünstigen 3D-Kunststoffdrucker sein, für die sich auch Privatleute bei iGo3D interessieren. Im Gegensatz dazu erfordern Fertigungsanlagen für Metalle immense Investitionen, etwa für das etablierte Selective Laser Melting (SLM). Milling hatte an dieser Stelle eine gute Nachricht im Gepäck für die Fachforums-Teilnehmer: iGo3D ist Vertriebspartner für ein neues Filament, das jetzt BASF auf den Markt gebracht hat und jeden Desktop-3D-Drucker zum Metalldrucker macht.
3D-Drucker können jetzt Metallteile mit Filament produzieren
Das Filament BASF Ultrafuse 316L-Edelstahl hat einen Metallpulver-Anteil von über 80 % und lässt sich auf handelsüblichen FFF-Druckern verarbeiten. Ihre gehärtete Düse muss lediglich für eine Temperatur bis 250 °C ausgelegt sein, das beheizte Druckbett für 100 °C. Ähnlich wie beim Metall-Spritzguss MIM entsteht ein Grünling, der entbindert und gesintert werden muss. Das Volumen schwindet dabei um 16 % bis 20 %. iGo3D bietet den Entbinder- und Sinterprozess optional als Dienstleistung an.
Für Unternehmen, die sich dem 3D-Metalldruck annähern wollen, hat dies preisliche Vorteile: Zu niedrigen Anschaffungskosten können sie im leicht handhabbaren FFF-Druck erstmal „üben“. Dennoch sollte der Einstieg zielgerichtet sein. Zum Beratungsangebot von AMS gehört neben Technik und Schulungen zum Beispiel auch die Entwicklung von Business Cases.
Als weiterer Technologie- und Strategieberater präsentierte sich Ampower. Matthias Schmidt-Lehr stellte das drei Jahre junge Unternehmen als Bindeglied „zwischen Management-Ebene und Forschung“ vor. „Als erstes sollten Sie die Frage beantworten, was Sie mit der additiven Fertigung erreichen wollen“, meinte Schmidt-Lehr. Additive Manufacturing (AM) befinde sich heute in der Phase, in der Hype und Enttäuschung abgeklungen seien und nun nüchtern nach dem Nutzen gefragt werde. Einsteiger sollten sich in Strategierunden zunächst fragen, welchen Mehrwert sie mit AM bieten können – am besten „mit einem weißen Papier vor sich“. Und zwar so, dass die Kunden dafür zu bezahlen bereit sind. Wichtig sei, über die „Schmerzpunkte“ bei Kunden zu reden, riet Schmidt-Lehr. „Wenn Sie Betroffene um sich versammeln und Probleme mit ihnen additiv lösen, kommen Sie am schnellsten zur richtigen Strategie.“ Erst dann mache es Sinn, über Roadmap, nötige additive Technologien, Anlagen, Investitionen und Schulungen zu reden.
Potenzial von AM noch nicht ansatzweise erschlossen
Milling und Schmidt-Lehr lieferten die vielleicht direktesten Tipps für den Einstieg. Zusätzlich ist auch sehr viel Background-Wissen nötig. Moderator Tobias Meyer, der das Fachforum vorbereitet hatte, wusste mit acht eingeladenen Experten den Bogen zu schlagen von den Grundlagen von AM über den aktuellen Stand der Technik, Praxisbeispiele und rechtliche Fragen bis hin zu Chancen und Zukunftsperspektiven.
Klaus Hoschke vom Fraunhofer EMI kommt von der Simulation her. In seiner Keynote „Neues Denken: Warum nicht gleich das Nachbarbauteil oder eine zusätzliche Funktion mit integrieren?“ machte er deutlich, dass die Potenziale des 3D-Metalldruck nicht einmal ansatzweise erschlossen sind, etwa in der bionischen Topologieoptimierung. Auf einer seiner Folien steht „Die Kunst einer Konstruktion ist, wo man die Löcher lässt“ – gekennzeichnet als Zitat von „Robert le Ricolais, 1894–1977“. Diese Art zu denken beginne erst. Als weiteres Beispiel nannte Hoschke die Idee, Sensoren additiv genau dort in einem Bauteil unterzubringen, wo ein Messsignal gebraucht wird.
BMW i8 Roadster erhält additives Serienbauteil
Ralf Frohwerk kümmert sich um die Industrialisierung beim Anlagenbauer SLM Solutions. Er präsentierte in der Technology Academy aktuelle Serienanwendungen, auch aus dem Automobilbau. „Es geht darum, alles total anders zu machen, um die Möglichkeiten des 3D-Metalldrucks zu nutzen“, sagte er. Beispielsweise produziere BMW für seinen i8 Roadster ein Soft Top Bracket additiv auf SLM-Maschinen. Dank Topologieoptimierung sei es 10-fach steifer als die Spritzguss-Variante. Der Break-even-Point liege hier bei 60.000. Solche Stückzahlen seien durchaus relevant, denn „im Automobilbau wird immer mehr über Customizing geredet“, so Frohwerk.
Paul Voß, Konstrukteur bei Rolf Lenk Werkzeug- und Maschinenbau, stellte eine Vielzahl Anwendungen vor, legte dann aber die Aufmerksamkeit auf ein anderes, noch junges AM-Verfahren: 3DMP. Der CNC-gesteuerte Lichtbogenschweißprozess der Berliner Gefertec GmbH baut in hoher Geschwindigkeit metallische Rohlinge auf, die spanend fertigbearbeitet werden. Die Deutsche Bahn produziert so Ersatzteile für Radsatzlagerdeckel in rund 14 h Fertigungszeit. So kommt sie in nur zwei bis drei Wochen Lieferzeit zu Ersatzteilen, auf die sie bisher neun Monate warten musste.