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Baukästen als Erfolgstreiber

Serie Pictures of the Future des Innovationsmanagements, Teil 2
Baukästen als Erfolgstreiber

Architekturgestaltung | Globalisierung, kürzere Produktlebenszyklen, individuellere Kundenanforderungen – in produzierenden Unternehmen steigt hierdurch die externe und parallel dazu die interne Variantenvielfalt, sowohl produkt- als auch prozessseitig, an. Das so entstehende Dilemma zwischen den ,Economies of Scale‘ und den ,Economies of Scope‘ lässt sich durch Baukastensysteme auflösen, die auf Basis einer geeigneten Produktarchitektur zu gestalten sind.

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh Lehrstuhl für Produktionssystematik, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Stefan Rudolf, M.Eng. Abteilungsleiter Innovationsmanagement, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Dipl. -Wirt. Ing. Sasa Aleksic M.Sc. Abteilung Innovationsmanagement, Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen

Die Basis für die Gestaltung einer Produktarchitektur bildet eine umfassende Marktkenntnis, eine sogenannte „Market Intelligence“. Diese zeigt Unternehmen die grundlegenden Kundenanforderungen sowie Wettbewerber auf den verschiedenen Marktarenen auf. Näheres zu diesem Thema ist im Teil 1 (Market Intelligence – Aufbau marktspezifischer Kenntnisse zur systematischen Marktsegmentierung) der vorliegenden Serie zu finden.
Unternehmen stehen heutzutage vor dem Dilemma zwischen „Economies of Scale“ auf der einen Seite, welche verstärkt auf den Gedanken der Wiederhol- sowie Mengendegressionseffekte zielen, und „Economies of Scope“ auf der anderen Seite, die durch eine kundenspezifische Erzeugung von Produkten charakterisiert sind. Ein erkennbarer Trend zur Auflösung dieses Dilemmas, forciert durch namhafte Automobilhersteller wie beispielsweise die Volkswagen AG, sind Baukastensysteme.
Durch Baukastensysteme werden Kommunalitäten im Produkt und dem zugehörigen Herstellprozess erzeugt, ohne dabei die extern angebotene Variantenvielfalt unnötig einzuschränken. Die Effekte von Baukästen sind dabei nicht ausschließlich in der Entwicklung zu sehen, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette, da zum Beispiel im Einkauf durch Mengeneffekte Kosten eingespart werden können.
Um Baukästen gezielt zu erarbeiten, ist es zunächst notwendig, eine Produktarchitektur zu gestalten, in der sogenannte konstituierende Merkmale (übergreifende Standards) definiert werden. Die Identifikation dieser Merkmale kann dabei auf technologischer, funktionaler oder physischer Ebene erfolgen. Einen Ansatz, um diese konstituierenden Merkmale zu identifizieren, stellt die Analyse und Definition der Flexibilität der Module dar.
Die Ergebnisse der Analyse werden in einem sogenannten Schalenmodell abgebildet. Das Schalenmodell bildet dabei mit konzentrisch angeordneten Kreisen ab, wie hoch die Anpassungsflexibilität der verschiedenen Module ist. Im Kern sind die unflexiblen Module und außen die flexibleren Module angeordnet. Das Ergebnis der Flexibilität resultiert aus verschiedenen Bewertungsdimensionen wie etwa dem Entwicklungsaufwand oder den Herstellkosten (siehe Grafik). Auf dieser Grundlage bilden sich Kandidaten für konstituierende Merkmale, die als Standards die Basis für den Baukasten bilden. Damit ein Baukasten robust ausgestaltet wird, bedarf es einer systematischen organisatorischen Verankerung. Modulsteckbriefe stellen hier unter anderem ein wichtiges Instrument dar. Diese Modulsteckbriefe beinhalten die definierten standardisierten Schnittstellen der Module, die Rollen und Verantwortlichkeiten.
Erfolgreiche Unternehmen entwickeln nicht mehr primär Produkte für den Baukasten, sondern einzelne Module, aus denen anschließend Produkte abgeleitet werden. Der Input der Produktion auf der untersten Ebene (siehe Grafik Architekturgestaltung) ist notwendig, um gezielte Bereiche im Produkt oder in den Modulen zu vereinheitlichen, welche einen standardisierten Produktionsablauf im Sinne des One-piece-flow ermöglichen. Diese gezielte Einflussnahme durch die Produktion auf das Produkt wird als Prozessbaukasten bezeichnet, welcher als Teilbereich des Produktbaukastens gesehen wird. So kann durch einen Prozessbaukasten beispielsweise die Aufnahme oder Ausrichtung eines Bauteils standardisiert werden, wodurch erhebliche Zeitersparnisse in der Produktion erzielt werden. Insgesamt ist es auf allen Ebenen essenziell, dass eine systematische Synchronisation der verschiedenen Ebenen sichergestellt ist. Voraussetzung für eine Produkt- und Produktionsarchitektur ist eine transparente Datendurchgängigkeit in einer PLM-IT-Landschaft.
Weiterhin muss die Architektur kontinuierlich weiterentwickelt werden, damit der Baukasten nicht „platzt“. Hier eignet es sich, das Konzept des Release-Managements anzuwenden, indem systematisch technische Änderungen an gezielten Zeitpunkten gebündelt mit dem Produktprogramm synchronisiert werden.
Die Nutzung modularer Baukästen ermöglicht es also, nahezu kundenindividuelle Produkte (Economies of Scope) bei gleichzeitig niedrigen Kosten durch die Nutzung von Skaleneffekten (Economies of Scale) zu erzeugen. Voraussetzung dafür ist ein geplantes und systematisches Vorgehen, welches die Anforderungen des Marktes berücksichtigt und gezielt konstituierende Merkmale ableitet, welche die Basis für den Baukasten bilden. Im dritten Teil der Serie soll auf die Wichtigkeit einer Datendurchgängigkeit bei der Gestaltung der Produktarchitektur eingegangen werden. Vor dem Hintergrund der „Single Source of Truth“ soll der Zugriff auf einheitliche Echtzeitdaten die Prozesse im Unternehmen vereinfachen. •

Über die Serie „Pictures of the Future“
Ausgehend vom Ansatz des „Lean Thinking“, welcher als obersten Grundsatz die Fokussie-rung auf echte Wertschöpfung und Vermeidung von Verschwendung adressiert, ist das Ziel von „Lean Innovation“ eine systematische Übertragung dieses Ansatzes auf das moderne Innovationsmanagement. Durch eindeutiges Priorisieren, frühes Strukturieren, einfaches Synchronisieren und sicheres Adaptieren kann sowohl die Effektivität als auch die Effizienz des Innovationsmanagements nachhaltig optimiert werden. Auf Basis der vier Kernfelder des „Lean Innovation“ sollen aktuelle Trends in den Bereichen des Komplexitäts- und Entwicklungsmanagements im Rahmen der sechsteiligen Reihe vorgestellt und anhand der „Pictures of the Future“ visualisiert werden:
  • Teil 1: Market Intelligence – Aufbau marktspezifischer Kenntnisse zur systematischen Marktsegmentierung (Ausgabe 32/2014)
  • Teil 2: Architekturgestaltung – Gestaltung der Produkt-/Produktionsarchitektur zur Erschließung von Economies of Scale and Scope
(Ausgabe 01/2014)
Teil 3: Datendurchgängigkeit – Zugriff auf einheitliche Echtzeitdaten auf Basis einer durchgängigen Single Source of Truth
(Ausgabe 03/2015)
  • Teil 4: F&E-Prozessoptimierung – Effiziente und effektive Entwicklungsprozesse zur schnellen Umsetzung individueller Kundenanforderungen (Ausgabe 05/2015)
  • Teil 5: Wertstromanalyse – Systematische Identifikation von Verschwendung durch Wertstromanalyse in der Produktentwicklung (Ausgabe 07/2015)
  • Teil 6: Synchronisation & Tak- tung – Effiziente Produktentwicklung durch Synchroni- sation & Taktung von parallel arbeitenden Expertenteams (Ausgabe 09/2015)

  • Weg zu Standards im Baukasten

    Die Abteilung Innovationsmanagement des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen hat sich in den letzten Jahren ausführlich mit dem Komplexitäts- und Ent- wicklungsmanagement produzierender Unternehmen beschäftigt. Die Ergebnisse aus zahlreichen Studien, Arbeitskreisen und Forschungsprojekten sollen in dieser sechsteiligen Serie dargestellt sowie aktuelle und zukünftige Trends des Innovationsmanagements beschrieben werden.
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