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Bescheiden, aber durchaus innovativ

Ein genauer Blick auf das Partnerland der Hannover Messe 2014
Bescheiden, aber durchaus innovativ

Partnerland | Die Niederlande sind das Partnerland der Hannover Messe 2014. Im Nachbarstaat Deutschlands ist der Maschinen- und Anlagenbau der am schnellsten wachsende Industriezweig. §

Autor: Alexander Gölz

„Global Challenges, Smart Solutions“ – so lautet das Motto des niederländischen Partnerlandes auf der Hannover Messe 2014. „Deutschland steht für Qualität – mit einer soliden und leistungsfähigen Industrie. Die Niederlande stehen für Innovation – mit intelligenten Lösungen für technische Herausforderungen. Auf der Hannover Messe bündeln wir unsere Stärken, um global noch wettbewerbsfähiger zu werden“, sagt Lilianne Ploumen, niederländische Ministerin für Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit. Neben dem Maschinen- und Anlagenbau haben die Niederlande eine starke Stellung in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz sowie eine führende Position in der Offshore-Windenergie. So wollen die Niederlande bis 2020 mindestens 16 % ihres Energieverbrauchs aus regenerativen Quellen decken.

Rund 200 niederländische Unternehmen werden sich vom 7. bis 11. April auf der Hannover Messe präsentieren. Wussten Sie, dass rund ein Viertel der Teile eines BMW oder Audi aus den Niederlanden stammen? Alleine BMW bestellt pro Jahr Teile im Wert von mehr als 500 Mio. Euro bei niederländischen Zulieferern. „In Bereichen in denen es der Niederlande an großen bekannten Marken fehlt, ist es die Stärke von Zulieferern, die sich in der Fertigung auszeichnen“, erklärt Theo Koster, Vorsitzender des niederländischen Verbands der Zulieferindustrie Nevat. Am Gemeinschaftsstand der Nevat (Halle 4, Stand E37) zeigt eine Vielzahl der rund 220 Mitglieder, was niederländische Systempartner leisten können. Wirtschaftlich und wirtschaftspolitisch sind die Niederlande einer der stärksten Partner Deutschlands – das gilt gleichermaßen für den Im- und Export. Im Jahr 2012 lagen die Niederlande auf Platz zwei der wichtigsten Handelspartner mit einem Außenhandelsumsatz von 157,5 Mrd. Euro. Bei den Importen nach Deutschland legen sie mit 86,6 Mrd. Euro und 9,5 % der gesamten deutschen Einfuhren auf dem ersten Rang. Damit ist Deutschland für die Niederlande der mit Abstand größte Handelspartner. Knapp 30 % des niederländischen Bruttoinlandsproduktes macht der bilaterale Handel zwischen beiden Ländern aus. Positive Wachstumsperspektiven bieten vor allem der Maschinenbau und die Elektrotechnik. So sollen die Exporte des niederländischen Maschinenbausektors jährlich um 4,5 % zulegen. „Der Maschinenbausektor in den Niederlanden wächst konstant und ist durch hochspezialisierte kleine und mittlere Firmen geprägt“, erklärt Dr. Jochen Köckler, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Messe AG. Zudem sei eine äußerst leistungsfähige Zulieferindustrie entstanden, die Kunden aus aller Welt mit Komponenten und Modulen bis hin zu speziell angefertigten Einzelstücken beliefert. Niederländische Unternehmen werden in allen Bereichen des Branchentreffs vertreten sein. Neben dem niederländischen Zentralstand in Halle 3 wird das Partnerland seine Kompetenzen auf weiteren Gemeinschaftsständen unter Beweis stellen und alle vier Themenfelder der Hannover Messe abdecken. Industrieautomation und IT, Energie- und Umwelttechnologien, Industrielle Zulieferung sowie Forschung und Entwicklung.
„Die Hannover Messe ist eine tolle Chance der Welt zu zeigen, was unser Land alles kann“, sagt Ineke Dezentjé Hamming-Bluemink, Vorsitzende des Technologieverbandes FME-CWM.
Hamming-Bluemink erklärt: Die Niederlande seien in mancherlei Hinsicht ein besonderes Land: klein, dicht besiedelt und von innovativen und pragmatischen Unternehmen bevölkert. Dank dieser Voraussetzungen könnten die niederländischen Unternehmen schnell expandieren und ihre technischen Neuerungen ins Ausland exportieren. Zudem sei Deutschland der größte Handelspartner der Niederlande und die Hannover Messe die größte und bedeutendste Industrieschau der Welt. „Die niederländischen Unternehmen haben viele hochentwickelte innovative Lösungen anzubieten – und sie haben jetzt die große Chance, sie dem deutschen und internationalen Publikum zu präsentieren.“
Der Bekanntheitsgrad niederländischer Unternehmen außerhalb der Staatsgrenzen ist eher klein. Laut einer Image-Studie die im Auftrag der Botschaft des Königreichs der Niederlande in Berlin entstanden ist, wird der Umfang der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den Niederlanden unterschätzt. Der prägende Sektor sei die Niederländische Agrarwirtschaft. Diese würde jedoch als wenig nachhaltig und zu industriell betrachtet. Negativ auf die Wahrnehmung der Niederlande wirkt sich zudem die geringe Neigung zur Bildung von Markenimages aus. So kennt man in Deutschland, außer Philips, kaum ein niederländisches Unternehmen. Die Studie besagt weiter, dass es ohne tiefere Kenntnisse über die ökonomischen Strukturen des Landes kaum möglich sei Assoziationen zu innovativen Branchen wie zum Beispiel Automation und Medizintechnik zu bilden – auch wenn diese den Niederlanden prinzipiell zugetraut wird. Man könnte das Ergebnis der Studie folgendermaßen zusammenfassen: Man traut den Niederlanden Hightech zu, aber sie müssen es noch mehr zeigen. „Eine große Schwäche der niederländischen Wirtschaft ist ihre Bescheidenheit“, kommentiert Hamming-Bluemink das Ergebnis.
So steckt das Nachbarland voller kleiner und mittlerer Unternehmen in den verschiedensten Branchen, die sich verstärkt auf Nischenbereiche spezialisiert haben. Ein Beispiel wäre hier das Unternehmen Ventil in Rijswijk bei Den Haag. Seit 60 Jahren stellt das Unternehmen hoch komplexe Anlagen zur Überprüfung von Druckventilen her. Die Maschinen und Anlagen werden in über 100 Ländern eingesetzt, vorwiegend in Raffinerien.
In einer einzelnen Raffinerie stecken zwischen 40 000 und 50 000 Ventile
Die Niederländer bauen sowohl Testanlagen für Sicherheits- als auch Absperrventile. Neben diesen meist großen Prüfsystemen haben sie auch eine In-Situ-Anlage entwickelt. Diese kleine mobile Testeinheit macht es möglich, alle Arten und Größen von Federbelasteten Sicherheitsventilen zu überprüfen. Der Vorteil hierbei, die Anlage muss nicht abgeschaltet werden, es ist keine Demontage des zu prüfenden Ventils notwendig und somit gibt es keinen Produktionsausfall.
Der Umsatz in 2013 betrug 15 Mio. Euro, wovon 80 % auf den Verkauf von Testanlagen entfallen. Die restlichen 20 % generiert das Unternehmen mit Beratung und weltweiten Trainingsangeboten in den drei Bereichen Anwender, Instandhaltung und Entwicklung. Am Standort Rijswijk beschäftigt Ventil 75 Mitarbeiter und verbraucht pro Jahr 375 000 kg Stahl, 35 000 kg Edelstahl und 2 km Rohre. Das Unternehmen verfügt darüber hinaus über eine hohe Fertigungstiefe und die Zulieferer befinden sich alle in der Region. „In den letzten 20 Jahren konnten wir ein jährliches Wachstum von rund 18 % verbuchen“, sagt Rob Jaspers, Verkaufsleiter bei Ventil. Eine der großen Maschinen ist aktuell kurz vor der Fertigstellung und geht zu einem Ventilhersteller nach Kasachstan. Mit ihr können Ventile mit einem Durchmesser von bis zu 1,5 m geprüft werden. „Nach einem vollen Funktionstest zerlegen wir die Anlage wieder und verschicken sie zum Kunden“, erläutert der Verkaufsleiter das weitere Vorgehen.
Neben solchen Hidden Champions verfügen die Niederlande auch über eine moderne Universitätslandschaft. An der Technischen Universität Delft dreht sich beispielsweise viel um Bionik und Robotik. Sie gehört mit mehr als 15 000 Studierenden und rund 4600 Mitarbeitern zu den größeren niederländischen Unis. Während der Journalistenreise wurde am Institut für Aerospace Engineering die Prämiere des sogenannten „Cyber Zoos“ gefeiert. Hier handelt es sich um eine Test- und Forschungseinrichtung von Robotern, die an die Tierwelt angelehnt sind. Ziel der Forscher ist es, ein Ökosystem zu bilden in dem die einzelnen Objekte miteinander kommunizieren und so eine Art Schwarmintelligenz bilden. Seit dem Projektstart im April 2010 habe es starkes Wachstum und Weiterentwicklung durch die Forschung von Studenten in den Feldern Elektronik und Mechanik erlangt. „Zebro wird in den nächsten Jahren weiter wachsen, mit weiteren Verbesserungen, bevor es als voll autonomes System von Rovern agiert“, erklärt Dr. Gudio de Croon, Wissenschaftler am Micro Air Vehicle Labor der TU Delft. Der „Käfig“ in dem sich die autonomen Roboter bewegen, verfügt über 12 High-End-Kameras, welche aufzeichnen, wie die krabbelnden und fliegenden Roboter interagieren. So können die 3D-Koordinaten und Bewegungen der Roboter nach Experimenten analysiert werden. Laut Dr. Chris Verhoeven, Institutsleiter des Fachbereichs Robotik, könne man sich vorstellen, die Roboter nach der Testphase bei Gebäudebränden einzusetzen, um nach eingeschlossenen Personen zu suchen. Die TU Delft wird ihren Cyber Zoo auf der Hannover Messe auf dem niederländischen Gemeinschaftsstand in Halle 2, Stand D10 präsentieren. •

Rückblick Zur vergleichbaren Hannover Messe 2012 hatten 80 niederländische Unternehmen auf einer Fläche von 2200 m2 ausgestellt. Wirtschaftlich und wirtschaftspolitisch sind die Niederlande einer der stärksten Partner Deutschlands – das gilt ebenso für den Im- und Export.

Eine große Schwäche der niederländischen Wirtschaft ist ihre Bescheidenheit.“
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