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Magnettechnik | 13. Juli 2016, der Anruf kam kurz vor Feierabend. Der Auftrag: ein Verkehrsflugzeug so schnell wie möglich wieder startklar machen. Das Problem: Magnetismus nach einem Blitzeinschlag.
Joachim TatjeFachjournalist in Bruchsal
Nach Angaben der US-Luftfahrtbehörde FAA wird jedes Flugzeug mindestens einmal im Jahr von einem Blitz getroffen, meist beim Durchfliegen von Wolken in 1500 bis 4500 m Höhe. Blitzeinschläge verkraftet ein Flugzeug ohne weiteres, und doch kommen sie teuer zu stehen. Um mögliche Schäden aufzudecken, wird eine Inspektion erforderlich. Und das kann dauern. Bei Kurzstreckenflugzeugen, die täglich bis zu acht Zielen anfliegen, ist jede Minute eines ungeplanten Bodenaufenthaltes ein erheblicher Kostenfaktor. So auch hier. Der Blitz war in den Rahmen des Cockpitfensters eingetreten. Äußerlich zeugte nur eine kleine schwarze Stelle vom Einschlag, doch der Standby-Kompass wies danach eine Abweichung von 110° auf. Der Verdacht: erhöhter Magnetismus in ferromagnetischen Bauteilen in Kompass-Nähe. Zeit für Experten.
Unmittelbar nach dem Anruf bei der Maurer Magnetic AG im Schweizerischen Grüningen machte sich ein Spezialist auf den Weg. Am Flughafen ging es sogleich an die Fehlerdiagnose. Wartungstechniker hatten zuvor mit vorhandenen Entmagnetisiereinrichtungen diverse Versuche unternommen, dem Problem Herr zu werden. Wie sich zeigte, ohne Erfolg. Die Ausprägung des Magnetismus am Cockpit war ein weit streuendes Magnetfeld. Als Indikator, um die spezielle Situation beurteilen zu können, diente ein Magnetkompass. Das Störfeld mit Spitzenwerten von 10 Gauss führte zur Missweisung des Kompasses. Direkt nachdem die Messergebnisse ermittelt waren, wurde entmagnetisiert.
Zur Erzeugung des magnetischen Wechselfeldes dient eine patentierte Spezialspule. Diese wurde mit Hilfe eines Krans Stück für Stück entlang der magnetisierten Rahmen der Cockpitfenster geführt. Auf einer Gangway stehend bugsierte der Maurer-Magnetic-Mitarbeiter die 20 kg schwere Kabelspule. Nur 30 Entmagnetisierpulse waren nötig, um alle neun Cockpitfenster gründlich zu entmagnetisieren. Die Edelstahlrahmen wurden mit der vom Flugzeughersteller erlaubten Feldstärke für das Entmagnetisieren von Teilen im Kompass-Umfeld behandelt. Zuvor wurde der Kompass vorschriftsgemäß ausgebaut.
„Die Entmagnetisierung mit unserem Pulsentmagnetisierer ist sehr sicher“, erläutert Geschäftsführer Albert Maurer das patentierte Degaussing-Verfahren. „Die Spule ist vollständig elektrisch isoliert und überträgt keine elektrischen Felder oder Wirbelströme, wie sie bei eisenbestückten Spulen auftreten. Das Gerät steuert die Entmagnetisierung elektronisch.“
Circa eine Stunde später: Die Cockpitfenster waren restlos von Magnetismus befreit, die Kompassnadel wies keine Missweisung mehr auf und konnte manuell einjustiert werden. „Es ist wichtig, alle lokalen Bereiche von Magnetismus in einer Baugruppe vollständig zu eliminieren“, klärt Maurer auf. „Bleibt Restmagnetismus zurück, kann es zur Re-Magnetisierung kommen.“ Verborgene Magnetherde sind nach Aussage des Experten tickende Zeitbomben. Oft genügen Erschütterungen und Vibrationen, wie sie auch bei der Landung erfolgen, um Bauteile zu re-magnetisieren. Doch nicht im vorliegenden Fall. Nahezu zeitgleich mit der Abreise des Entmagnetisier-Spezialisten begannen die Vorbereitungen, das Flugzeug wieder startklar zu machen.
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