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„Daten effizient von der Feldebene auf die Entscheidungsebene übertragen“

Hubertus Breier und Ralf Moebus von Lapp über Single Pair Ethernet
„Daten effizient von der Feldebene auf die Entscheidungsebene übertragen“

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Bei der Digitalisierung der Produktion spielt die effiziente Datenübertragung eine entscheidende Rolle. Hubertus Breier, Vorstand für Technik und Innovationen, und Ralf Moebus, Produktmanager Automation, beide bei Lapp, diskutieren die Vorzüge von Single Pair Ethernet (SPE) als Schlüsseltechnologie für diese Entwicklung. Dabei beleuchten sie die Potenziale der Netzwerkstruktur und die Chancen für die Marktdurchdringung.

» Hagen Wagner, Redakteur Industrieanzeiger

Welche Vorteile gegenüber bisheriger Verkabelungstechnik hält SPE für Smart Factories parat?

Breier: Wir befinden uns in der vierten industriellen Revolution, bei der es um die Digitalisierung der Produktion geht. Hierbei werden Daten aus der Feldebene genutzt, um Entscheidungen zu treffen. Daten allein sind jedoch wertlos, weil ich brauche sie in strukturierter, interpretierbarer Form. Und erst dann kann ich intelligente Entscheidungen davon ableiten. Und mit SPE schaffen wir die direkte Verbindung von einer auf der Feldebene gesammelten Information, zum Beispiel durch einen Sensor, hin zu einer interpretierbaren Information.

Moebus: Ich denke, uns allen ist klar, dass wir in Zukunft viel sparsamer mit Ressourcen umgehen müssen. Dabei helfen die in der Smart Factory gewonnenen Daten, die richtig interpretiert zu „smarteren“ Entscheidungen führen. Zum Beispiel kann energiesparender produziert werden, weil ich Daten erhalte, die mir sagen, dass ich einen Antrieb nicht so lange wie bisher laufen lassen muss. Hier kommt das Datennetz ins Spiel: Ich brauche die Daten aus der Feldebene, und genau da haben wir heute einen Medienbruch. Überall in den Büros und in der Leitebene der Fertigung ist Ethernet im Einsatz. Bei den Sensoren in der Fabrik haben wir andere Technologien. Das sind zum Teil noch analoge Signale, die aufwendig umgewandelt werden müssen. Oder Feldbusse, die erst einmal nicht mit dem Ethernet kompatibel sind. Auch da muss ich Übersetzungen einbauen, die sehr aufwendig zu programmieren sind und zusätzliche Geräte erfordern. Das heißt, es wird unwirtschaftlich. Ethernet ist heute ein vier- oder achtadriges Kabel. Und jetzt kommt SPE mit einem einzigen Adernpaar, da sind allein die Komponentenkosten geringer.

Sind mit dieser Verbindungstechnik Dinge in Sachen Netzwerkstruktur möglich, die es davor nicht waren?

Moebus: Ein großer Vorteil ist die Leitungslänge, also die Netzwerkausdehnung. Mit SPE kann ich bis zu 1.000 Meter Distanz überbrücken. Das kann ich mit Kupfer-Ethernet nicht. Da geht es um etwa 100 Meter, und wenn man mehr braucht, muss man Lichtwellenleiter verlegen, was nicht ganz einfach ist, weil man dafür Experten braucht und keine normalen Elektriker.

Woher kommt das, dass jetzt 1.000 Meter möglich sind, aber mit bisherigen Bus-Systemen nur 100 Meter?

Moebus: Fortschritte in der Halbleitertechnologie ermöglichen eine bessere Kompensation von Effekten in der Leitung. Diese Entwicklung erlaubt es, Übertragungsfehler und physikalische Effekte des Kabels effektiver zu kompensieren, ähnlich wie bei der Entwicklung der DSL-Technologie zur Nutzung herkömmlicher Telefonleitungen für die Datenübertragung. Das Thema Netzstruktur ist sehr interessant, weil es sich durch SPE ein Stück weit verändern wird. Das heißt zum einen, dass wir auf der Feldebene an Sensoren herankommen, wo bisher kein Ethernet war. Ein anderer Aspekt ist das Thema Spannungsversorgung. Wir bringen den Strom über die Datenleitung mit. Das ist bei SPE gleich von Beginn an standardisiert, was auch bedeutet, dass sich eine Technologie natürlich besser verbreitet.

Breier: Standardisierung ist ein spannendes Thema. Denken Sie an das Aufladen von Handys. Da braucht es dann schon eine gesetzliche Regelung, dass jetzt alle Handys in Zukunft USB-C haben. Wir sind in den Standardisierungsgremien aktiv, wo wir versuchen, für den Kunden die beste Lösung zu erarbeiten. Aber Sie werden immer wieder erleben, wenn ein Standard kommt, dass die Unternehmen natürlich versuchen, sich zu differenzieren. Auch bei SPE gibt es zwei dominante Lager bei den Steckgesichtern.

Moebus: Wir unterstützen die Standards IEC 63171–6 und IEC 63171–7 beim Steckgesicht. Leider ist es etwas bremsend für die Endgerätehersteller, dass noch zwei konkurrierende Standards im Rennen sind. Ich könnte jetzt sagen, auch dafür haben wir eine Lösung, selbst wenn sich beide Standards parallel entwickeln, dann baue ich ein Kabel, das an beiden Enden andere Stecker hat. Aber das ist natürlich für die Marktdurchdringung nicht förderlich. Also insofern muss der Markt entscheiden, was sich am Ende durchsetzt.

Für welche Anwendungsfelder eignet sich SPE?

Breier: Es gibt drei große Anwendungsfelder. Das erste ist die Fabrikautomatisierung. Dort sind die Anwendungsfälle direkt mit den IT-Sprachen und damit auch mit den Möglichkeiten der Interpretation, der KI oder der Entscheidungs-
ableitung verbunden, wenn große Datenmengen nötig sind. Also wenn der Temperatursensor einmal pro Minute eine Temperatur übermittelt, dann brauche ich kein SPE. Aber wenn ich jetzt einen Ultraschallsensor habe, der mir dynamisch in Echtzeit das Anfahrverhalten an einer Maschine auf ein Objekt spielen soll, dann brauche ich Echtzeitfähigkeit. Und mit SPE kann ich solche Lösungen umsetzen, weil die Datenraten ausreichen.
Das zweite Anwendungsfeld wäre die Prozessautomatisierung, wo viele solcher analogen Daten kontinuierlich überwacht und auch große Strecken zurückgelegt werden. Und das dritte ist die Gebäudeautomation, wo zum Beispiel IO-Link als Standard keine Relevanz hat.

Welche technologischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit SPE erfolgreich eingesetzt oder nachgerüstet werden kann?

Moebus: Das ist ein großer Vorteil von SPE. Zum einen verwenden wir auch Ethernet. Das heißt, alles, was oberhalb der physikalischen Schicht, des Kabels und des Steckers und des Chips passiert, also das Protokoll, bleibt erstmal gleich. Und das macht es dann auch für den Anwender einfach, SPE bei sich zu integrieren. Im Grunde genommen schaffen wir mit einem einfachen Switch einen Übergang von der bestehenden Ethernet-Welt. Der Industrial Ethernet-Switch ist heute eine gängige Komponente, die für Netzwerktopologien eingesetzt wird. Damit ist die Erweiterbarkeit von bestehenden Netzwerken und Anlagen gegeben.

Wie sehen Sie die künftige Entwicklung und Marktdurchdringung von SPE im Bereich der industriellen Automatisierungstechnik?

Moebus: Die Vorteile für die Automatisierung sind klar erkennbar und die Technologie hat gute Chancen, sich durchzusetzen, insbesondere aufgrund des bereits vorhandenen Standards und der Unterstützung durch die Industrie. Obwohl SPE zunächst auf der Feldebene beginnt, sehen wir ein enormes Potenzial für eine mittelfristige Durchdringung, da viele Hersteller bereits an der Implementierung und Entwicklung arbeiten.

Breier: Die steigende Nachfrage nach Daten ebnet den Weg für SPE, da Technologien wie künstliche Intelligenz und Anwendungsbeispiele wie Predictive Maintenance zunehmend auf große Datenmengen angewiesen sind. Produkte wie unser Etherline Guard nutzen Datenalgorithmen, um potenzielle Kabelausfälle frühzeitig zu erkennen und Wartungsprozesse zu optimieren. Das unterstreicht die Relevanz von SPE als eine Technologie, die Daten effizient von der Feldebene auf die Entscheidungsebene übertragen kann.

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