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Formel 1: Wie 3D-Druck die McLarens beschleunigt

Design-Offensive im Windkanal
Formel 1: Wie 3D-Druck die McLarens beschleunigt

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Red Bull ist uneinholbar vorne, seit über einem Jahr. Doch es wird enger in der Formel 1. McLaren-Pilot Lando Norris holte sich in Miami überraschend den Sieg. In Imola machte er so weiter. „Noch ein oder zwei Runden und ich hätte ihn gehabt“, sagte er über den Abstand zum Champion Max Verstappen. „Aber wir können uns noch verbessern.“ Wie? Es geht hier um Technik – und viel 3D-Druck.

» Olaf Stauß, Redakteur Konradin Industrie

3D-Druck soll die Boliden der Formel 1 beschleunigen können? Wo doch teils Stunden nötig sind, um ein Teil zu drucken? Genau dafür wollte 3D-Drucker-Hersteller Stratasys den Beweis ablegen und lud zum Premium-Partner McLaren nach Woking bei London ein. Der Zeitpunkt war gut gewählt im April 2024. Was bis dahin beim britischen Traditions-Rennstall abging, war wenig bekannt. „Das Team hat in den letzten vierzehn Monaten einen gewaltigen Sprung gemacht“, sagte Piers Thynne, COO von McLaren Formel 1. „Wir sind mitten in einer Upgrade-Phase, die in einigen Rennen zum Ziel kommt.“

Das war im April. Die Mai-Rennen wenige Wochen später schienen dies zu bestätigen. Nach den Erfolgen von Norris in Miami und Imola fuhr der zweite McLaren-Pilot Oscar Piastri in Monte Carlo auf Platz 2. Das gelang ihm durch ein brilliantes Qualifying. „Wir sind jetzt da, wo wir hin wollen“, jubelte Teamchef Andrea Stella am Rennsonntag vom 26. 5. „Wir schaffen es regelmäßig aufs Podest.“

McLaren schreibt Geschichte in der Formel 1

Zurück nach Woking zur Spurensuche im April. Piers Thynne, mit wenig Zeit wie üblich in der F1, überließ die Presse zunächst den Rundgängen im McLaren Technology Centre. Das MTC strahlt Eleganz und spielerische Perfektion aus. Gänge und Galerien folgen geschwungenen Linien, als seien sie Rennpisten. Racing Cars stehen auf dem „Boulevard“. Das Ensemble atmet Brillianz. Es lässt wissen: Du siehst hier das Beste, was Hightech zu bieten hat. Bronceskulpturen von Bruce McLaren und Niki Lauda zeugen von Erfolgen und Championships. „We have a history making history“, heißt das Motto.

McLaren zum Beispiel führte als erster Rennstall das Carbon Monocoque ein. Die Skepsis der anderen war groß. Sie wich erst, als es 1981 zu einem schweren Unfall in Monza kam und Fahrer John Watson nahezu unverletzt aus dem Wrack seines Autos stieg. Fortan etablierte sich das Monocoque. McLaren hatte wieder Technologie-Geschichte geschrieben. 20 Weltmeisterschaften der Formel 1 haben die Briten schon gewonnen – zwölf Fahrer- und acht Konstrukteurstitel (die sich aus den summierten Fahrerwertungen ermitteln). Dieser Anspruch ist lebendig und fordernd.

McLaren-Boliden holen auf

Letztes Jahr hat sich viel dafür getan im MTC. Dan McEwen, Director Partnerships, zeigte Zahlen, nach denen die beiden McLarens in der zweiten Saisonhälfte 2023 um eine Sekunde schneller wurden in Summe – mehr als alle anderen. „Das ist die größte Verbesserung der McLaren-Geschichte.“ Zugrunde liegt eine mutige Neukonstruktion. Sie ging wohl über das übliche Maß hinaus, wonach der Rennstall sein Auto zu gut 80 % weiterentwickelt im Laufe einer F1-Saison. Auch interessant: Neben Google, Cisco und Dell ist Stratasys der einzige „integrated technology partner“, der Teile im Fokus hat.

1 s schneller – das sind Welten in der Formel 1. Dies zeigt, wie professionell die Fahrer unterwegs sind. Sie vermögen aus ihren Boliden zu holen, was sie hergeben – jedes weitere Plus muss die Technik leisten. Oft liegen beide Wagen eines Rennstalls dicht beieinander in ihrer Platzierung. Auch wenn die Fahrer im Rampenlicht stehen: Nicht nur zwei sind im Rennen, sondern viele. 850 Leute umfasst das F1-Team von McLaren. Ingenieure, Techniker und Spezialisten unterschiedlichster Art (wie etwa für Aerodynamik) liefern sich Woche für Woche ein Duell um das noch schnellere Rennauto.

3D-Druck-Kapazitäten zu 80 % für Windkanaltests

Eine nackte Zahl aus dem MTC verdeutlicht es: Pro Renn-Wochenende fallen über 50 Millionen Simulationen an. Was unvorstellbar ist, macht ein Detail plausibel: In jedem Auto verbaut McLaren bis zu 60 Luftdruckgehäuse, um den Druck an Oberflächen zu messen. Additiv hergestellt übrigens.

Ist das die Rolle des 3D-Druckes, Teile wie Luftdruckgehäuse? „Wir nutzen Additive Manufacturing zu 80 Prozent für Windkanalmodelle und zu 20 Prozent fürs Auto“, sagte COO Thynne in Woking. 20 % für Autoteile – das ist eine stolze Zahl. Doch davon redet niemand bei McLaren. Der Windkanal ist das Thema: „2023 haben wir unseren neuen Windkanal in Betrieb genommen und zwei weitere Stratasys-Drucker beschafft. Kombiniert mit unseren Ideen in der Aerodynamik hat dies entscheidend dazu beigetragen, dass wir das Auto aufrüsten und stark verbessern konnten. Das setzen wir fort.“

Sieg in Miami mit großem Upgrade des F1-Cars

Schon die 2022 stark veränderten F1-Reglements erforderten ein komplettes Revirement des Renngeräts. Optimierungen, neue Ideen, Konkurrenzbeobachtungen und Anpassungen an Strecken und Wetterverhältnisse tun ein Übriges. Die Boliden wandeln sich nonstop. Nach dem Sieg von Norris in Miami schrieb Motorsport: „McLaren hat seinen MCL38 für das sechste Rennwochenende so umgebaut, dass er fast als B-Version gehandelt werden kann. Niemand sonst hat bislang ein derart aufwändiges Update eingesetzt.“ Und „Miami Herald“ kommentierte: „Ein verbessertes Auto unterstützt einen Fahrer, der noch nie einen Grand Prix gewonnen hat, dabei, eine der dominantesten Siegesserien eines Fahrers zu beenden.“

Aerodynamik spielt bei fast allen diesen Komponenten die (renn-)entscheidende Rolle. Essenziell sind umfangreiche Windkanaltests. Dass das F1-Reglement dafür das Zeitfenster limitiert, verschärft noch den Druck, präzise Modelle schnell verfügbar zu bekommen. An dieser Stelle wird Thynne deutlich: „Wir drucken die Modelle aus PerForm Reflect – einem Material, das alles mitbringt an strukturellen Eigenschaften, was es für den Windkanal braucht. Stratasys ist ein fantastischer Partner, seine additiven Anlagen sind marktführend.“

„Best in Class“ im Windkanal: 3D-Druck-Modelle aus PerForm Reflect

Beides, Geräte und Material, sind von Stratasys. Die Rede ist hier von den speziellen „Neo“-Druckern, die seit 2021 das Stereolithographie(SLA)-Programm von Stratasys ergänzen. Sie verarbeiten PerForm Reflect als Material, das gezielt für große Windkanalmodelle entwickelt wurde: Angereichert mit Keramikpartikeln bietet es Steifigkeiten, die jenen von Carbonteilen nahekommen. Durch die hohe Oberflächengüte reduziert sich die Nacharbeit massiv und dies spart Zeit – genau das, was McLaren braucht. Drei bis vier Tage dauert es von den CAD-Daten eines Teils bis zum fertigen Windkraftmodell. Mit den Neo-Druckern kann das Team bis zu 9000 Teile im Jahr herstellen, teilt es mit.

Was es mit den hochgelobten Neo-Geräten auf sich hat, weiß Clemens Kerpes zu erklären, Senior Berater bei Stratasys in Rheinmünster: Ihre Entwicklung geht auf das britische Unternehmen RPS zurück. Dort versammelten sich 2007 frühere 3D-Systems-Techniker, die im F1-affinen England mehr aus der hochpräzisen SLA-Technologie holen wollten für den Rennsport. Die neuen Neo-Drucker erarbeiteten sich als „best in class“ defacto ein Monopol bei den Rennställen auf der Insel. Stratasys übernahm RPS in 2021 und erweiterte so das eigene Portfolio aus fünf Additiv-Technologien, zu denen auch SLA gehört. Seither steigt der Neo-Marktanteil auch auf dem Kontinent. „70 Prozent aller Rennställe nutzt die Neo-Technologie und bis Jahresende werden es vielleicht schon 85 Prozent sein“, lehnt sich Kerpes aus dem Fenster.

Kann McLaren seinen Aufwärtstrend fortsetzen? Am 9. Juni ist das Rennen in Montreal, zwei Wochen später folgt der Große Preis von Spanien. Unabhängig vom Ausgang ist jetzt schon klar: In Woking werden Windkanal und Neo-Drucker nicht zur Ruhe kommen.

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