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Hervorragend abschneiden

Entwicklung
Hervorragend abschneiden

Neue, harte Werkstoffe erfordern keine neuen Schnittwerkzeuge, sondern verbesserte Eigenschaften und Funktionen. Um die Produktion zu optimieren, forschen Mittelständler im Verbund der FGW. Und das funktioniert seit fast 60 Jahren.

Was haben Rattenzähne und innovative Messer gemeinsam? Beide sind selbstschärfend. Die Ideen für moderne Werkzeuge kommen nicht immer aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen großer Konzerne, sondern entstehen oft in kleinen und mittleren Unternehmen. Doch die wenigsten von ihnen haben die finanziellen und personellen Ressourcen, ihre Ideen bis zum Prototypen weiterzuentwickeln.

Unterstützung bietet die Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und Werkstoffe (FGW) in Remscheid. Sie hat sich auf eine kleine, aber feine Nische spezialisiert: Vom Besteck bis zum Maschinenmesser kennt sich die FGW bestens in Schneidewerkzeugen aus. Dabei wird das Rad – oder besser gesagt die Kreissäge – nicht neu erfunden: „Eine Säge sieht aus wie vor 50 Jahren“, meint FGW-Geschäftsführer Peter Dültgen, „heute ist sie aber ein Hightech-Werkzeug.“
Die Optimierungen sind sehr subtil: So lassen sich etwa die Klingenbreiten reduzieren, was zu kleineren Schnittfugen führt. „Selbst wenn wir das Messer nur um einen Zehntelmillimeter dünner machen, bedeutet das bei Millionen von Schnittvorgängen eine enorme Materialersparnis“, betont Dültgen.
Eine weitere Herausforderung sind die neuen Werkstoffe: In der Luftfahrt werden CFK-Titan-Verbundwerkstoffe eingesetzt, doch diese hochfesten Legierungen sind sehr schwer zu bearbeiten: „Nach drei Löchern ist der Bohrer stumpf“, weiß Dültgen. Außerdem fasert das Material so schnell aus, dass der Flugzeubauer es nicht abnimmt. „Wir müssen heute keine neuen Werkzeuge mehr erfinden, sondern die existierenden verbessern.“
Die Kunst liegt nicht nur darin, Hightech-Produkte zu entwickeln, sondern sie in Lowtech-Produkte zu integrieren. „Zurzeit arbeiten wir an einem Metallbesteck, das Schadstoffe und Krankheitserreger erkennt“, erklärt Dültgen, „für Großküchen von Krankenhäusern und Altersheimen wäre das ein großer Fortschritt in Sachen Hygiene.“
Die FGW forscht nicht nur, sie prüft auch. Zur Familie gehört seit 1986 die Versuchs- und Prüfanstalt für Werkzeuge Remscheid (VPA), die das GS-Gütesiegel vergibt. Einen Interessenskonflikt sieht Dültgen nicht: „Das Institut ist neutral und unabhängig, und das GS-Gütesiegel spielt für Industrieprodukte kaum eine Rolle.“ Es besteht also nicht die Gefahr, sich selbst als Gutachter zu bewerten.
Der Anstoß zu neuen Entwicklungen kommt aus unterschiedlichen Richtungen: Entweder treten die Unternehmen an die Forschungsgemeinschaft heran, oder die FGW erhält Anregungen über die VPA: „Beim Prüfen sieht man am besten, wo die Missstände liegen“, so Dültgen. Manchmal wird die kollektive Forschungsarbeit mit Patenten belohnt. Werden die Projekte öffentlich gefördert, geht das natürlich nicht.
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden-Echterdingen
Lesen Sie in der nächsten Folge über das Institut Chemnitzer Maschinen- und Anlagenbau (ICM)

Das Cluster in Kürze …

Als nach dem zweiten Weltkrieg die Wirtschaft langsam wieder auf die Beine kam, besaßen mittelständische Unternehmen der Werkzeugindustrie weder genügend personelle, technische noch finanzielle Ressourcen, um eine eigene Forschung und Entwicklung zu betreiben. Hochschulen und Technische Unis befassten sich mit der Grundlagenforschung, die für die Industrie wenig relevant war. Es lag daher nahe, gemeinsam Lösungen für praxisnahe Problemstellungen zu finden und umzusetzen.
So gründeten 25 Unternehmen im Jahr 1952 (damals unter dem Namen Institut für Werkzeugforschung und Werkstoffe) die Forschungsgemeinschaft Werkzeuge und Werkstoffe (FGW). Seither arbeitet sie eng mit dem Fachverband Werkzeugindustrie (FWI) in Remscheid und dem Industrieverband Schneid- und Haushaltwaren (IVSH) in Solingen zusammen. 1986 übernahm die FGW die kommunale Versuchs- und Prüfanstalt für Werkzeuge Remscheid (VPA), die als unabhängiges Institut Abnahmeprüfungen, Schadensanalysen und Konformitätsbewertungen von Produkten vornimmt. Die VPA ist legitimiert, das GS-Gütezeichen zu vergeben, und hat sich inzwischen zu einem weltweit anerkannten Prüfinstitut entwickelt.
Seit 1985 bietet die FGW auch Dienstleistungen zu Arbeitssicherheit und Umweltschutz an, das heute als Institut für Umwelt und Betrieb (IUB) bekannt ist.

Messerscharfe Innovationen

Ein Kaleidoskop an Projekten von der Kreissäge bis zum Löffel

Ob Metallforschung, Laserschneiden, Holzbearbeitung, Messverfahren oder Qualitätsprüfungen – die FGW-Projekte sind zahlreich und vielseitig. Die Ergebnisse der Forschung verbessern nicht nur die Produktionsprozesse, sondern kommen auch den Menschen im täglichen Leben und Arbeiten zugute.
Der Löffel warnt vor Schadstoffen im Essen, und ein intelligenter Werkzeugkasten macht die Suche nach dem richtigen Schraubenzieher überflüssig – das sind nur zwei Beispiele, was Metall heute leisten kann. Daher unterstützt die FGW das bergische Städtedreieck Wuppertal – Solingen – Remscheid, das sich mit dem Thema Intelligenz in Metall – Cut and Tools befasst. Dort werden Fertigungstechnologien mit innovativen Werkstoffen und Produktionstechniken kombiniert. Ziel ist es, in die Bereiche Medizintechnik und Lifestyle vorzudringen.
Auch in der Holzbearbeitung ist die FGW sehr aktiv: Um die Arbeiter vor Hörschäden zu bewahren, die trotz Arbeitsschutzmaßnahmen immer wieder vorkommen, soll der Lärm um 10 dB(A) gesenkt werden. Bisher müssen die Mitarbeiter Lautstärken bis 110 dB(A) aushalten. Da bis zu 80 % des Schalls im direkten Werkzeugumfeld entstehen, forscht die FGW an leiseren Kreissägen und Fräsen.
Die FGW kooperiert in zahlreichen weiteren Projekten – etwa in der Entwicklung berührungsloser Messverfahren, Korrosionsprüfungen, Laserstrahlschneiden von legierten Stählen scheibenförmiger Werkzeuge, Laserstrahllöten von Hartmetallen, Dauerfestigkeit von Verbindungsteilen und vieles mehr. Der Phantasie bei den Anwendungen sind keine Grenzen gesetzt.

„Made in Germany hat bei Werkzeugen immer noch Durchschlagskraft“

Nachgefragt

Wie unterscheidet sich die FGW von anderen Forschungsgemeinschaften und Instituten?
Wir sind die einzige Gemeinschaft, die gezielt den Mittelstand fördert, denn die wenigsten kleineren Unternehmen können selbst klassisch forschen. Zudem sind wir das einzige Institut, das Schneidwerkzeuge vom Besteck bis zum Maschinenmesser untersucht.
Was schätzen Ihre Mitglieder am meisten an Ihnen?
Die kurzen Wege und die unbürokratische Hilfe. Beim TÜV muss man mitunter sechs Wochen auf einen Termin warten, bei uns kommen Sie morgens mit einem defekten Werkzeug ins Haus und können meistens schon am Nachmittag eine brauchbare Lösung mitnehmen.
Welche Entwicklungen sehen Sie in der Zukunft?
Ein Messer wird man nicht komplett neu erfinden. Doch man kann Details verbessern und beispielsweise die Größe der Schnittfugen verringern.

… und in Zahlen

Gründung: 1952
Vorstandsvorsitzender: Jan W. Arntz
Direkte Mitgliedsunternehmen: 80
Verbände: Fachverband Werkzeugindustrie (VWI), Industrieverband Schneidwaren und Bestecke (IVSH)
Internet: www.fgw.de
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