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„Hohe Energiepreise rücken effiziente Prozesse in den Fokus“

WZL-Direktor Prof. Christian Brecher sagt, was die Zerspanungswelt in den kommenden Monaten bewegt
„Hohe Energiepreise rücken effiziente Prozesse in den Fokus“

„Hohe Energiepreise rücken effiziente Prozesse in den Fokus“
„Eine hohe Produktivität bei gleichzeitiger Energie- und Ressourceneffizienz von Maschinen sichert die Marktposition von Herstellern und Anwendern.“
In Sachen Energieeffizienz bieten Fertigungssysteme und die Art der Prozessführung laut Prof. Christian Brecher noch viel Potenzial. Er ist Mitglied des Direktoriums des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen und des Fraunhofer IPT.

Herr Prof. Brecher, auf welche Themen müssen sich die Hersteller und die Nutzer von Werkzeugmaschinen in absehbarer Zeit einstellen?

Da gibt es eine ganze Reihe von Aspekten, über die bereits seit einiger Zeit diskutiert wird und die nach wie vor aktuell sind. Als Beispiele möchte ich die Bedarfsgerechtigkeit von Maschinen und Anlagen nennen, ihre Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit oder auch die Lebenszykluskosten. Die Verfügbarkeit von Anlagen und die planbare Instandhaltung werden auch zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen. In diesem Zusammenhang spielen so genannte Condition Monitoring Systeme eine wichtige Rolle. Neben den üblichen Weiterentwicklungen in den verschiedenen Bereichen – unter anderem bei den Maschinenkomponenten – rückt aktuell ein neues Thema in den Fokus: die Energieeffizienz von Maschinen und Prozessen.
Denken Sie, dass die Anwender bereit sind, für sparsamere Maschinen mehr zu bezahlen?
Unterm Strich zählen die Stückkosten eines Teils. Zurzeit wird die eingesetzte Energie nicht in die Bilanzierung einbezogen. Die Energiekosten sind bei den meisten Unternehmen heute noch in den Gemeinkosten versteckt. Um ihren Anteil am Stückpreis ermitteln zu können, müssen die Aufwendungen für Energie aus den Gemeinkosten herausgelöst und den einzelnen Aufträgen zugeordnet werden. Das ist nicht nur eine Voraussetzung für eine Fertigung, die auch zukünftig wettbewerbsfähig ist, es würde auch besonders vor dem Hintergrund steigender Preise das Bewusstsein für den Umgang mit Energie und Rohstoffen schärfen. Der Energieverbrauch einer Maschine ist jedoch nur einer von mehreren Gesichtspunkten. Um die vorhandenen Einsparpotenziale voll auszuschöpfen, muss der Verbrauch über dem gesamten Fertigungsprozess eines Produkts betrachtet werden. Je teurer Energie wird, umso stärker wird dieses Thema in den Vordergrund rücken.
Wo sehen Sie diese Potenziale und wie lassen sie sich heben?
Aus wirtschaftlicher Sicht ist es nicht unbedingt die Ideallösung, die Leistungsdaten eines Prozesses deutlich zu reduzieren, dadurch zwar weniger Energie zu verbrauchen, aber letztendlich die Zykluszeiten signifikant zu erhöhen. Vielfach werden überdimensionierte Anlagen eingesetzt, die zusammen mit ihren Nebenaggregaten mehr Energie verbrauchen als eine zur Anwendung passende Maschine. Auch hier spielt die bedarfsgerechte Auslegung des Fertigungssystems eine wesentliche Rolle. Nicht für jede Bearbeitung sind Maschinen mit maximaler Leistung und Dynamik erforderlich. Man muss sich klar machen, welche Auswirkungen extreme Prozessdaten nicht nur auf den Energieverbrauch, sondern auch auf die Lebensdauer der Komponenten und damit auf die gesamte Verfügbarkeit der Anlagen haben. Das Ergebnis solcher Überlegungen kann eine deutliche Stärkung der Unternehmen im internationalen Wettbewerb bewirken.
Was heißt das für die deutschen Maschinenhersteller? Hohe Leistungs- und Dynamikwerte sind eine ihrer Stärken.
Immer extremere Leistungsdaten sichern die Marktposition nicht auf die Dauer. Die Kosten galoppieren dem Nutzen davon. Mit ihrem Know-how sind unsere Anbieter aber sehr wohl in der Lage, ressourcenschonende Maschinen und Anlagen zu bauen und sich so einen Wettbewerbsvorteil zu erarbeiten. Energierückgewinnungssysteme, optimierte Anlagenperipherie oder Maschinenkonzepte, die in der Herstellung einen geringeren Energie- und Ressourceneinsatz erfordern – das sind Ansätze, die heute bei vielen Herstellern im Fokus der Entwicklung stehen. Aber dieser Weg muss noch konsequenter beschritten werden. Gerade im Peripheriebereich sehe ich noch großes Potenzial. Den besten Kompromiss aus Produktivität sowie Energie- und Ressourceneffizienz zu finden, das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Know-how erfordert. Hier sehe ich echte Marktchancen für deutsche Hersteller von Fertigungstechnik.
Werden wir auf der AMB schon Lösungen in dieser Richtung sehen?
Die AMB kommt diesbezüglich etwas zu früh. Viele Unternehmen arbeiten aktuell an innovativen Lösungen, die ihnen sicher langfristig helfen werden, sich vom Wettbewerb abzuheben. Ich rechne aber damit, dass wir bereits im kommenden Jahr interessante Ergebnisse in dieser Richtung sehen werden.
Mit welchen Highlights dürfen die Besucher der AMB rechnen?
Viele Neuheiten sind von außen nicht auf den ersten Blick erkennbar, weil sie sich unter der Verkleidung verbergen. Einer der Trends geht dahin, Prozesswissen in Software zu integrieren – übrigens ein hervorragender Know-how-Schutz. Die Herausforderung besteht darin, Komplexität so zu verpacken, dass sich die Systeme möglichst einfach und sicher bedienen lassen. Im Konsumerbereich gibt es dafür eine Reihe von Beispielen – etwa in der Unterhaltungselektronik oder bei den Navigationssystemen. Interessante Fortschritte erwarte ich zudem in den Bereichen Technologieintegration, Automation und Simulation. Gerade letztere schafft effektiv die Möglichkeiten, Maschinen und Komponenten bereits in der Konstruktionsphase zu optimieren oder schneller zum zuverlässigen, sicheren Fertigungsprozess zu gelangen.
Wie sehen Sie das Spannungsfeld zwischen schlank ausgestatteten, kostengünstigen und High-End-Maschinen?
Beide Konzepte haben ihre Berechtigung, die stark von der Anwendung abhängt. Enorm wichtig war, dass die deutschen Hersteller gezeigt haben: Wir können hochwertige, einfach ausgestattete Maschinen zu attraktiven Preisen bauen.
Worauf sollten Zerspaner besonders achten, wenn Investitionen anstehen?
Allein das Produkt, das zu fertigen ist, entscheidet über das ideale Produktionssystem. Es gibt immer mehrere Lösungsansätze. Hier gilt es, den für die jeweilige Bearbeitungsaufgabe besten herauszufiltern.
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