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Hybrid ist im Vorteil

Antriebstechnik: Energieeffizienz ist nur ein Teilaspekt
Hybrid ist im Vorteil

Energieeffizienz beim Spritzgießen ist wichtig. Bezüglich der Wahl der Antriebstechnologie ist sie aber weder treibende Kraft noch allein entscheidendes Kriterium. Wer den konkreten Prozess untersucht, findet die beste Lösung nicht selten in Form der Hybridmaschine, die sowohl elektrische als auch hydraulische Antriebe nutzt.

Vollelektrische Spritzgießmaschinen stehen bei der Mehrzahl der Fakuma-Hersteller im Vordergrund. Wer daraus schließt, dass die alte Streitfrage bezüglich der besten Antriebe – elektrisch oder hydraulisch – beantwortet ist, irrt. Beide Technologien können nach wie vor mit ihren spezifischen Eigenschaften punkten, so dass nur die Betrachtung des jeweiligen Fertigungsprozesses mit seinen konkreten Anforderungen zu einer Entscheidung führt, betonen unisono die drei durch den Industrieanzeiger dazu befragten Hersteller Arburg, Billion und Wittmann Battenfeld. Erst dann lässt sich auch die Energieeffizienz als sinnvolles Kriterium heranziehen – sie nur auf die Antriebe selbst zu beschränken, greift zu kurz.

„Wichtiger als der Energieverbrauch der Antriebe ist der des gesamten Prozesses“, erläutert etwa Andreas Lechner, Entwicklungsleiter bei der Wittmann Battenfeld GmbH im österreichischen Kottingbrunn (Halle B1, Stand 1204). Insbesondere die Werkzeugheizung, Temperiergeräte sowie die Peripherie müssten miteinbezogen werden. Und wer die Betriebskosten untersuchen wolle, müsse auch Parameter wie die Zykluszeiten berücksichtigen. „Verglichen mit einer herkömmlichen hydraulischen lässt sich mit einer vollelektrischen Maschine der Energieverbrauch – bei einer Standardanwendung mit mittleren Zykluszeiten – um etwa 40 bis 50 Prozent reduzieren“, fährt Lechner fort. „Je schneller sie aber läuft, desto mehr schwindet dieser Vorteil.“ Der Grund: Vereinfacht gesagt, läuft eine Hydraulikpumpe immer, während sich ein Elektromotor auch ganz abschalten lässt. Muss der E-Motor aber häufiger laufen – weil die Zykluszeiten kürzer werden – verbraucht auch er entsprechend mehr Energie.
Wer die Maschinenauswahl abhängig vom gesamten Produktionsprozess mache, könne so auch zu einer Entscheidung für eine hybride Antriebstechnik kommen, berichtet Herbert Kraibühler, Geschäftsführer Technik bei der Arburg GmbH + Co KG in Loßburg (Halle A3, Stand 3101). „In hybriden Maschinen können die energieintensiven Achsen beispielsweise elektrisch, diejenigen für eine hohe Produktivität und Leistung dagegen hydraulisch angetrieben werden – um angepasst energieeffektiv arbeiten zu können.“ Für Arburg hätten allerdings alle drei Maschinenkonzepte ihre gleichrangige Berechtigung, zumal man auch im hydraulischen Bereich modulare Ausbaumöglichkeiten wie etwa das elektrische Dosieren anbiete, die ein energieeffizientes Arbeiten erleichterten.
„Mindestens 15 Prozent Energie kann man allein sparen, wenn man den hydraulischen Schneckenantrieb durch einen elektrischen ersetzt“, ergänzt Jörg Wittgrebe, Geschäftsführer der Offenburger Billion Kunststofftechnik GmbH (Halle B3, Stand 3207). Elektrische Antriebe eigneten sich prinzipiell eher für drehende Bewegungen, bei linearen – wie der Schließbewegung – spreche vieles für einen Hydraulikzylinder. „Hybridmaschinen – auch wenn wir selbst sie nicht so nennen – bilden den richtigen Mix.“ Billion bietet bei jeder Maschine die Option des elektrischen Schneckenantriebes.
Wie weit sich der Energieverbrauch überhaupt senken lasse, hänge aber immer maßgeblich von der Aufgabenstellung und damit auch der Konfiguration der Spritzgießmaschine ab, fährt Arburg-Geschäftsführer Herbert Kraibühler fort. „Moderne Antriebstechniken und Systeme, insbesondere direkt angetriebene elektrische Achsen – je nach Einzelfall auch in Kombination mit hydraulischen Antrieben – können den Energieverbrauch um bis zu 50 Prozent reduzieren.“ Entscheidend sei die Wahl der optimalen Maschinengröße bezogen auf die jeweilige Anwendung. „Dabei gilt es, die ideale Schließeinheit mit einer passenden Spritzeinheit und der geeigneten Antriebstechnik zum perfekten System zu vereinen, um Energieeffizienz und Emissionsverhalten im Verbund mit der erforderlichen Prozessgenauigkeit positiv zu beeinflussen.“ Eine hybride Maschinenbaureihe liefern die Loßburger mit der Typenbezeichnung Allrounder H (Hidrive). „Der Fünf-Punkt-Kniehebel der Schließeinheit ist servoelektrisch angetrieben – das führt zu einer hohen Positioniergenauigkeit und kurzen Trockenlaufzeiten bei einer gleichzeitig energieoptimierten Arbeitsweise“, erläutert Kraibühler. Zudem dosierten die Spritzeinheiten servoelektrisch und damit energieeffizient. „Das Einspritzen erfolgt über eine leistungsoptimierte Speicherhydraulik, so dass sich hohe Geschwindigkeiten und Leistungen mit einer entsprechenden Dynamik erreichen lassen.“ Daran lasse sich erkennen, dass man in der Kombination von elektrischen und hydraulischen Antrieben durchaus große Zukunftsperspektiven sehe. „Entscheidend sind aber immer die jeweiligen Produktionsanforderungen.“
Dass auch in der Hydraulik noch Potenzial steckt, bestätigt Jörg Wittgrebe. So nutzt Billion etwa ebenfalls die Vorteile der Speicherhydraulik. „Dadurch können wir eine Konstantpumpe mit kleiner Leistung verwenden, entsprechend sinkt der Verbrauch.“ Zudem ließen sich – verglichen mit den durchschnittlich 35 bis 40 % weniger Energie, die eine vollelektrische Maschine verbraucht – zwischen 10 und 15 % mit Hilfe eines drehzahlgeregelten Pumpenantriebs auch bei der Hydraulik erreichen. „Oft scheitert die Umsetzung aber an den höheren Kosten – die Amortisationszeiten sind für die Kunden sehr lang.“
Für die Hydraulik spreche neben dem einfachen Aufbau und niedrigen Kosten auch ihre Langlebigkeit, ergänzt Entwicklungsleiter Andreas Lechner von Wittmann Battenfeld. „20 Jahre sind bei einem Zylinder durchaus möglich.“ Da solche Erfahrungen bei elektrischen Antrieben fehlten, führe dies insbesondere bei größeren Maschinen wiederum zur Hybridbauweise – um das technische Risiko bei vertretbaren Kosten zu minimieren. „Vollständig wird die Hydraulik nicht verdrängt werden.“ Von Vorteil seien dagegen vollelektrische Maschinen, wenn eine hohe Wiederholgenauigkeit beim Spritzgießen gefragt sei. „Denn neben der Energieeffizienz ist vor allem die präzise Regelung der elektrischen Antriebe hervorzuheben.“ Wittmann Battenfeld stellt dazu auf der Fakuma ihre neue vollelektrische Maschinenbaureihe EcoPower vor. Diese verfügt über ein kompaktes, riemenfreies Spritzaggregat und eine Schließeinheit mit Direktantrieb. Besonders trickreich dabei: Die normalerweise ungenutzte oder aufwendig rückgespeiste Bremsenergie der Antriebe wird innerhalb der Maschine genutzt. „Gegenüber der Rückspeisung ist die Nutzung dieser Energie innerhalb der Maschine weniger verlustbehaftet – und damit wiederum effizienter“, führt Lechner aus. „Außerdem können wir mit Hilfe der Steuerungstechnik den Energieverbrauch optimieren.“ Wenn es der Prozess zulasse, ließen sich energieoptimierte Abläufe anstelle der Geschwindigkeit in den Vordergrund rücken. Das gelte zudem prinzipiell auch für hydraulische Antriebe.
„Eine leistungsfähige Maschinensteuerung kann zur Energieeffizienz einen erheblichen Beitrag leisten“, bestätigt auch Arburg-Chef Herbert Kraibühler. Im Fall der Selogica-Steuerung der Loßburger beginnt das mit einem folgerichtig zusammengestellten und über die Plausibilitätskontrolle der Steuerung verifizierten Zyklusablauf und geht bis zum integrierten Feature Energieverbrauchsmessung. „Diese Funktion erlaubt es dem Maschinenbediener, sowohl die mittlere durchschnittliche als auch die abschnittsweise Leistungsaufnahme des ablaufenden Spritzgießprozesses zu erfassen, zu analysieren und entsprechend zu optimieren.“
Sowohl hydraulische als auch elektrische Antriebe bieten also den Anwendern auch zukünftig Potenzial. Dennoch werden auf der Fakuma viele vollelektrische Maschinen zu sehen sein. So zeigt Arburg seine Allrounder-A-Baureihe (Alldrive), die aufgrund ihrer vollelektrischen Ausstattung Schnelligkeit und Präzision mit hoher Energieeffizienz kombiniert. Deutlich wird dies unter anderem an der Allrounder 720 A, geeignet etwa für schnelllaufende Dünnwandanwendungen in der Verpackungstechnik. Die Maschine besitzt eine Schließkraft von 3200 kN und ist erstmals mit der neuen elektrischen Spritzeinheit 1300 zu sehen. Bei Billion erwartet man zudem, dass vollelektrische Maschinen auch immer höhere Schließkräfte erreichen. „Der Bedarf ist da“, betont Jörg Wittgrebe. Die Offenburger haben bereits eine 4000-kN- Maschine ihrer zur letzten Messe K vorgestellten Baureihe Select im Angebot. „Zudem sehen wir ganz generell einen Trend weg von kleinen hin zu größeren Spritzgießmaschinen – und werden deshalb in Zukunft unser Angebot nach oben erweitern.“
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen

Marktchancen
Vollelektrische Spritzgießmaschinen tauchen immer häufiger auf und können hinsichtlich Energieeffizienz und Präzision punkten. Doch auch die Entwicklung der hydraulischen Antriebe schreitet voran, insbesondere verbessern drehzahlgeregelte Pumpenantriebe die Energiebilanz. Für den Anwender entscheidend ist aber die Prozessbetrachtung, bei der neben dem Energieverbrauch weitere Faktoren – etwa die Zykluszeiten – eine Rolle spielen.
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