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Jedem das Passende

EU-Forschungsförderung: Wie der Mittelstand profitiert
Jedem das Passende

In der Förderkulisse der Europäischen Union scheinen die Chancen für kleinere Unternehmen dünn gesät. Damit auch sie vom 54 Mrd. Euro schweren 7. Forschungsrahmenprogramm profitieren, gibt es Programme wie CIP oder das Enterprise Europe Network.

„Mit dem Weg über Brüssel wird Exzellenz gefördert, die erforderlich ist im globalen Wettbewerb“, erklärt Prof. Dr. Norbert Höptner die hohen Messlatten der europäischen Forschungsförderung. Für den Europabeauftragten des Wirtschaftsministeriums in Baden-Württemberg und Direktor des Steinbeis-Europa-Zentrums steht es außer Frage, dass man angesichts der EU-Förderkulisse „ein Stück weit die Klaviatur beherrschen muss“, um Fördergelder so umzulenken, dass sie die unternehmerische Innovationskraft stärken.

Trotz weltweiter Finanzkrise sind Brüssels Fördertöpfe gut gefüllt. Alleine das 7. Forschungsrahmenprogramm (FP7), das seit 2007 besteht und noch bis 2013 läuft, ist mit rund 54 Mrd. Euro dotiert – so viel wie noch nie. Aufs Jahr gerechnet stehen damit rund 7,8 Mrd. Euro zur Verfügung – im Vorgängerprogramm waren es noch 3,9 Mrd. Euro. Dabei geht es der EU-Kommission in erster Linie nicht darum, Innovationen in Form einer Forschungsprojektförderung auf die Sprünge zu helfen. Ziel der Politik der Brüsseler Kommission ist es vielmehr, im Rahmen ihrer Lissabon-Strategie mit Hilfe von Forschung, Bildung und Innovation den Lebensstandard in der EU zu fördern. Dieser gründet ebenso auf Wirtschaftwachstum wie auf Beschäftigung, dem Schutz der Umwelt sowie sozialen Zielen.
Erreichen lässt sich beispielsweise wirtschaftliche Stabilität aber nur mit innovativen Produkten, die schnell am Markt verfügbar sind. Als Anschubfinanzierung sind die Forschungsförderprogramme gedacht. Sie sind das Instrument, dem sich die Brüsseler Supranationalen auch deshalb bedienen, um sich einem bislang nicht erreichten Lissabon-Ziel zumindest anzunähern: Demnach soll Europa bis 2010 die innovativste und wachstumsstärkste Region der Welt werden. 3 % des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung wären hierfür erforderlich. Zwar liegen einige wenige Regionen wie Baden-Württemberg mit 4,3 % deutlich darüber; doch selbst Deutschland hat mit rund 2,5 % die 3-%-Marke noch nicht gerissen, viele Länder in Europa rangieren weit unterhalb. Massive Anstrengungen wie die Forschungsförderprogramme sollen zum Erfolg führen. Bei alldem geht es darum, „die Kräfte zu bündeln und das Know-how der Experten in Europa zu nutzen, um die Stärken zu stärken“, beschwört Höptner den Gemeinschaftsgedanken.
Dass ausgerechnet der Mittelstand gute Karten im Förderpoker haben soll, wird auf den ersten Blick nicht sichtbar. Das kann es angesichts der Größe dieses Programms und der Summen, die im Spiel sind, auch nicht. Weltweit ist das FP7 das größte Forschungsförderungsprogramm. Es bildet einen Rahmen für unterschiedlichste Versuche, Forschung zu unterstützen. Beispiele: Erstmals gibt es mit dem „European Research Council“ eine Art europäische DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft), der die Grundlagenforschung fördert. Zudem wurden aus mehr als 30 Themen, beispielsweise Wasserstoff, Photonik oder Robotik, Technologieplattformen (ETP) gezimmert, aus denen wiederum sechs Technologie-Initiativen (JTI) entwickelt wurden (siehe Grafik). Jede dieser Joint Technology Initiatives, „bei denen in Zukunft die Innovationsmusik spielt“, wie Prof. Norbert Höptner versichert, schreibt wiederum Förderprojekte aus. Allein in diesem Bereich sind es 10 Mrd. Euro.
Die Förderung insbesonderer kleiner und mittlerer Unternehmen in Europa hat sich auch die „Generaldirektion Unternehmen und Industrie“ der EU-Kommission auf die Fahnen geschrieben. Sie entwarf das 3,6 Mrd. Euro schwere Förderprogramm CIP (Competitiveness and Innovation), das den transnationalen Technologietransfer stärken soll. Ein unter CIP angesiedeltes Programm ist das „Enterprise Europe Network“. Dieses soll vor allem kleine und mittlere Unternehmen unterstützen, um in europäischen Märkten Fuß zu fassen.
Anderweitige Versuche, die einen Weg aufzeigen könnten, in einem System wie Europa Innovationsförderung anders aufzuziehen, gibt es nicht. „Wir starten Testballons und beobachten, wie gut sie fliegen“, beschreibt Dr. Bernd Reichert das Vorgehen, das sich auf Gedankenexperimente stützt. Der promovierte Chemiker, der das Referat „Kleine und mittlere Unternehmen“ der Generaldirektion Forschung in Brüssel leitet, weiß: Große Forschungseinrichtungen wie auch Industriekonzerne hätten eben größtes Interesse daran, dass in Europa Forschung auf hohem Niveau betrieben werde. Diesen sei daran gelegen, frühzeitig das Ohr am Puls zu haben, um das Wissen später in ihre Produktion überführen zu können, zielt Reichert auf die mangelnde Lobby des Mittelstands in Brüssel an.
Wer in der EU-Kommission nach der Mittelstandskomponente im FP7 fragt, erhält folglich die Antwort: „Das Forschungsrahmenprogramm ist kein KMU-Programm und ist auch nie als solches konzipiert worden“, nimmt Reichert kein Blatt vor den Mund. Er hält die Fördermaßnahme für einen „Kompromiss, mit dem man arbeiten kann oder nicht“. Wer sich jedoch um Geld aus Brüssel bemüht, dem kommen laut Reichert neben der möglichen Finanzierung auch viele interne Effekte zugute: Netzwerke werden gebildet, Vertrauen zu Menschen in anderen Regionen und Ländern wird aufgebaut, neue Märkte entstehen. Und für Universitäten gehe es darum, einen Forschungsmarkt zu schaffen.
Ein erstes Selektionskriterium sind die zehn Themenbereiche, die das 7. Forschungsrahmenprogramm fördert. Die Projektidee eines Unternehmens muss in eine dieser zehn Schubladen passen, ansonsten geht der Antragsteller leer aus. Um die richtige Schublade zu identifizieren, geht es oft nicht ohne externe Hilfe.
Einen erheblichen Beitrag dazu können hocheffiziente Vermittler leisten – etwa jene des European Enterprise Network, die wie Steinbeis auf lokaler Ebene organisiert sind und Mittelständlern das komplizierte EU-Förderwerk übersetzen können, sie gezielt beraten und Hilfestellung leisten. Auf der Agenda stehen zumeist Fragen des „normalen“ Unternehmertums auf europäischer Ebene: Wie lassen sich neue Märkte finden? Wie kann ein Unternehmen von der EU-Förderung profitieren? Was ist zu tun, um mit Kooperationspartnern Kontakt aufzunehmen? Wie lassen sich Innovationen, Ideen und Technologien verkaufen? Das Netzwerk kompetenter Einrichtungen ist zwar europaweit aufgespannt, aber regional strukturiert. Ihm gehören laut Hussein Sattaf, der in einer Beratungsagentur der EU-Kommission zuarbeitet, aktuell 570 Partnerorganisationen in 44 Ländern an. 3000 Experten bringen Licht ins Dickicht des EU-Förderdschungels. Sie vermitteln aber nicht nur, welches Programm für ein Unternehmen das richtige ist, sondern klären Rechtsfragen und geben ihr Wissen in puncto Wettbewerb, Innovation und Technologie an die KMU weiter. Seit einem Jahr arbeitet beispielsweise in Baden-Württemberg ein Konsortium aus Handwerks- sowie lokalen Industrie- und Handelskammern zusammen. Die Innovationsförderung dazu betreibt das Steinbeis-Europa-Zentrum (SEZ) mit Sitz in Stuttgart und Karlsruhe. Für die Erstberatung fallen keine Kosten an.
Laut Sattaf will das europaweite Netzwerk in den nächsten drei Jahren rund 50 000 Technologie- und Unternehmens-Reviews durchführen. Unternehmen sollen darin unterstützt werden, 1000 Kooperationsabkommen zu unterzeichnen. Auch auf bedeutenden Messen wie etwa der Hannover Messe ist Hilfe angesagt: Für 12 000 Unternehmen werden im Rahmen internationaler Technologie-Kooperationsbörsen (Brokerage Events) Termine vorbereitet, die sie gezielt mit potenziellen Kooperationspartnern ins Gespräch bringen.
Bei genauerem Hinsehen bietet das 7. Forschungsrahmenprogramm, etwa in Gestalt des CIP-Programms und des Enterprise Europe Network, also auch kleinen und mittleren Unternehmen eine Menge auf dem Weg zum unternehmerischen Erfolg. Für Steinbeis-Europa-Chef Norbert Höptner ist klar: „Es ist leichter, seine Aktivitäten mit einem Netzwerk voranzubringen, als wenn man niemanden kennt.“

Marktchancen
Wie finde ich neue Märkte? Wie kann ich von EU-Förderung profitieren? Wie kann ich meine Innovationen (etwa Ideen oder Technologien) verkaufen? Wie kann ich von EU-Förderung profitieren? Fragen wie diese beantwortet ein europaweites Netzwerk kompetenter Einrichtungen im Rahmen des Förderprogramms „Enterprise Europe Network“. Es steht allen Firmen offen und ist als Angebot auf europäischer Ebene konzipiert. www.enterprise-europe-network.ec.europa.eu
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