Firmen im Artikel
Herr Professor Smetana, Sie sind seit Dezember 2023 CTO der EBM-Papst Gruppe. In welchem Transformationsprozess sehen Sie das Unternehmen aktuell?
Aktuell durchläuft EBM-Papst Transformation vor allem in den Bereichen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Organisationsstruktur.
Welche Herausforderungen und Arbeitsschwerpunkte haben Sie mit Blick darauf definiert?
Ich definiere meine Aufgabe grundsätzlich über Innovation und sehe darin die Hauptaufgabe der R&D. Die Frage sollte immer lauten: Wie gelingt es uns, unsere Innovationsexzellenz und unsere Technologieführerschaft weiter auszubauen? Dazu habe ich folgende Top 5 an Aufgaben definiert: Top 1 betrifft die Innovation. Top 2 geht Hand in Hand mit unserem aktuellen Produktportfolio und der Frage, was wir zukünftig damit machen. Wir sprechen in dem Zusammenhang von einer nachhaltigen, modularen Plattform 2.0, das heißt, wir wollen erstens kosteneffiziente Produkte bei zweitens maximal möglicher Kundenflexibilität und drittens Kreislaufwirtschaft erreichen. Top 3 betrifft das Enabling unserer Regionen. Wir wachsen gut und stark in Amerika und auch in Asien-Pazifik. Hier müssen wir noch deutlich mehr Kompetenzen aufbauen, gerade im Bereich Forschung und Entwicklung. Top 4 ist unsere starke Veränderung in Richtung einer agilen Projektorganisation, wozu eine begleitende Transformation im Bereich Leadership – Top 5 – gehört.
Geplanter Verkauf der ebm-papst-Geschäftseinheit Industrielle Antriebstechnik an Siemens
Im März 2024 ist ein geplanter Verkauf der Geschäftseinheit IDT (industrielle Antriebstechnik) von EBM-Papst an Siemens verkündet worden – und zwar bis 2025. Welche Aufgaben sind für Sie als CTO damit verbunden?
Wir haben beide Entwicklungsbereiche in den vergangenen Jahren konsequent voneinander getrennt und als separate Divisionen geführt – und zwar deswegen, weil sich die Herausforderungen bei der Elektromotor- und Elektronikentwicklung sowie Software teilweise ähneln, dennoch gibt es große Unterschiede bei Marktanforderungen und Spezifikationen. Die beiden Entwicklungsteams der Divisionen greifen auf zentrale Forschungs- und Entwicklungskompetenzen zu, beispielsweise bei Material oder Isolationstechnik beim Elektromotor, sprich das sind Technologien, die dann vergleichbar sind, obwohl ich unterschiedliche Anforderungen und Produkte habe. Als Entwicklungsverantwortlicher muss ich nun zum einen sicherstellen, dass diese Kompetenzen beiden Divisionen zur Verfügung stehen. Zum anderen geht es um die Neuausrichtung des verbleibenden Teams und dem Wandel, beispielsweise auch von Automotive zu einem reinen Lufttechnik-Standort. Seit jeher ist St. Georgen unser Kompetenzzentrum für die Kompaktlüfter beziehungsweise für die DC-Technologie. Ich möchte, dass sie die entsprechenden Aufgaben für die Gruppe global steuern. Das ist für mich die Zukunftssicherung und der Kompetenzausbau des Standorts.
Neue Investitionen und zukünftiger Fokus in der Luft- und Ventilatorentechnik
Als CEO der EBM-Papst Gruppe hat Dr. Klaus Geißdörfer im Rahmen der Bekanntgabe des IDT-Verkaufs gesagt: „Den Verkaufserlös für das IDT-Geschäft werden wir dafür nutzen, die Divisionen Air Technology und Heating Technology weiter auszubauen, unsere drei Regionen Europa, Asien und Amerika weiter zu stärken und in Zukunftsfelder wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit unseres Produktportfolios zu investieren.“ Was bedeutet dies im ersten Schritt? Und gibt es bereits Details zu den Investitionsvorhaben?
Als familiengeführtes Unternehmen geht es uns allem voran um Kontinuität und langfristige Absicherung des Unternehmens. Um langfristig zu investieren, haben wir für die Bereiche Luft- und Heiztechnik Innovationsschwerpunkte in acht Fokusfeldern beziehungsweise in Innovationsclustern festgelegt. Vier Felder haben den klaren Fokus auf die Validierung neuer Geschäftsfelder. Es handelt sich um Neumarksegmente, darunter: Digital Solutions, High-Speed-Kompressoren – wir wollen in ölfreie Kompressoren einsteigen – Heizungs- und Kühlungssysteme sowie Power-to-X. Vier weitere Felder, die einen disruptiven Einfluss aufs Portfolio haben könnten, teilen sich auf in: Flow Solution, Electric Drive Solutions, Mechanics and Circularity Solutions und Manufacturing Solutions. Mit unserem R&D-fokussierten Change Programm „Innovation for Growth“ und den genannten Innovationsschwerpunkten wollen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen und unseren Marktanteil erhöhen. Unser Jahresbudget halten wir auf hohem Level bei zirka 140 Mio. Euro pro Jahr beziehungsweise bei knapp 6 % vom Umsatz. 30 % davon wollen wir in die acht Fokusfelder investieren. 70 % fließen in unser Kerngeschäft und in Kundenapplikationen, aber 30 % der Investitionen fließen jährlich in Menschen, in Equipment und in die Zusammenarbeit mit Externen, um die acht genannten Innovationsfelder zum Erfolg zu bringen, also um einen klaren Mehrwert für Kunden zu schaffen, aber auch um ein profitables Business sicherzustellen und Nachhaltigkeit zu erreichen.
Anforderungen an Ventilatoren
Was sind aktuelle Anforderungen, die Sie kundenseitig erfüllen sollen?
Es ist unterschiedlich und kommt auf den Zeithorizont an. Was ich in den vergangenen Monaten bei vielen Kunden vor Ort erfahren habe, sind zum einen Standard-Anforderungen an unsere Ventilatoren. Hier geht es nach wie vor um maximal mögliche Energieeffizienz. Das bleibt nach wie vor das Top-Kriterium. Die Anforderung nach hoher Effizienz kommt gepaart mit der Anforderung nach geringer Geräuschentwicklung. Es nehmen die Anforderungen im Bereich Nachhaltigkeit und insbesondere zu Aspekten der Kreislaufwirtschaft zu. Auch gehört Plug and Play zu den Anforderungen. Es geht unseren Kunden darum, schnell austauschbare Lösungen nutzen zu können. Zu all dem sehen wir eine Zunahme der Kundenanforderungen Richtung Intelligenz. In unserem klassischen Ventilatorgeschäft fragen die Kunden intelligente Funktionen heute deutlich nach.
Digitale Services und energieeffiziente Ventilatoren
KEM Konstruktion|Automation: Intelligenz in Richtung Datenauswertung und Monitoring der Kundenapplikation?
Smetana: Wir fokussieren drei sogenannte digitale Services, die unsere Kunden gerade am meisten interessieren: Das eine ist ein bedarfsgerechter Betrieb, sprich es geht um die Frage, wie sich Energieeffizienz erhöhen lässt, indem der Ventilator nur dann eingesetzt wird, wenn es wirklich notwendig ist. Das zweite Thema betrifft Predictive Maintenance in Form einer möglichen Filter- oder Wärmetauscher-Verschmutzung. Denn setzt sich bspw. ein Filter zu, kann sich der Energiebedarf einer RLT-Anlage um bis zu 30 % erhöhen. Andererseits sollten die Filter auch nur dann getauscht werden, wenn dies wirklich notwendig ist und nicht, weil ein statisches Wartungsintervall dies erfordert. An der Stelle geht es also um die variable Intervallfestlegung als intelligente Funktion zum ökologisch und ökonomisch optimalen Zeitpunkt. Die dritte intelligente Funktion, die kundenseitig gefragt ist, betrifft klassisches Condition Monitoring mit Anomalie-Erkennung. An all diesen Services entwickeln wir bereits intensiv, auch zusammen mit unseren Kunden, um deren Bedürfnisse in die Optimierung der Systeme einfließen zu lassen.