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Mit der Leichtigkeit von Seifenblasen

Leichtbau: 3D-Waben sorgen für isotrope Spannungsverteilung
Mit der Leichtigkeit von Seifenblasen

Ein neues Leichtbauelement mit hoher Steifigkeit kündigt sich an – und zwar mit dem Anspruch, mathematisch optimal ausgelegt zu sein. Fertigen lässt es sich mit konventionellen Verfahren aus Metall, Kunststoff oder Faserverbunden.

Amir Tahri´c, Erfinder des neuen Leichtbaupaneels, scheut sich nicht vor Superlativen. Der Werkstoff habe bessere physikalische Eigenschaften „als alle bekannten Verbund- und Wabenplatten“. Dabei setzt er auf prinzipielle mathematische Erwägungen: Grundelement der neuen Struktur ist ein Oktaederstumpf. Diese geometrische Form hat gleich nach der Kugel „das beste Verhältnis von Oberfläche zu Volumen“. Außerdem füllen Oktaederstümpfe – anders als Kugeln – den Raum lückenlos aus, wenn sie aneinandergereiht werden. Es beteiligt sich also jedes Quäntchen Volumen an der Kraftübertragung, die über die Kanten der Oktaederstümpfe erfolgt. Die Montaplast GmbH aus Morsbach, bei der Tahri´c arbeitet, hat diese Leichtbau-Neuheit bereits im Oktober 2006 zum Patent angemeldet. Inzwischen beginnt der Automobilzulieferer, der unter anderem Frontends und Türverkleidungen fertigt, die neue Idee bei seinen Kunden zu vermarkten – außerhalb des Automotive-Sektors übernimmt dies der Erfinder selbst.

Tahri´cć käme nicht aus der Praxis, hätte er sich die fertigungstechnische Umsetzung nicht reiflich überlegt. Dies brauchte aber Zeit. Vor Jahren stieß der Werkzeug- und Formenbauer auf flächige Wabenstrukturen, die mit ihren immer gleichen 120°-Winkeln eine gleichmäßige Zug- und Druckbelastung aufweisen. Bestrebt, den Verzug an Spritzgießteilen zu minimieren, wies er im Betrieb darauf hin, dass man doch eher in Waben- als in Rechteckstrukturen denken sollte – und erntete den Auftrag, die Idee weiterzuverfolgen. Auf der Suche nach Waben sichtete er nun mehr und mehr Sechseck-Strukturen auch im dreidimensionalen Raum. „Am schönsten ist es bei Seifenblasen zu sehen, wie sie sich immer wieder zu Sechseck-Gebilden verbinden.“ Die Kontaktflächen und -stege verkürzen sich, bis die sich wandelnden Gebilde den äußeren Kräften optimal widerstehen können – ein Grundprinzip der Natur. „Geben Sie doch mal Minimalflächen in Google ein“, rät Tahri´cć zur Veranschaulichung. Als er im Web schließlich den Oktaederstumpf als „Raumfüller“ und technisch reproduzierbares Gebilde entdeckte, „kam das Projekt ins Rollen“.
Das Ergebnis, die fertigungstechnische Umsetzung, lässt sich leicht in Worte fassen: Zunächst werden Platten aus halben Oktaederstümpfen hergestellt – je nach Werkstoff durch Spritzgießen, Prägen, Tiefziehen oder Kalandrieren – und dann wie umgekehrte Eierkartons aufeinander gestapelt und an den quadratischen Kontaktzonen miteinander verbunden. Die eingeschlossenen Volumina bilden volle Oktaederstümpfe aus. Um Material zu sparen, dünnt Spritzguss-Experte Tahri´cć die Kontaktflächen aus, damit letztlich nur Stege stehen bleiben. So entsteht eine Raumgitter-Struktur, die Kräfte stetig weiterleitet und an jedem Knotenpunkt neu aufteilt. Hauptvorteil: „Es kommt zu keiner Spannungsanhäufung und keiner Anisotropie.“ Außerdem soll die Struktur durch ihre Selbstdämpfung geräuschmindernd wirken. Ebene Deckschichten schließen die Leichtbauplatte ab. Das bedeutet aber nicht, dass die Oktaederstumpf-Paneele nur in Plattenform verfügbar wären. Es gibtKonzepte, um die Platten in Drapierwerkzeugen zu verwölben.
Die ersten Anwendungen erwartet Amir Tahri´cć aus dem Automobilbau, hat als potenzielle Einsatzgebiete aber auch Maschinen und Handlingseinrichtungen im Visier, ebenso wie Luftfahrzeuge oder den Fassadenbau. Ein besonderer Vorteil für den Flugzeugbau ist, dass sich die Leichtbaustruktur intern belüften lässt.
Montaplast baut zurzeit erste Prototypen-Werkzeuge. Als weiterer Schritt ist die umfangreiche Aufnahme von Kennwerten geplant. Die Morsbacher suchen Lizenznehmer, sind aber auch offen für andere Modelle der Zusammenarbeit.
Halboktaeder-Schichten gestapelt wie Eierkartons
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