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Single Pair Ethernet ergänzt den Ethernet-Standard IEEE 802.3 um Spezifikationen, die eine Datenübertragung mit verschiedenen Bandbreiten und Reichweiten über Kupferkabel mit nur einem verdrillten Adernpaar ermöglichen. Verglichen mit den gängigen zwei- oder vierpaarigen Kupfer-basierten Ethernet-Systemen lassen sich mit SPE kleinere Transceiver-Module, kleinere Steckverbinder und flexiblere Kabel realisieren. Im Standard ist darüber hinaus eine Methode zur Leistungsfernspeisung definiert. Mit diesen Eigenschaften bzw. Festlegungen ist SPE besonders dazu geeignet, kleine Feldgeräte und Sensoren via Ethernet anzubinden und so eine IP-basierte, transparente Sensor-to-Cloud-Kommunikation zu ermöglichen.
Für industrielle Umgebungen sind die Spezifikationen von SPE mit 1 Gbit/s mit einer Reichweite von 40 m und mit 10 Mbit/s mit einer Reichweite von 1.000 m sowie die künftige Spezifikation mit 100 Mbit/s mit einer Reichweite von 500 m von besonderer Relevanz. SPE-Systeme mit Reichweiten oberhalb von 200 m können eine Alternative zu Glasfaser-basierten Ethernet-Systemen sein und bieten gegenüber diesen den Vorteil der optionalen Leistungsfernspeisung.
SPE ist also ein Baustein der Realisierung von „Ethernet everywhere“ und unterstützt somit – neben den klassischen Automatisierungsaufgaben in der Prozessindustrie, in der diskreten Fertigung, in Gebäuden, in Logistikzentren und in Schienenfahrzeugen – Mehrwertdienste wie z. B. die vorausschauende Wartung, die auf der Analyse von großen Datenmengen – heute zunehmend mithilfe von künstlicher Intelligenz – beruhen. Darüber hinaus erleichtert SPE eine schnelle Inbetriebnahme und vereinfacht Überwachungs- und Wartungsaufgaben, indem es Engineering- und Betriebsterminals den direkten Zugriff auf Geräte über das transparente Netzwerk ermöglicht.
Von der Planung bis zum Betrieb
Belden, ein Anbieter von Kommunikationslösungen, entwirft und errichtet industrielle Kommunikationslösungen entsprechend individueller Kundenanforderungen. Im Rahmen der Entwicklung einer Kundenlösung werden zunächst die Bedarfe der verschiedenen Nutzergruppen ermittelt, daraus eine Netzwerktopologie mit geeigneten Schnittstellen entworfen und schließlich analysiert, welche Kommunikationstechnologie mit ihren besonderen Übertragungseigenschaften für welche Netzwerkabschnitte am geeignetsten ist. Mit SPE steht dem Unternehmen eine ergänzende Technologie für neue Anwendungsbereiche zur Verfügung.
In der Planungsphase werden Komponenten für die einzelnen Netzwerksegmente und deren Übergänge nicht nur auf Basis ihrer Übertragungseigenschaften ausgewählt, sondern auch in Bezug auf ihre Eignung für die jeweilige Installationsumgebung und auf den verfügbaren Bauraum. Bei staubigen Umgebungsbedingungen und bei Vibrationen ist ein Kupferkabel einem Glasfaserkabel vorzuziehen. Gegenüber einem vier- oder achtadrigen Kupferkabel ist das SPE-Kabel leichter und aufgrund des kleineren Außendurchmessers flexibler und somit leichter zu handhaben bei Installation und im Wartungsfall. Ein weiteres Kriterium ist die Bereitstellung der Stromversorgung für die Endgeräte, die nur bei Anbindung mit Kupfer-basiertem Ethernet per Fernspeisung erfolgen kann, während bei Nutzung eines Glasfaserkabels eine lokale Stromversorgung benötigt wird. Nach erfolgter Installation sind Adressen und Berechtigungen für die Kommunikationsteilnehmer im Netzwerk zu konfigurieren. Die nahtlose Ethernet-basierte Kommunikation vereinfacht die Netzwerkinstallation und -wartung, ermöglicht die Verwaltung und Integration der Netzwerkkomponenten bis hinunter zur Sensor-/Aktor-Ebene und unterstützt darüber hinaus die durchgängige Implementierung von modernen Sicherheitsmechanismen.
Neben der Netzwerkadministration werden auch die Applikationsprogrammierung, der Applikationsbetrieb und die Applikationsoptimierung durch die nahtlose Ethernet-basierte Kommunikation unterstützt:
- Die Programmierung und Integration von Anlagenteilen kann mit universellen Engineering-Applikationen einfach und von beliebiger Stelle im Netzwerk aus vollzogen werden. Nicht-Ethernet-Sensoren oder -Aktoren oder Feldbus-Geräte sind über Gateways angebunden und können somit nur über Proxys angesprochen werden, die die volle Funktionalität des Gerätes meist nur in Hersteller-spezifischen Engineering-Applikationen abbilden. Mit zunehmender Diversität von Technologien steigt somit die Zahl verschiedener Engineering-Applikationen und schlussendlich die Komplexität der Geräteverwaltung.
- SCADA-Systeme zur Fernüberwachung und -steuerung von Anlagen benötigen eine zuverlässige und parallele Kommunikation für Prozesssteuerungs- und Überwachungsaufgaben, die durch eine einheitliche IP-basierte Vernetzung bis zur Sensor/Aktor-Ebene sichergestellt wird.
- Mehrwertdienste auf Basis von Datenanalyse wie z. B. die vorausschauende Instandhaltung profitieren von der unmittelbaren Verfügbarkeit von Daten aufgrund der durchgängigen Sensor-to-Cloud-Konnektivität. In Kombination mit hoher Bandbreite wird so eine Menge an Daten in Quasi-Echtzeit übertragen, die es – speziell für die heute verwendeten „Daten-hungrigen“ KI-Algorithmen – ermöglicht, schnelle Einsichten zu gewinnen und präzise Vorhersagen zu machen.
Beispiel SPE Industrial Partner Network-Demonstrator
Der auf der Hannover Messe 2024 erstmals vorgestellte Demonstrator des SPE Industrial Partner Networks zeigt, wie Sensoren und Aktoren mittels SPE integriert werden können, wie die Automatisierungsaufgabe mit den IP-basierten Endgeräten einfach in einer Steuerungsapplikation definiert werden kann und wie die Sensordaten darüber hinaus zwecks Überwachung des Prozesses durch eine benutzerfreundliche Visualisierung nutzbar gemacht werden können.
Der Demonstrator stellt den Wareneingang einer diskreten Fertigungslinie oder eines Logistik-Centers nach: Er besteht aus einem Förderband, das eintreffende Ware in ein Gefäß transportiert, wobei eine über dem Förderband installierte Kamera die Qualität der Ware überprüft und bei Detektion eines Schlechtteils das Förderband angehalten wird, um sicherzustellen, dass nur Gutteile das Gefäß erreichen. Die Teile im Gefäß werden mit Hilfe eines Drucksensors gewogen und der Füllstand wird von einer LED-Signalleuchte indiziert.
Der Drucksensor ist ein 10 Mbit/s-SPE-Gerät, das an einen Beetle Light Managed Switch der Marke Lumberg mit einem Kabel von 200 m Länge angeschlossen ist und von diesem mit Leistung gespeist wird. Die LED-Leuchte ist ein IO-Link-Gerät, das durch Lumbergs IO-Link-Master-Konzeptstudie LioNH via 10 Mbit/s-SPE ebenfalls mit dem Beetle Switch verbunden wird. Kamera und Relay-Box zur An/Abschaltung des Förderbandes sind aktuell nur als Nicht-SPE-Varianten verfügbar und werden daher – wie auch der 100 Mbit/s-Non-SPE-Uplink-Port – an einen 100 Mbit/s-Non-SPE-Switch angeschlossen. Außerdem verbunden mit diesem Switch ist ein Laptop, auf dem die Steuerungsapplikation zur Verknüpfung der Sensoren und Aktoren – also zur Realisierung der Automatisierungsaufgabe – und eine Applikation zur Erstellung von Dashboards laufen, die beispielsweise das Verhältnis von detektierten Schlechtteilen zur gesamten gelieferten Ware darstellen.
Dieser Demonstrator zeigt speziell die Vorteile der nahtlosen Ethernet-Kommunikation auf: Sensoren und Aktoren haben IP-Adressen und sind sowohl bei der Verknüpfung durch die Steuerungsapplikation als auch bei der Erstellung der Dashboards darüber identifizier- bzw. ansprechbar.