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Neues Linienlayout sichert Zukunftsfähigkeit

Stuttgarter Forscher optimieren Montagelinie und Logistikplanung bei Knorr-Bremse in Ungarn
Neues Linienlayout sichert Zukunftsfähigkeit

Eine um 40 % höhere Produktivität, 93 % weniger Umlaufbestände und deutlich mehr Flexibilität sind das Ergebnis einer Montageoptimierung bei Knorr-Bremse in Ungarn. Das Projekt leiteten Produktionsspezialisten des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA).

Als technologischer Schrittmacher treibt die Münchener Knorr-Bremse AG seit 100 Jahren maßgeblich die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb modernster Bremssysteme voran. Damit leistet der weltweit führende Hersteller von Bremssystemen für Schienen- und Nutzfahrzeuge einen maßgeblichen Beitrag zur Sicherheit im Verkehr.

Knorr-Bremse Kecskemet in Ungarn ist Teil der Luftfiltersparte der Bayern und deren größter Auslandssitz. Die Umsatzzahlen sind in den letzten Jahren rasant gestiegen und es ist zu erwarten, dass das Wachstum in den folgenden Jahren aufgrund von Produktionsverlagerungen einzelner Produkte nach Ungarn weiter steigen wird.
Die Verlagerung gesamter Montagelinien von anderen Standorten führte dazu, dass sowohl die technische Ausstattung, als auch die Montageorganisation älterer Linien nicht mehr den Anforderungen moderner Standards genügte. Einige der verlagerten Montagelinien waren für eine hohe Ausbringungsmenge konzipiert. Mittlerweile werden viele dieser Produkte jedoch nur noch sporadisch nachgefragt. Trotzdem belegen die Linien einen Großteil der Fläche und verhindern damit, dass neue absatzstarke Produkte nach Ungarn verlagert werden können. Darüber hinaus steigen die Qualitätsanforderungen der Kunden, so dass ein neues Montagekonzept umgesetzt werden musste. Hohe Umlaufbestände, lange Durchlaufzeiten und eine unbefriedigende Mitarbeiterproduktivität waren zusätzliche Motivation, bestehende Strukturen in Frage zu stellen.
Der Fokus des Projekts unter Leitung des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) richtete sich auf die Montage sogenannter „High Runner“, also auf Produkte, die in großer Stückzahl gefertigt werden. Speziell betraf dies die Montage von Luftfiltern für LKW-Bremsanlagen. Sie sind Teil des LKW-Bremssystems und haben die Aufgabe, die druckluftbetriebenen Bremsanlagen vor Verschmutzung zu schützen und damit eine lange Lebensdauer zu gewährleisten.
Die Ingenieure der IPA-Abteilung Fabrikplanung und Produktionsoptimierung sollten eine Montage gestalten, die auch künftig eine effiziente Produktion ermöglicht und den gestiegenen Qualitätsanforderungen der Kunden genügt. Aus der beschriebenen Ausgangssituation ergaben sich folgende Zielsetzungen des Projekts:
  • Erhöhung der Produktivität für das betrachtete Montagesegment,
  • Sicherstellung der notwendigen Flexibilität bezüglich Varianten,
  • Reduzierung der benötigten Montagefläche und
  • Reduzierung der Umlaufbestände.
Das Projekt gliederte sich in fünf Stufen:
Ist-Analyse und Segmentierung: In der Ist- und Potenzial-Analyse wurde unter anderem eine Wertstrom-Analyse durchgeführt, um den bestehenden Material- und Informationsfluss transparent darzustellen, sowie Schwachstellen in der bestehenden Struktur aufzudecken. Ein sich daraus ergebendes Potenzial war das Segmentieren der fürs Optimieren in Frage kommenden Montagelinien. Um hier möglichst viele Produkte in das zu konzipierende Montagesystem zu integrieren, wurden über Stücklisten und Konstruktionsunterlagen Produkte mit ähnlichen Teilespektren, Geometrien, Prozessanforderungen und der zu erwartenden Kundennachfrage den angedachten Segmenten zugeordnet. Marktsynchronisation und Produktionsglättung: Die Analyse der Markanforderungen ergab Bedarfsschwankungen mit ausgeprägten Bedarfsspitzen. Um diese abzufangen und eine gleichmäßige Auslastung der Montage zu gewährleisten, wurde eine Produktionsprogrammplanung mit je nach Kalendermonat unterschiedlichen Schichtanzahlen definiert. Da die Nachfrageschwankungen in der Vergangenheit relativ gleichbleibend waren, wurde ein antizipierendes, flexibles Schichtmodell definiert. Es dient dazu, durch eine abgesicherte Vorproduktion Bedarfsspitzen abzufangen, somit die Produktion zu glätten und personalkostenintensive, ungeplante Zusatzschichten zu vermeiden.
Montageablaufplanung und logistische Anbindung: Die Eingangsgrößen der Planung waren Bauteilzeichnungen, Stücklisten der Produktvarianten sowie entsprechende Ausbringungsmengen. Damit und mit den Arbeitsinhalten jedes Prozesses wurde im ersten Schritt eine Prozessreihenfolge mit zeitlicher Sequenz aufgezeichnet. Das bildete die Grundlage einer umfassenden Tabelle in der alle relevanten Daten der zukünftigen Montagelinie enthalten waren: Bezeichnung der Arbeitsstation, Bezeichnung des Montageschritts, benötigte Betriebsmittel, Zeitspreizung des Arbeitsinhalts bei Varianten, benötigtes Material und entsprechende Behälter. Darauf aufbauend wurden die Bedarfe des Materials ermittelt, um damit die Anzahl Behälter pro Montagestation festzulegen.
Diese Tabelle diente in einem weiteren Schritt auch dazu, die Materialversorgung zu definieren. Vereinbart wurde zunächst ein Bevorratungszyklus von einem Tag, um die Mitarbeiter an das neue System zu gewöhnen. Dieser Zyklus wurde mit der Zeit gesenkt um den Materialbestand in der Linie möglichst gering zu halten und einen stetigen Variantenwechsel, auch innerhalb einer Schicht, zu ermöglichen.
Layout-Konzeption der „Mixed Model Line“: Mit den zuvor beschriebenen Eingangsdaten konnte nun ein Montagelayout gestaltet werden, das alle drei Produktfamilien in einer Montagelinie („Mixed Model Line“) vereinte. Zudem erfolgte die Definition von Operationsmodi, mit detaillierter Information zu Schichteinteilung, Personalbedarf und deren Auslastung sowie Ausbringung der Linie je Schicht. Dies stellte eine enorme Vereinfachung der operativen Montageplanung dar. Zu jedem Tagesbedarf waren eine vordefinierte Anzahl an Mitarbeitern sowie ein entsprechendes Montagelayout vorgeplant.
Realisierung der „Mixed Model Line“: Die Montagelinie wurde weitgehend mit Standardelementen (Profilen, Behältern,…) sowie spezifischen Vorrichtungen und Betriebsmitteln, etwa Prüfstationen, realisiert. Wichtig waren dabei die wegeoptimierte Anordnung von Arbeitsstationen, die ergonomische Bereitstellung des zu verbauenden Materials und die klare Trennung von Wertschöpfung und Logistik, realisiert mit Durchlaufregalen. Durch flankierende Mitarbeiterschulungen und eine professionelle Hochlaufbetreuung konnte der Anlauf reibungslos erfolgen.
Durch die konsequente Ausrichtung der Montagelinie auf Einzelstückfertigung und die damit verbundene Trennung von Montage und Logistik konnte eine Produktivitätssteigerung von über 40 % erreicht werden. Mit der Integration verschiedener Produktfamilien in ein Montagesystem und einer intelligenten Layout-Gestaltung war eine Erhöhung der Flächenproduktivität um knapp 43 % möglich. Durch den Einzelstückfluss (One-piece-flow) wurde nun nur ein Produkt pro Station bearbeitet und danach sofort an die nächste übergeben. So waren, im Gegensatz zum Ausgangszustand, keine Puffer zwischen den einzelnen Stationen mehr notwendig. Neben der sich aus diesem Montageprinzip ergebenden höheren Produktqualität hatte dies natürlich auch Auswirkungen auf den Umlaufbestand in der Linie. Dieser sank von 230 auf etwa 15 Stück, also um rund 93 %.
Mit dem Projekt konnte nicht nur die Zukunft des Standorts Kecskemet gesichert werden. Durch die intensive Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern vor Ort und deren Einbindung in das Projekt wurden die Beschäftigten für Optimierungsthemen sensibilisiert und in den Methoden geschult. Somit lieferte das Projekt auch über die aktuelle Verbesserung hinaus einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.
  • Dipl.-Ing. Roman Cucek Montageexperte und Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart
  • Dipl.-Ing. Michael Lickefett, Abteilungsleiter Fabrikplanung und Produktionsoptimierung am Fraunhofer-IPA
Industrieanzeiger
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