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Nun lassen sich unrunde Profile völlig frei biegen

Profilbiegen: Komplexe Querschnitte räumlich formen
Nun lassen sich unrunde Profile völlig frei biegen

Mit dem TSS-Biegesystem lassen sich beliebige Profile torsionsfrei räumlich formen. Das von Forschern der Technischen Universität Dortmund entwickelte Verfahren steht kurz vor der Serienreife.

Nicht kreisförmige Profile völlig frei in drei Dimensionen zu formen – das ermöglicht der TSS genannte Prototyp einer 3D-Rollenbiegemaschine. Torque Superposed Spatial Bending – oder auf deutsch: Torsionsmoment überlagertes räumliches Profilbiegen – heißt das Verfahren, das Forscher des Instituts für Umformtechnik und Leichtbau (IUL) der Technischen Universität Dortmund entwickelt haben, und das kurz vor der Serienreife steht. Interessant ist die Technik überall dort, wo nicht nur die hohe Flexibilität eines rollenbasierten Systems gefragt ist, sondern auch eine hohe Konturgüte und Verarbeitungsqualität. Anwendungsfelder sieht Matthias Hermes beispielsweise im allgemeinen Maschinenbau, im Anlagenbau, in der Luftfahrt- oder der Automobilindustrie sowie in den Bereichen Möbelfertigung und Architektur. Hermes ist Wissenschaftlicher Angestellter für Biegetechnik am IUL.

Als entscheidende Vorteile sieht der Wissenschaftler die Regelbarkeit des Verfahrens durch die kinematische Erzeugung der Biegekontur und die gute Führung des Profilquerschnitts. Der rollenbasierte Vorschub reduziert im Vergleich zu Booster-Systemen die Gefahr des Ausknickens der Profile. Außerdem lassen sich auch extrem lange Profile verarbeiten. Das wiederum ermöglicht die integrierte Fertigung gebogener Materialien direkt aus dem Walzprofilierprozess heraus.
Wie das Biegesystem funktioniert, ist in der Prinzipskizze rechts dargestellt. Es besteht aus einer rollenbasierten Vorschubeinheit, die schwenkbar aufgehängt ist. Der Biegeradius ergibt sich durch die Zustellung der X-Achse, auf der der Biegekopf montiert ist. Er umschließt und führt das Profil. Um ein Rohr räumlich zu formen, werden gleichzeitig die Schwenkachsen w1 und w2 verdreht. Dadurch ist es möglich, dem Biegeprozess ein kontinuierliches Torsionsmoment zu überlagern. Dass das Profil während des Prozesses um den Flächenschwerpunkt seines Querschnitts gedreht wird, ist besonders beim Biegen von unsymmetrischen Profilen von Bedeutung, weil sich so das typische Verdrehen des Querschnitts vermeiden lässt. Ein weiterer Vorteil: Mit dem Verfahren ist es möglich, die Rückfederung der Profile teilweise zu kompensieren. Und das wiederum vereinfacht die Prozessplanung.
Die prinzipielle Verfahrensidee stammt aus dem Jahr 2005. Damals arbeitete Hermes am IUL unter Institutsleiter Prof. Matthias Kleiner an seiner Diplomarbeit. „Richtig los ging´s dann aber erst 2007 unter der Leitung von Prof. A. Erman Tekkaya mit den Voruntersuchungen“, erinnert sich der Ingenieur. Den aktuellen Stand beschreibt er so: „Der Prototyp ist fertig. Derzeit erarbeiten wir die für die Prozessplanung erforderlichen Parameter.“ Diese Daten seien jedoch für räumliche Prozesse nicht einfach zu ermitteln. „Die Maschine und ihre Funktion lassen sich zwar gut simulieren, nicht jedoch die profilspezifischen Werkstoffparameter.“ Letztere werden deshalb in praktischen Versuchen ermittelt und fließen dann wieder in die Simulation ein. Das Ziel: Mit Hilfe FEM-basierter analytischer und experimentell verifizierter Modelle sowie einer CAD/CAM-ähnlichen Kinematiksimulation soll es bereits beim ersten Biegeversuch möglich sein, ein nahezu maßhaltiges Teil zu fertigen oder die Grenzen des biegetechnisch Möglichen bereits im Vorfeld abzuschätzen.
Die Dortmunder Forscher sind derzeit mit mehreren Interessenten im Gespräch. „Eine industriell nutzbare Maschine wird sicher anders aussehen als unser Prototyp“, gibt Matthias Hermes zu bedenken. „Sobald wir mit einem Partner einig geworden sind und eine konkrete Anwendung dahinter steht, können Verfahren und Maschine jedoch sehr schnell zur Serienreife gebracht werden.“
Ein Highlight des TSS-Biegers ist die konstruktive Umsetzung der für den Biegeprozess erforderlichen Schwenk- und Tangentialausgleichsachsen. Da angesichts der hohen Prozesskräfte Verformungen der Maschinenelemente nicht zu verhindern sind, haben die Entwickler auf Bronzelagerungen der Schwenkachsen verzichtet. Rollenlager schieden bei einem Durchmesser von 850 mm aufgrund der hohen Kosten ebenfalls aus. Die Lösung für die Schwenkachse w1 fand Hermes in einem segmentierten, lünettenartigen Lager, dessen Einzelelemente aus Kunststoff-Vollmaterial bestehen. Auch die Schwenkachse w2 und die Tangentialausgleichsachse t sind in Polymerbuchsen gelagert. Kennzeichen aller Lagerelemente sind hohe Funktionsgüten und Steifigkeiten sowie gute Gleiteigenschaften. Die Polymerlagerungen sind nicht nur robuster, sie können auch lokale Belastungsmaxima ausgleichen und sind preiswerter. Für diese Lösung wurde Hermes mit dem manus-Award 2009 (Kasten) ausgezeichnet.

Innovationspreis manus
Für den innovativen Einsatz von Kunststoff als Gleitlagermaterial in der 3D-Profilbiegemaschine TSS wurde Matthias Hermes vom IUL der Universität Dortmund mit dem manus-Award 2009 ausgezeichnet. Der Wettbewerb ist eine Gemeinschaftsinitiative des Kunststoff-Entwicklers und Lagerspezialisten Igus GmbH, Köln, dem Industrieanzeiger und wissenschaftlichen Partnern wie dem Institut für Verbundwerkstoffe, Kaiserslautern, und der Fachhochschule Köln. Gesucht werden mutige Anwendungen auf der Basis schmiermittel- und wartungsfreier Polymerlager-Anwendungen, die zu technischen Verbesserungen beziehungsweise Kostensenkungen führen.
Weitere Informationen: www.manus-wettbewerb.de
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