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Schaufeln backen

Die neue Produktionswelt formt Teile additiv statt subtraktiv
Schaufeln backen

Technologietransfer | In der Turbinenherstellung wie in der Lasertechnik eröffnen sich Entwicklungspoten-ziale, die allgemein ein neues Konstruktionsdenken ermöglichen. Aachener Projekte zeigen den Weg.

Herbert Joka Freier Journalist in Aachen

Das Ideal einer Konstruktion ist es, nur so viel Werkstoff einzusetzen, wie für die Erfüllung des Zwecks erforderlich ist – Sicherheitsfaktoren inklusive. Alles andere verschwendet Ressourcen und somit Geld.
Kein Wunder, dass Additive Manufacturing mehr und mehr in die Turbinentechnik einzieht. Die Lasertechnik operiert dabei mit 5 Mikron messenden Pulvermetallen und die Industrie 4.0 führt zur effektiven Durchgängigkeit betrieblicher Produktion. Es ist also keine Science Fiction mehr, sich hochbelastbare Turbinenbauteile wie Schaufeln gewissermaßen „zu backen“.
Fassbar wurde diese Entwicklung auf der diesjährigen, dritten Tagung über die Herstellung von Turbinen, der ICTM, veranstaltet von den Fraunhofer-Instituten für Produktionstechnologie (IPT) und Lasertechnik( ILT) im Frühjahr in Aachen.
So wurde unter anderem das Entwicklungsprojekt „Additive Manufacturing of a Compressor Blade of Inconel 718 Solid Wire“ von IPT-Forscher Nils Klingbeil vorgestellt. Hierbei geht es darum, die Lebensdauer von Schaufeln zu verlängern. Dies erfolgt, indem per Auftragsschweißung der drahtförmige Werkstoff auf dem Substrat aufgebaut wird. Mittels des integrierten CAM-basierten Systems und einer 5-Achsen-Werkzeugmaschine sowie dem abschließenden Finish können die Kompressorenschaufeln regulär eingesetzt werden.
Wie bei einer Stafetten-Übergabe passt hierzu das Projekt der Physikerin Judith Kumstel vom Fraunhofer ILT, das auf dem Ultrafast Laser Technology Workshop des ILT im April in Alsdorf bei Aachen vorgestellt wurde. Das Kooperationsprojekt, das mit der Maschinenfabrik Arnold und S&F-Systemtechnik realisiert wurde, konnte nachweisen, dass auch geometrisch komplizierte Freiformoberflächen von Schaufeln aus Inconel 718 oder auch Ti6Al4V-Stahl oberflächentechnisch wirksam bearbeitet werden können.
Bei der Politur von 3D-Freiformflächen durch Laserstrahlung macht man sich die Oberflächenspannung des Materials zu Nutze. Vereinfacht gesagt, wird eine dünne Oberflächenschicht erschmolzen, die sich dann von den Erhebungen ausgleichend in die Täler der Oberfläche verteilt und letztlich durch die Oberflächenspannung „glattestmöglich“ erstarrt. Dieses Projekt lässt bei der Verzahnung von Additive Manufacturing mit der Lasertechnik erahnen, welche konstruktiven Freiheiten gewonnen werden, die zukünftig Eingang in verschiedenste Konstruktionen finden können. Möglich wird diese im wahrsten Sinne des Wortes „grenzwertige“ Nutzung der Mechanismen dadurch, dass die Höchstleistungslasertechnik rasante Fortschritte macht. Dabei ist es die Kunst, Physik und Technik konstruktiv zu industrietauglichen Systemen zu verschmelzen. Für den typischen Fertigungsingenieur, gewöhnt an spanabhebende Verfahren, öffnet sich sicherlich eine neue Welt, zu der Vertrauen aufgebaut werden muss. Auch der Konstrukteur wird sich gedanklich umstellen. Gilt es doch, die spätere Teileentstehung eben additiv und nicht subtraktiv zu verinnerlichen.
Diese Laser-Liga arbeitet im Bereich der Piko- oder Femtosekunden. Hinzu kommt: Wird dort von „Optiken“ gesprochen, handelt es sich um Systeme mit unzähligen optischen Komponenten, mehrfach gefalteten Strahlengängen, die wellenlängengenau justiert sein müssen, kohärent sind, Linsen aus Spezialglas benötigen und mit optischen Beschichtungen versehen sind, die spektral engstbandig definiert sind. Strahlengänge von Optiken werden in Bezug auf Wellenfronten berechnet, sei es reflektiv oder transmissiv. Es ist ein Spielfeld der Technischen Optik.
Bereits der Titel des ILT-Workshops „Next Generation Ultrafast – Fiber Lasers for Micro Machining and Advanced Imagiging“, macht deutlich, von welcher Produktionswelt hier die Rede ist. Und in welchen Dimensionen in dieser Disziplin gedacht und gearbeitet wird. So werden beim Standardkonzept im Bereich der Mikrobearbeitung Piko- oder Femtosekundenlaserquellen mit Verstärkern gekoppelt. Das erlaubt es, im Bereich des 3D-Prototyping Oberflächen auf µm-Ebene realisieren zu können.
Was das physikalisch bedeutet, zeigen technische Entwicklungen der Life Sciences. Mit deren Systemen lassen sich lebende Zellen untersuchen, was eine Ahnung von den Strahlungsparametern gibt. Gleichermaßen finden die Systeme auch in der Materialprüfung im THz-Bereich Anwendung. Am Laser Zentrum Hannover entwickelt man mittlerweile Dünnschichtfilme auf nicht gekrümmten Ebenen, die als Sensorschichten fungieren und selbst in aggressiver Umgebung und bei hohen Temperaturen zuverlässig funktionieren.
Die Welt der Lasersysteme hat sich zu einem Kaleidoskop von Werkzeugen in der Produktion und Messtechnik entwickelt, bei der eher die Frage im Raum steht, wie ein Werkstück bearbeitet werden soll und eigentlich gar nicht mehr, ob man es überhaupt mit Lasern bearbeiten kann.
Für Konstrukteure heißt das, kohärentes Licht neben Schneidplatten, Bohrern oder Schleifscheiben als Werkzeug bei der Konstruktion zu verinnerlichen. Aber auch, Produkte geometrisch verstärkt „bionisch zu denken“, sprich, dem Kraftfluss entsprechend, das Material aufzubauen und so auch die Gestalt zu verändern. Oder sich die Turbinenschaufel gedanklich vorstellen als die Summe physischer, infinitesimaler Punkte, die enger angelegt an die theoretische Gestaltung sein kann, als bei gespanten Bauteilen.
Die Ideen, Werkzeuge und Mittel stehen im Wesentlichen zur Verfügung. Was jetzt erforderlich ist, das ist die Bereitschaft, etwas mit Courage und Mitteln ans Werk zu gehen. Sich vorzustellen, wie ein bekanntes Produkt aussehen könnte, wenn es mit tatsächlich hochtechnologischen Werkzeugen realisiert werden würde – Additiv Manufacturing, Lasertechnologie, Werkstoffe und Industrie 4.0 mutig und zukunftsorientiert durchzudeklinieren. •
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