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Tür zum Leichtbau weit aufgestoßen

Werkstofftechnik: Bahnbrechende Aluminiumtechnologie erobert den Automobilbau
Tür zum Leichtbau weit aufgestoßen

Der Mangel an Eigenschaftskombinationen hatte den Einsatz des leichten Aluminiums in der Karosserie bisher behindert. Eine neue Technologie beseitigt jetzt dieses Handycap und ermöglicht vielfältige Kombinationen. Dem Leichtbau mit Aluminium eröffnet dies neue Perspektiven. Das Interesse der Automobilbauer ist geweckt.

Leichtbau! Das ist die Herausforderung, die Forscher und Entwickler vor allem in der Automobilindustrie zu Höchstleistungen antreibt. Denn es gilt, Spritverbrauch und CO2-Emission zu reduzieren, um künftig Ressourcen und Umwelt zu schonen. Der Einsatz des leichten Aluminiums – vor allem von Audi vorangetrieben – hat die Stahlfraktion nicht ruhen lassen. Sie hat neue Legierungen und Verarbeitungsmethoden in einem Tempo entwickelt, das vorher kaum denkbar gewesen wäre. Doch bei allen Vorteilen, die Stahl für das Automobil zu bieten hat, bleibt das Gewicht deutlich über dem anderer Werkstoffe. Aluminium, Magnesium oder faserverstärkte Kunststoffe mit wesentlich geringeren spezifischen Gewichten könnten da weiterhelfen.

Gegen einen Einsatz von Magnesium und faserverstärkten Kunststoffen sprechen jedoch zumindest in Serienfahrzeugen bestimmte Eigenschaften. „Magnesium hat nicht den besten Stand in der Karosserie“, sagt Heinrich Timm, Leiter des Aluminium- und Leichtbau-Zentrums bei Audi in Neckarsulm. „So gerne ich Magnesium einsetzen würde, ist die Außenhaut wegen der Korrosionsprobleme nicht der richtige Einsatzbereich.“ Und der Einsatz von CFK „scheitert derzeit daran, dass Kohlefaser und Harze noch zu teuer sind, und es fehlen noch automatisierte Prozesse für die Verarbeitung“, weiß der Leichtbau-Spezialist.
Dagegen hat Aluminium seine Feuertaufe schon lange hinter sich und findet vielfältigen Einsatz im Automobil. Doch die geforderten Eigenschaften Festigkeit, Formbarkeit, Oberflächenbeschaffenheit und Korrosionswiderstand ließen sich bisher nicht in einer Legierung vereinen. Mit einer neuen Technologie macht jetzt Novelis, der weltweit führende Hersteller von Aluminium-Walzerzeugnissen, derartige Kombinationen möglich. „The new aluminium“ – so nennt Novelis sein innovatives, mehrschichtiges Material – kombiniert die Eigenschaften von zwei oder mehr Aluminium-Legierungen. Mit dieser Fusion-Technologie stoßen die Aluminium-Spezialisten die Tür zum Leichtbau der Zukunft weit auf. Der Kombination von Legierungen sind durch das innovative Gießverfahren so gut wie keine Grenzen gesetzt. „Die einzige Grenze ist Ihre Vorstellungskraft“, wirbt der Hersteller.
Das der Fusion-Technologie zugrunde liegende Prinzip ist einfach: Zwei oder drei Aluminiumschichten werden gleichzeitig zu einem Barren vergossen. Dieser Barren besitzt einen Kern und zwei äußere Schichten. Ist er erstarrt, wird er zu Blech gewalzt. Das Verfahren schafft bereits in der flüssigen Metallphase eine perfekte metallurgische Verbindung zwischen den Legierungsschichten. Mit Hilfe der unterschiedlichen Schichten lassen sich die vom Kunden jeweils geforderten Eigenschaften realisieren. So entstehen Materialeigenschaften, die vorher für unvereinbar gehalten wurden: Geringes Gewicht bei erstaunlich hoher Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit in Kombination mit Festigkeit, ausgezeichnete Formbarkeit bei äußerst ansprechender Oberflächenbeschaffenheit sichtbarer Komponenten, Beulwiderstand und attraktives Aussehen.
Der neue 7er BMW – seit Februar auf dem Markt – ist das erste Großserienfahrzeug, bei dem Novelis-Fusion für die Innenbleche der vier Türen zum Einsatz kommt. Türen aus Aluminium sind aufgrund der hohen Anforderungen immer noch die Ausnahme. Da jedoch rund 20 % des Gesamtgewichts eines Karosserierohbaus auf die Türen entfallen, liegt hier ein beträchtliches Potenzial zur Gewichtsreduzierung. BMW ist durch den Einsatz des neuen Materials in der Lage, die Innenstruktur der Tür mit integriertem Fensterrahmen in einem Stück zu fertigen. Und dies in einem Design, das mit konventionellen Aluminiumblechen undenkbar gewesen wäre. Denn die eingesetzte Legierungskombination bietet ein hohes Umformvermögen kombiniert mit einer überlegenen Korrosionsbeständigkeit, eine Kombination, die bislang nicht verfügbar war.
Auch die Avantgardisten des Karosserie-Leichtbaus mit Aluminium bei Audi haben sich längst zu Anwendungen der Fusion-Bleche entschieden. „Bei dem Dreischichtblech besteht die Möglichkeit, hohe Festigkeiten und gleichzeitig gute Tiefzieheigenschaften sowie gute Oberflächen in Aluminium zu erreichen“, analysiert Audis Leichtbauspezialist Heinrich Timm. Und Mark White, Design Manager Body-in-White bei Jaguar, meint: „Für mich ist Novelis Fusion der nächste logische Schritt bei der Eroberung der Automobilindustrie mit Aluminium.“
Für die Fertigung des neuen Aluminiums hat Novelis im schweizerischen Sierre (Wallis) Mitte 2008 eine neue Gießerei in Betrieb genommen. Sie wird künftig den europäischen Markt mit Novelis-Fusion versorgen und ergänzt die bereits existierenden Produktionsstätten in Nordamerika und Asien. In Sierre können jährlich 130 000 t des neuen Aluminiums hergestellt werden.
Dr. Rolf Langbein Fachjournalist in Rottenburg
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