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Vom Wirken in Graden zur Gesamteffizienz

Pumpenantriebe: Nur Systemansatz führt zum Ziel
Vom Wirken in Graden zur Gesamteffizienz

Drehzahlgeregelte Pumpenantriebe können den Energieverbrauch erheblich senken – abhängig vom jeweiligen Lastprofil. Vor dem Blick auf einzelne Komponenten wie Pumpe und Motor muss aber die Analyse des Gesamtsystems stehen.

Wer sich dem Themenkomplex Wirkungsgrad und Energieeffizienz in Pumpanwendungen nähert, läuft schnell Gefahr, zwischen Begriffen wie Effizienz-Klassen und Proportionaldruckregelung den Überblick zu verlieren. Zudem lohnt sich nicht zwangsläufig eine Drehzahlregelung, obgleich ihr Potenzial in der Mehrzahl der Fälle erheblich ist. Entscheidend ist es, die jeweilige Anwendung vorab genau zu analysieren, um anhand des konkreten Lastprofils die sinnvollen Maßnahmen zu bestimmen, mit denen sich der Energieverbrauch senken lässt. So lautet die einhellige Empfehlung der sechs Unternehmen, die dem Industrieanzeiger Auskunft zu diesem Thema gaben. Dies waren als Pumpenspezialisten die Erkrather Grundfos GmbH, die KSB AG aus Frankenthal und Wilo SE aus Dortmund. Hinzu kamen die Bosch Rexroth AG aus Lohr/M., die Kaarster Parker Hannifin GmbH und die Siemens AG in Nürnberg. Vorweg sei darauf hingewiesen, dass sich – trotz prinzipiell gleicher Empfehlung – verschiedene Anwendungen, wie Wasserversorgung oder Industriehydraulik, nur bedingt vergleichen lassen.

Warum der Blick zunächst immer auf das Gesamtsystem zu richten ist, erläutert Daniel Gontermann, bei KSB Leiter Competence Center Automation. „In einer Heizungsanlage benötigt man beispielsweise die meiste Energie, um die Rohrleitungsverluste zu überwinden.“ Rechne man diese in einen Wirkungsgrad um, liege dieser im Mittel unter 50 %, in Extremfällen noch deutlich darunter. „Es lohnt sich also, zunächst die Leitungen zu optimieren, bevor man sich den Wirkungsgraden einzelner Komponenten zuwendet.“ Auch ein weiteres Problem lässt sich anhand einer Heizungsanlage leicht verstehen. „Allein die Kombination aus drehzahlgeregelter Umwälzpumpe und Thermostatventilen an den Heizkörpern reicht noch nicht aus“, so Gontermann weiter. Gehe die Heizung auf Nachtabsenkung, würden die Ventile öffnen – was die Pumpe als Signal verstehe, den Förderstrom zu erhöhen. „Will man verhindern, dass die Pumpe die Nacht über voll durchläuft, muss die Regelung reagieren.“ Wie andere Anbieter auch, empfiehlt KSB deswegen bei der Auslegung von Pumpsystemen ein vierstufiges Vorgehen:
1. Analyse des Lastprofils und der Gesamt-
anwendung
2. Ermitteln einer bedarfsorientierten Fahr
weise (etwa Drehzahlregelung) mit ge-
eigneten Regelprinzipien
3. Auslegung der Pumpe auf den Arbeits-
punkt (Abdrehen des Laufprofils); vor
allem dann, wenn sich der Arbeitspunkt
nur wenig verändert
4. Einsatz effizienterer Komponenten, etwa
Energiesparmotoren
„Wichtig ist es, die Punkte in der genannten Reihenfolge abzuarbeiten“, betont Daniel Gontermann. Das größte Potenzial lasse sich zu Beginn heben.
Der Aufwand für den Systemansatz lohnt sich. „Bei einer Druckerhöhungsanlage entfallen 85 Prozent der gesamten Betriebskosten allein auf die Energiekosten“, berichtet Rainer Schmitz, bei Grundfos Produktmanager Druckerhöhung, Dosierung/Desinfektion und Wasserversorgung. „Ein optimal ausgelegtes Gesamtsystem und innovative Steuerungsoptionen senken die Betriebskosten erheblich.“ Welche Rolle die Steuerungsoptionen spielen (siehe Punkt 2: bedarfsorientierte Fahrweise), zeigt das Beispiel der Wasserversorgung besonders anschaulich. Befinden sich in einem Versorgungsgebiet industrielle Abnehmer, wird an den Wochenenden nur wenig Wasser benötigt. Durch den geringeren Volumenstrom reduzieren sich die Druckverluste in den Rohrleitungen – proportional zum Quadrat des Volumenstroms. Mit anderen Worten: Um den gleichen Netzdruck beim Verbraucher zu erzeugen, genügt dann ein niedrigerer Sollwert an den Pumpen. „Speziell bei langen Zubringerleitungen macht deshalb die Proportionaldruckregelung Sinn“, erläutert Schmitz. „Dabei wird der Sollwert der Anlage mit dem Volumenstrom geführt – der Energieverbrauch sinkt deutlich.“ Man könne sogar auf einen externen Volumenstrommesser verzichten, fährt der Grundfos-Mitarbeiter fort. Denn bei modernen Anlagen lasse sich der Volumenstrom über eine hinterlegte Pumpenkennliniendatei rechnerisch ermitteln.
Sowohl bei den bislang genannten Beispielen Heizungsanlage und Wasserversorgung empfiehlt sich natürlich die Drehzahlregelung im Sinne einer bedarfsorientierten Fahrweise. „Sie amortisiert sich darüber hinaus insbesondere bei variablen Lastprofilen am schnellsten“, sagt Karsten Schoo, Produktmanager für elektronisch geregelte Trockenläuferpumpen bei Wilo. Der konkrete ökonomische Nutzen ließe sich durch eine Analyse der Lebenszykluskosten ermitteln (siehe Kasten). „Eine besondere Herausforderung besteht darin, sowohl im Nenn- als auch im Teillastbereich stets den optimalen Motorwirkungsgrad sicherzustellen“, so Schoo weiter. Die Dortmunder haben deshalb sowohl für ihre elektronisch geregelten Niederdruck- als auch Hochdruck-Kreiselpumpen die sogenannte FOC-Technologie (Field Orientated Control) entwickelt. Die darauf aufbauende integrierte 400-V-Frequenzumformerfamilie für Leistungen zwischen 0,55 und 22 kW ermögliche es, durch Hinterlegung des Motormodells alle inneren Zustandsgrößen des Motors online zu berechnen. „Die Pumpendrehzahl wird dabei bis auf wenige Umdrehungen pro Minute genau geregelt.“ Zugleich erlaube die laufende Erfassung des Pumpen-Betriebspunkts über ein Pumpenmonitoring die Vermeidung energetisch und pumpentechnisch ungünstiger Zustände, betont der Wilo-Mitarbeiter. „Diese wirkungsgradoptimale Ansteuerung des Pumpenmotors innerhalb des gesamten hydraulischen Arbeitsbereiches leistet erhebliche Beiträge zur Energieeinsparung.“
Voraussetzung für die Überwachung eines optimalen Betriebspunktes sei es aber, kontinuierlich den Pumpendruck zu erfassen und mit Hilfe von hinterlegten Pumpenkennlinien den Durchfluss zu berechnen, fährt Karsten Schoo fort. „Würde die Pumpe etwa bei hohem Druck und gleichzeitig geringem Durchfluss betrieben, könnten unzulässige Medientemperaturen und Rezirkulationen im Pumpengehäuse auftreten.“ Dies lasse sich per Software verhindern.
Auch ein Blick auf die Antriebstechnik bei Maschinen und Anlagen – beispielsweise hydraulische Antriebe – zeigt, dass die Drehzahlregelung Potenzial hat, ihr Einsatz aber wohl überlegt sein muss. „Die Frage, ob und welche Form der Drehzahlregelung anzuwenden ist, hängt stark von der jeweiligen Maschine und den darauf gefahrenen Mengen- und Druckprofilen ab“, erläutert Karsten Müller vom Anwendungszentrum Kunststoff- und Druckgießmaschinen der Bosch Rexroth AG. Je länger die Zeiten im Teillastbereich mit geringer Drehzahl oder Drehzahl Null seien, desto größer werde das Sparpotenzial. „Durch die geeignete Kombination von Hydraulikpumpe, Elektromotor und Frequenzumrichter erreichen wir bei Werkzeugmaschinen oder Pressen Energieeinsparungen bis zu 70 Prozent; bei Druckgießmaschinen sogar über 80 Prozent.“
Analog zu den weiter oben beschriebenen Pumpen arbeiten auch die Hydrauliker daran, die Effizienz der Drehzahlregelung selbst zu verbessern. „Dies lässt sich erreichen, indem die Pumpe zu jedem Zeitpunkt des Prozesses in ihrem jeweils optimalen Drehzahlbereich betrieben wird“, berichtet Rainer Behrendt, bei Parker Hannifin Account Manager Material Forming. Hierzu sei eine spezielle Regelung notwendig, das Stichwort laute ‚optimale Energiewandlungsstrategie’.
Über diese Ansätze hinaus lohnt es sich dann – wie anfangs unter Punkt 4 genannt – einzelne Komponenten näher zu betrachten. „Mit einer Drehzahlregelung durch einen Frequenzumrichter lassen sich bis zu 70 Prozent der Energiekosten sparen“, sagt Stefan Rausch, Marketingmanager Großantriebe bei Siemens. „Dabei zeigen die Umrichter als Komponente sehr hohe Wirkungsgrade – um die 98 Prozent –, so dass ihre Verluste den Gesamtwirkungsgrad des Systems kaum beeinflussen.“ Bedeutsamer hingegen für das System sind die Motoren. „Mit energieeffizienteren Motoren, beispielsweise unserer Reihe 1LE1, lässt sich ein bis zu sieben Prozent höherer Wirkungsgrad im Vergleich zu Standardmotoren erzielen.“ Insbesondere beim Dauerbetrieb amortisiere sich der Mehrpreis oft innerhalb kurzer Zeit.
Potenzial ergebe sich zudem gerade aus dem Einsatz von Frequenzumrichtern, ergänzt KSB-Pumpenspezialist Daniel Gontermann. „Ist der Umrichter vorhanden, benötige ich die Selbstanlauffähigkeit der Asynchronmotoren am Netz nicht mehr und kann auf effizientere Technologien ausweichen, etwa permanentmagneterregte Synchronmotoren.“ Innerhalb der nächsten fünf Jahre sei hier sicher mit bahnbrechenden Neuerungen zu rechnen, so Gontermann weiter. Einen Ausblick ermöglichten die im letzten Jahr vorgestellten Wassernorm- und Umwälzpumpen der Varianten der ETA-PumpDrive-Familie bis 45 kW Antriebsleistung.
Auf den prinzipiell besseren Wirkungsgrad von Synchronmaschinen verweist auch Frank Fuchs, Gebietsverkaufsingenieur Machine Building & Packaging bei Parker Hannifin. „In Verbindung mit unserem Servoumrichter der Serie 650 S und einer hochwertigen Axialkolbenpumpe erreichen wir Einsparpotenziale, die bisher nicht möglich waren.“ Fuchs lenkt abschließend den Blick aber wieder auf das Gesamtsystem: „Sinnvollerweise betrachtet man bei Anlagen und Maschinen immer die gesamte Energiekette.“ Wirkungsgradarme Drosselsteuerungen, Verluste durch falsch dimensionierte hydraulische Komponenten oder Strömungsverluste seien immer ein Thema, auch bei der Optimierung vorhandener Systeme.
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen

Lebenszykluskosten berechnen
Um herauszufinden, ob eine Drehzahlregelung Sinn macht, empfiehlt sich eine Analyse der Lebenszykluskosten. Beim sogenannten LCC-Check von Wilo werden dazu die Investitions- und die Betriebskosten – wie etwa Energie- und Instandhaltungskosten – über den gesamten Lebenszyklus eines Pumpenaggregats betrachtet. Siemens bietet dafür Maschinenbauern und Anlagenbetreibern das Softwaretool SinaSave an, das ebenfalls Auskunft über Einsparpotenzial sowie Amortisationszeit von energieeffizienten Motoren sowie Frequenzumrichtern gibt. Auch bei diesem Tool fließen dazu das Lastprofil mit Volumenstrom, Fördermenge und -höhe sowie Betriebszeiten ein. Als Ergebnis erhält der Anwender eine Berechnung, die ihm das Einsparpotenzial gegenüber Regelmethoden ohne Frequenzumrichter aufzeigt. Nach Angaben von Siemens amortisiert sich die Investition in die Drehzahlregelung schon nach kurzer Zeit.

Kosteneffizienz
Effizientere Pumpen, Antriebsmotoren und die Drehzahlregelung kosten Geld. Wer nur investiert, wenn sich die Investition binnen zwei Jahren rechnet, sollte langfristiger denken. Im Schnitt machen die Energiekosten rund 85 % der Betriebskosten aus – demgegenüber spielen die Anschaffungskosten kaum eine Rolle.
Industrieanzeiger
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