Startseite » Technik » Entwicklung »

Weniger ist mehr – und durchaus machbar

Materialeffizienz: Mehr Profit durch cleveres Downsizing
Weniger ist mehr – und durchaus machbar

Deutsche Ingenieure sind Weltmeister im Entwickeln von komplexen Produkten mit anspruchsvollen Herstellprozessen – häufig auch mal zu viel des Guten und zu teuer. Mit gezieltem Vorgehen lassen sich die hohen Kosten senken.

Interne Richtlinien und Prüfvorschriften, einmalige Qualitäts-Hagelschläge, Perfektionismus und starke Design- und Marketingabteilungen treiben die Messlatte für Produktanforderungen immer höher – und damit die Komponentenkosten. Vertraute Zulieferer entwickeln sich mit und genießen ihre Monopolstellung. „Wir sind Qualitätsführer und haben anspruchsvolle Kunden“, heißt es dann. Aber dies ist eine Gratwanderung. Bis zu welcher Grenze ist der Kunde bereit dafür zu zahlen? Nimmt er die erhöhten Anforderungen überhaupt als Mehrwert wahr?

Zum anderen verteuern sich Kupfer, Nickel, Aluminium und andere Metalle und steigern ihrerseits die Komponentenpreise. Alternative Materialien oder neue Fertigungsverfahren können sich daher sehr lohnen.
GlobalSense in Traunstein hat im Rahmen vieler Projekte eine Vorgehensweise und Methoden entwickelt, um Materialkosten in Industrieunternehmen nachhaltig zu senken (Referenzen siehe Homepage*). Gegründet wurde das Beratungsunternehmen 2008 vom Autor dieses Artikels, basierend auf 17 Jahren Industrieerfahrung – die letzten sechs Jahre mit der Verantwortung, bei Bosch und Siemens Hausgeräte über 1 Mrd. Euro Materialkosten zu senken.
Wichtig für jedes Projekt ist, dass die Unternehmensleitung den Grundstein legt: Eine Zielsetzung von etwa 15 % Einsparung je Materialgruppe und der richtige Tenor. Denn zu gerne beschäftigt man sich lieber mit neuen Produkten oder Produktfeatures als damit, die aktuelle Produktreihe günstiger zu machen. Neben der Bedeutung des Projekts für das Unternehmen sollte auch klar kommuniziert werden, dass die Bereitschaft besteht, heilige Kühe zu schlachten. Bereits in der Vergangenheit abgelehnte Vorschläge können wieder auf den Tisch gebracht werden, wenn die Mitarbeiter davon überzeugt sind. Dies lässt sich im Rahmen eines allgemeinen Kick-off-Treffens gut kommunizieren. Offenheit und Veränderungswille sollte für die Mitarbeiter klar erkennbar werden. Ebenso sollte die Unternehmensleitung die Unterstützung der Teams bei schwer bewertbaren Punkten wie Kundenwahrnehmung oder Qualitätsrisiken signalisieren.
Operativ werden zunächst die einzelnen Teile und Komponenten in Materialgruppen eingeteilt und die A-Materialgruppen nach Einkaufsvolumen priorisiert. So kommen 80 % des Endproduktwertes unter die Lupe. Pro selektierter Materialgruppe finden zwei Workshops statt, zu der die betroffenen Experten eingeladen werden: Entwickler, Einkäufer, Qualitäts- und Laborverantwortliche. Falls sinnvoll, kann das Team je nach Materialgruppe durch die Montage- und Logistikzuständigen ergänzt werden. In manchen Fällen ist es sinnvoll, Lieferanten einzubeziehen oder zumindest deren Kostensenkungsideen im Vorfeld abzugreifen.
Ziel des ersten Workshops ist es, Ideen zur Kostenreduzierung für die betrachtete Materialgruppe zu generieren. Dazu gehören repräsentative Teile zum Anfassen und Diskutieren auf den Tisch. Auch Teile der Wettbewerber können hilfreich sein. Des Weiteren sollten die aktuellen Spezifikationen und Prüfvorschriften auf den Prüfstand kommen. „Muss die Beschichtung so dick sein? Braucht man wirklich so viele Zyklen beim Lebensdauertest? Lässt sich für diese Komponente nicht eine Standardlösung vom Markt oder ein alternatives Material einsetzen?“, sind typische Fragestellungen, die diskutiert werden. Dazu schätzt man grob ab, welche Einsparungen sich erreichen lassen (betroffene Stückzahl mal Kostendifferenz), wie lange die Umsetzung dauert (inklusive aller Prüfungen) und wie hoch in etwa die Wahrscheinlichkeit der Umsetzung ist.
Als „Hausaufgabe“ nach dem Workshop verifizieren einzelne Mitarbeiter diese Punkte und erledigen offene Aufgaben wie etwa Nachfragen bei Lieferanten (beispielsweise nach dem Preis für eine andere Oberflächengüte). Im Blick auf die Materialkostensenkung ist es sehr hilfreich, gewisse Teileanforderungen mit einem Preiszettel zu versehen, auf deren Basis man später mit Marketing, Vertrieb oder der Unternehmensleitung diskutieren kann. „Wir könnten mit einer geringeren Oberflächengüte jährlich 150 000 Euro sparen“ ist ein wirkungsvolleres Argument als „das macht das Teile sehr teuer“.
So ist auch zu überlegen, in welchem Rahmen solche Punkte mit Marketing, Vertrieb und/oder Unternehmensleitung diskutiert werden sollten. Oftmals geht es darum, unternehmerische Risiken bewusst einzugehen, die dann aber sehr hohe Einsparungen mit sich bringen können. Risiken müssen gemeinsam getragen werden. Diese lassen sich auch minimieren, indem zum Beispiel eine geänderte Komponente zunächst nur in einer Produktlinie eingesetzt und daraus Erfahrungen gesammelt werden.
Workshop II verfestigt die Maßnahmen. Das Team trägt die Ergebnisse der „Hausaufgaben“ zusammen und verabschiedet sie gemeinsam. Letztendlich werden Maßnahmenblätter für diejenigen Maßnahmen erarbeitet, die relativ hohe Einsparungen bei zumindest guter Realisierungswahrscheinlichkeit versprechen. Sie beschreiben, wer mitarbeiten müsste, wer Maßnahmenverantwortlicher ist, welche Meilensteine es bei der Umsetzung gibt und wie diese terminiert sind.
Nach den Workshops werden alle Maßnahmen zu einer Gesamtübersicht zusammengefasst. Auf Basis der Implementierungsdaten der Maßnahmen und der Einsparbeträge weiß man, wann wieviel Gesamteinsparung wirksam wird. Jetzt folgt der wichtigste Teil: Die Steuerung der Umsetzung, um die Potenziale auch nachhaltig zu erschließen.
Auch hier gilt es, den Fokus zu bewahren und sich beim Projektmanagement auf 80 % der Summe der Einsparpotentiale zu konzentrieren. Dem Management kommt die Aufgabe zu, für klare Verantwortlichkeiten und genügend Ressourcen zum Umsetzen der Maßnahmen zu sorgen. Es ist wichtig, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und unternehmerische Entscheidungen zu forcieren. Der Steuerungsausschuss sollte sich monatlich treffen und neben dem aktuellen Stand des Gesamtüberblicks auch den Umsetzungsstand von ausgewählten Einzelmaßnahmen vom jeweiligen Team präsentieren lassen.
Mit dieser Vorgehensweise wird das Unternehmen fit für die Zukunft. In unseren Projekten erzielen wir nicht nur Kostenreduzierungen von 10 bis 20 % je Materialgruppe. Durch die Sensibilisierung fließen auch Ideen für Neuentwicklungen ein, bei denen die Wirksamkeit nochmals bedeutsam höher ist. Und die abgespeckten Anforderungen eröffnen die Tür für eine breitere Lieferantenzahl, so dass wieder mehr Wettbewerb entsteht und weitere Preissenkungen stattfinden: mehr Profit für das Unternehmen!
Dr. Thomas Hack Inhaber von GlobalSense in Traunstein

Kosteneffizienz
Ein Projekt für höhere Materialeffizienz sollte rund 80 % des Produktendwertes unter die Lupe nehmen. Darunter machen es die Berater von GlobalSense nicht. Denn sie haben drastische Kostensenkungen im Visier. Um diese zu erreichen, müssen alle betroffenen Bereiche im Unternehmen mitarbeiten. „Muss die Beschichtung so dick sein? Lässt sich für diese Komponente nicht eine Standardlösung einsetzen?“, sind typische Fragen dazu. Systematisch abgewogen und zielgerichtet umgesetzt führen sie zum Erfolg.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de