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Am Anfang interessierte nur der Preis

Schweisstechnik: Kranbauer Voith halbiert die Schweisszeiten
Am Anfang interessierte nur der Preis

Bis zu 60 m lange Nähte muss der Kranbauer Voith schweißen. Beim Kauf neuer Geräte orientierte er sich allein an den Kosten. Umso erstaunter waren seine Fachleute, was der neue Prozess ermöglichte: einen Arbeitsgang eingespart, die Schweißzeit halbiert.

Kaum ein Kran, der die 17 400 m² großen Fertigungshallen der Ing. A. Fritz Voith Ges.m.b.H. & Co. KG in Traun verlässt, gleicht dem anderen. Das Spektrum der Unikate: Winkel-, Portal- und Schwerlastkräne sowie Lastaufnahmen, Stapel-Teleskopkräne und Langgut-Kommissionieranlagen. Alles individuell geplante Gesamtlösungen vom Stahlbau bis zur Elektronik. Eindrucksvolles Beispiel für das Können der Österreicher ist der 2008 ausgelieferte, bisher schwerste von Voith hergestellte Kran mit 200 t Eigengewicht: Ein Zweiträger-Halbportalkran 40 t x 55 m mit 10 m Kragarm und Kabine auf der Laufkatze, der für die Voestalpine Schiene GmbH, Donawitz, bestimmt war.

Für die Hauptträger der zumeist überdimensionalen Kräne von Voith gibt es auf dem Markt keine fertigen Bleche. „Der erste Fertigungsschritt ist immer das Verbinden zweier ursprünglich zwölf Meter langen Bleche mit einer I-Stoß-Schweißnaht von Hand“, lässt Andreas Brunmair wissen, zuständiger Meister EWT (European Welding Technologist) für die schweißtechnischen Abläufe im Unternehmen. „Schon immer haben wir dafür das Metall-Aktivgas-Schweißen genutzt. Die flache, gut aussehende Decklage wurde dabei stets mit dem E-Hand-Verfahren gelegt. Seit wir auf das ForceArc-Verfahren von EWM umgestellt haben, erledigen wir damit auch die Decklage“, beschreibt er die Veränderungen bei Voith seit Einführung des Schweißverfahrens vor zwei Jahren. „Inzwischen haben wir erkannt, dass ForceArc uns Vorteile an weiteren Stellen in der Fertigung liefert“.
Geschäftsführer Lackner erklärt hierzu die Chronologie der Entscheidung für die Kombination aus Maschine und Verfahren, die von der EWM Hightech Welding GmbH, Mündersbach, bezogen wurde: „Wir waren davon überzeugt, dass neuzeitliche Stromquellen nahezu identische Schweißergebnisse liefern und daher austauschbar wären.“ So habe vordergründig nur der Kostenaspekt für die Phoenix-ForceArc-Stromquellen gesprochen, die Voith als Ersatz für die in die Jahre gekommenen alten Geräte auswählte. „Wenn man dabei nahezu 50 Prozent sparen kann, fällt die Wahl auch nicht schwer“, fährt Lackner fährt, „aber im Betrieb erfuhren wir, dass auch die Ersatz- wie Verschleißteile wesentlich kostengünstiger sind. Nach und nach erkannten wir, wie sich die neue Technologie noch effektiver nutzen lässt. Dabei konnten wir auf die Beratung durch die Gmundner EWM zählen.“ Zum Prozess selbst sagt er: „Konkurrierende Verfahren, wie zum Beispiel Time kennen wir sehr gut – hatten wir es doch in der Vergangenheit selbst genutzt. Für uns hat ForceArc jedoch wesentliche Vorteile: Das Verfahren ist mindestens so schnell und von der Handhabung her einfacher.“
Vor dem Hintergrund der Qualität, der sich das Unternehmen verpflichtet fühlt, bekommen diese Aussagen zusätzliches Gewicht. Hat sich Voith doch selbst das Erfüllen der Schweißnorm DIN EN 5817, Bewertungsgruppe B, auferlegt – obwohl der Kundenkreis dies nicht fordert.
Was der Geschäftsführer prägnant zusammenfasst, beschreibt Meister Brunmair detailliert: „Nachdem wir mit ForceArc positive Erfahrungen beim Schweißen von Hand sammeln konnten, haben wir auch unsere mechanisierte Schweißlinie umgestellt. Auf der Anlage fertigen wir die bis zu 60 Meter langen Nähte unserer Krankonstruktionen.“ Dabei seien sie mit den beiden Stromquellen vom Typ Phoenix 1000 RC Puls ForceArc in der Lage, zwei parallele Nähte gleichzeitig mit bis zu jeweils 1000 A zu schweißen. „Da die überlangen Nähte der Maschine bis zu 1 h Schweißzeit ohne Unterbrechung abverlangen, fahren wir mit Strömen von bis zu 450 Ampère für 100 Prozent Einschaltdauer.“
Bevor ForceArc zum dominierenden Standardverfahren in den Trauner Fertigungsstätten wurde, mussten in Konstruktion und Fertigung umgedacht und Veränderungen in die Wege geleitet werden. Zeichnet sich das Schweißverfahren doch durch neue Charakteristiken aus: Tiefschweißeffekt mit sehr schmalem Einbrandprofil. Darüber hinaus bietet es, bedingt durch hohen Plasmadruck, einen sehr richtungsstabilen Lichtbogen und vermeidet Einbrandkerben und Poren. Eigenschaften, die der dynamischen Momentanwert-Regelung der EWM-Inverter-Stromquellen zu verdanken sind.
Brunmair zur Nahtgeometrie: „Die bisher geltenden Normen schreiben für unsere Konstruktionen einen Öffnungswinkel der Schweißnaht von 60 Grad vor. Nach der Beratung durch den Gerätehersteller haben wir ihn auf bis zu 30 Grad reduzieren können.“ Mehr sei nicht nötig, das ForceArc-Verfahren erziele dabei mit einem freien Drahtende von bis zu 40 mm eine Nahtwurzel „besonderer Qualität“. Hier bringt der Meister die Wirtschaftlichkeit ins Spiel: „Weniger Öffnungswinkel bedeutet weniger Schweißvolumen.“ Bei der Begutachtung durch den TÜV zeigten sich die geschweißten Stücke als einwandfrei, es habe weder Einschlüsse noch schwächende Einbrandkerben gegeben.
„Damit war der Weg zum Einzug des Verfahrens in die Produktion frei“, berichtet Brunmair. „Von nun an sparten wir einen Arbeitsgang. Der tiefe Einbrand und die gute Regelbarkeit reichen aus, um mit jeweils nur einer Wurzel- und Decknaht hinzukommen. Auf unserer Schweißlinie haben wir die Meterleistung verdoppelt – von 60 Zentimetern auf 1,2 Meter pro Minute. Die reine Schweißzeit hat sich fast halbiert, da wir auch weniger Zwischenlagen benötigen und die Abschmelzleistung nun höher ist“.
Darüber hinaus weiß der Praktiker über weitere Vorzüge zu berichten, die in Traun bisher nicht bekannt waren: „Der intensive ForceArc-Lichtbogen schmilzt sogar jegliche Verunreinigung aus dem Schweißbad. Dadurch ersparen wir uns das Herausschleifen eventueller Verunreinigungen mit der Flex, wozu wir bisher den Schweißvorgang unterbrechen mussten.“
Der Vollständigkeit halber führt Brunmair die Liste der wirtschaftlichen Aspekte fort: „Alle Ersatzteile sind um 30 Prozent günstiger als das, was wir bisher kannten. Auch die Schlauchpakete sind günstiger und halten zudem länger.“ Und Geschäftsführer Lackner: „So gesehen sind wir von den Möglichkeiten der Kombination Phoenix/ForceArc überrascht, übertrifft sie doch die Versprechungen des Herstellers bei weitem.“
Besondere Wertschätzung gilt bei Voith den 15 versierten Schweißern, die von ihrem Produktionsmittel überzeugt sein müssen. Ihre Altgeräte beherrschten sie im Schlaf, daher standen sie der neuen Technologie auch skeptisch gegenüber: Sie erschien ihnen hoch kompliziert mit ihren Displays und diversen Einstellmöglichkeiten. Doch ihre Sicht hat sich geändert, wie Andreas Brunmair zu berichten weiß: „Wenn ich heute sagte, wir tauschen die EWM-Maschinen gegen ein Wettbewerbs-Produkt aus, schlüge mir aus den Reihen der Schweißer ein klares Nein entgegen.“ Dazu tragen auch vordergründig nebensächliche Umstände bei. So schweiße einer der erfahrenen Kräfte nahezu ein halbes Jahr mit ein und demselben Schlauchpaket. Zudem profitieren die Schweißer auch persönlich von den kürzeren Schweißzeiten und den nun überflüssigen Schleifarbeiten, denn sie bedeuten weniger Strahlung, Wärme, Rauch, Staub, Lärm.
Dieter Schnee Fachjournalist in Frankfurt/M.

Schweißprozess ForceArc

Anbieter EWM erklärt die Vorzüge der Verfahrensvariante ForceArc des Metall-Aktivgas-Schweißens so: Ihr Kennzeichen ist der „sehr kurze Sprühlichtbogen“ bei hoher Leistung und guten Schweißeigenschaften. Die Invertertechnologie und deren „hochdynamische Momentanwertregelung“ ermögliche das Ausregeln und somit Vermeiden von Kurzschlüssen, das passende Wiederzünden des Lichtbogens, eine schnelle Reaktion bei Lichtbogenlängenänderungen, einen fein- bis mitteltropfigen Werkstoffübergang und einen hohen Plasmadruck des Lichtbogens. Technische und wirtschaftliche Vorteile:
  • Besonders richtungsstabiler Lichtbogen
  • Stärker auf die Mitte konzentrierter Lichtbogen, dadurch kleinere Wärmeeinflusszone und weniger Werkstückverzug
  • Größerer Lichtbogendruck für tieferen Einbrand und sichere Wurzelerfassung
  • Keine Einbrandkerben

  • Kosteneffizienz
    Schweißen ist nicht gleich Schweißen. Das merkte der Kranbauer Voith, als er ältere durch neuere Stromquellen ersetzte. Wofür er sich aus reinen Preisgründen entschied, wie er mitteilt, half ihm zur Fertigungsrationalisierung: Für die überlangen Bleche reichten nun je eine Wurzel- und Decknaht. Die Schweißzeit halbierte sich, das Nachschleifen entfiel. Diese Erfahrung zeigt, dass es sich vor dem Kauf lohnt, die Prozesse im Blick auf die Anwendung genau zu vergleichen.
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