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Fertigung: Auch abseits der Digitalisierung gibt es viel Spannendes

AMB 2018: Fertigung
Auch abseits der digitalen Vernetzung gibt es viel Spannendes

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Auch wenn die Digitalisierung das große aktuelle Thema ist, die Werkzeugmaschinenbranche hat viel mehr zu bieten – von cleverer Automation über den Ausbau der Komplettbearbeitung bis hin zum Einbinden neuer Verfahren. ❧

Mona Willrett

Die digitale Vernetzung in der Fertigung ist nicht aufzuhalten. Sie ist auch auf der AMB 2018 das zentrale Thema. Und doch gibt es auch abseits der Digitalisierung Bereiche, die noch große Potenziale bergen, Prozesse zu optimieren. Potenziale, die gerade für die vielen kleinen und mittleren Zerspanungsbetriebe näher liegen als Bits und Bytes.

Viele Betriebe kämpfen schon länger mit einer hohen Auslastung. Gleichzeitig behindert der Mangel an geeigneten Fachkräften den Ausbau der Kapazitäten. Einen Weg aus diesem Dilemma biete die Automation, sagte Martin Engels kürzlich im Industrieanzeiger-Interview (http://hier.pro/ok6YK). „Mit ihrer Hilfe lassen sich sowohl die Prozessstabilität optimieren als auch die Fertigungskapazitäten erweitern“, so der Mazak-DACH-Chef. Wichtig sei dabei, die Module passend zum Teilespektrum zu wählen und nicht überzudimensionieren. Außerdem sollten die Kosten in einem gesunden Verhältnis zur Maschine stehen. Engels sieht die Potenziale gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen längst noch nicht ausgeschöpft. Folglich sei die Nachfrage derzeit enorm – und sie steige weiter rasant. Neben dem Abfedern des Fachkräftemangels durch mannlose oder zumindest mannarme Schichten, sieht er automatisierte Anlagen und die Mehrmaschinenbedienung auch als Chance, jungen Menschen einen spannenden und attraktiven Arbeitsplatz zu bieten und so dem Nachwuchsmangel entgegen zu wirken.

Automationslösungen bilden denn auch einen Messeschwerpunkt von Mazak (Halle 7, Stand C11) auf der AMB. Für zwei Maschinentypen gibt es fertige Systeme, bei denen das Zusammenspiel zwischen Maschine und Automation nach den Erfordernissen des Kunden in der Steuerung programmiert werden kann. Diese „Plug-and-play”-Lösungen können komplette Fertigungszellen sein, in denen das Beschicken mit Werkstücken und der Werkzeugwechsel über einen Knickarmroboter erfolgt oder über integrierte Palettenspeicher.

Dass enormer Zeit- und Kostendruck die Unternehmen dazu zwingt, ihre Prozesse immer effizienter zu gestalten, das sieht auch Thomas Marquardt, Leiter Automation bei Chiron (Halle 10, Stand A51) so. Er nennt einen weiteren Grund für den Einsatz durchgängiger Automations- und Steuerungskonzepte: „Sie erleichtern die Bedienung komplexer Systeme und unterstützen den Anwender intuitiv.“ Deshalb entwickle man aktuell eine modular aufgebaute, standardisierte Zellensteuerung für alle Automationszellen, die über eine durchgängige Benutzeroberfläche mit einheitlicher Hardware, Software, Visualisierung und Bedienung verfügen.

Und auch bei DMG Mori (Halle 10) ist die Automatisierung eine wichtige Säule der Zukunftsstrategie. Die intelligente Verknüpfung von Werkzeugmaschine und Automation ist einer der Schwerpunkte des Maschinenherstellers, so dass die Kunden ihre Lösung aus einer Hand erhalten. Auf der AMB präsentiert das japanisch-deutsche Unternehmen insgesamt 13 automatisierte Fertigungssysteme.

Um Kosten zu sparen und ihre Produkte in dokumentierter Qualität herstellen zu können, fordern Produktionsbetriebe von ihren Ausrüstern immer öfter Komplettlösungen. Werkzeugmaschinenhersteller liefern deshalb mittlerweile bis zu 80 % ihrer Maschinen mit entsprechender Peripherie aus. Wichtig ist, dass es für beide Module eine integrierte Steuerung gibt. Im Idealfall lässt sich die Peripherie durch einen Software-Befehl eines übergeordneten Systems auf neue Produkte einstellen

Wachsende Teilevarianz, schrumpfende Losgrößen und kürzere Produktlebenszyklen bei zunehmend komplexen Bauteilen – aus diesen Gründen setzt sich eine andere Entwicklung seit Jahren fort. Den Trend hin zur Komplettbearbeitung und die Tendenz, weitere Verfahren in eine Maschine zu integrieren, begründet Prof. Berend Denkena, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Universität Hannover und amtierender Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP), so: „Bauteile sollen möglichst in einer Maschine und von sechs Seiten fertig bearbeitet werden.“ So fänden zunehmend auch Schleiftechnologien Eingang in klassische Dreh- und Fräsmaschinen, um bestimmte Qualitäten überhaupt noch herstellen zu können. Das bestätigt Dr. Oliver Gossel, Vertriebsleiter bei Röders (Halle 7, Stand B78): „Wir sind mittlerweile sehr erfolgreich am Markt mit unseren Maschinen für die Fräs- und Schleifbearbeitung.“ Die Grenzen des Machbaren würden ständig weiter hinausgeschoben. Beispiele seien Oberflächengüten bis hin zur Glanzbearbeitung in Stahl und immer höhere Werkstückgenauigkeiten.

Auch additive Verfahren werden zunehmend als zusätzliche Technologie in klassische Werkzeugmaschinen integriert. Als DMG Mori vor etwa fünf Jahren auf der Messe Euromold ein Maschinenkonzept vorstellte, das – im Wechsel – sowohl aufbauend als auch zerspanend arbeiten konnte, war das Interesse der Kunden durchaus gegeben. Die Bereitschaft, in eine solche Anlage zu investieren, hielt sich damals hingegen in Grenzen. Ähnliche Erfahrungen machten andere Hersteller – etwa Mazak oder WFL –, die 2015 anlässlich der EMO in Mailand ebenfalls hybride Maschinenkonzepte vorstellten.

Der Zwang zu mehr Flexibilität und Agilität sowie die inzwischen in vielen Bereichen etablierte additive Fertigung metallischer Gebrauchtsteile könnte solche Kombinationsmaschinen künftig aber durchaus interessant werden lassen. Bei generativ aufgebauten Teilen müssen die Funktionsflächen spanend nachbearbeitet werden, oft gilt es, Stützstrukturen zu entfernen. Auf dem Weg Richtung Komplettbearbeitung bietet die Kombination dieser Verfahren beim passenden Teilespektrum durchaus Vorteile – auch hinsichtlich der Materialeffizienz.

Spannend wird zudem sein, wie sich die Einsatzfelder von Robotern künftig entwickeln werden. Neben ihrer angestammten Tätigkeit im Teilehandling übernehmen die Kollegen aus Stahl inzwischen auch einfache Bearbeitungsaufgaben, etwa das Entgraten, oder parallel laufende Hilfsprozesse wie das Reinigen oder Prüfen der Werkstücke und sorgen so für eine weitere Steigerung der Effizienz in der Fertigung. Und auch fürs flexible Bearbeiten von Großteilen arbeiten Industrie und Forschung an Roboterlösungen, die mit erstaunlicher Präzision bohren oder fräsen.

Treffen all diese Technologien in einer Fertigungseinheit aufeinander, heißt das aber auch, dass die Steuerung ganz unterschiedliche „Sprachen“ beherrschen und die notwendigen Schnittstellen haben muss.

Schnittstellen sind auch bei der digitalen Vernetzung ein zentrales Thema. Dass der deutsche Maschinenbau laut Markus Frank, Abteilungsleiter für „Net4Industry“ bei Grob (Halle 10, Stand B11) in der Vergangenheit nicht auf den Hype Industrie 4.0 aufgesprungen ist, liegt sicher auch daran, dass sich die Vision mit den verfügbaren Insellösungen nicht umsetzen ließ. Erst auf der EMO vor einem Jahr in Hannover wurden offene Systeme und die Möglichkeit, diese zu koppeln, von vielen Anbietern thematisiert. Und der Werkzeugmaschinenverband VDW stellte seine Initiative zur Entwicklung eines Konnektivitätsstandards vor. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn Frank sagt: „In den letzten 18 Monaten ist eine deutliche Steigerung der Aktivitäten in diesem Bereich zu beobachten.“ Für ihn steht fest: „Industrie 4.0 bildet die Grundlage, um ressourcenschonend, flexibel und produktiv Maschinen und Anlagen zu betreiben.“

Klaus Winkler, CEO der Heller-Gruppe, sieht in Industrie 4.0 den Ansatz, den Zustand von Werkzeugmaschinen jederzeit transparent zu machen und gewonnene Informationen mit bereits vorhandenen Daten zu einer zielgerichteten Diagnose auszuwerten. Der Nürtinger Maschinenbauer bündelt seine Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Prozesskette stehen unter dem Label „Heller4Industry“. Neben einer höheren Maschinenproduktivität konzentriert sich Heller auf die Unterstützung durchgängiger Engineering-Ketten. Kernaspekte sind ergänzende Maschinenfunktionalitäten, erweiterte Servicemöglichkeiten und Dienstleistungen on demand. Als Neuheit wird auf der AMB – in Kooperation mit Siemens – das Heller Services Interface zu sehen sein.

Für den schrittweisen Einstieg in die vernetzte Produktion präsentiert DMG Mori unter dem Schlagwort Integrated Digitization integrierte und durchgängige Digitalisierungslösungen. Fokusthemen sind Celos, mit dem sich digitale Workflows realisieren lassen und das die präzise Bauteilfertigung unterstützt, Softwareprodukte für digitale Prozesse in der Arbeitsvorbereitung oder neue Lösungen für die erweiterte Produktionsplanung. Daneben zeigt das Unternehmen mit dem NETservice ein modernes Tool für den Remote Service.

Klar ist: Vernetzung muss sich rechnen. Hinzu kommt, dass für viele potenzielle Anwender bisher angebotene Lösungen zu wenig praxistauglich waren. Mit den jüngsten Bemühungen, hersteller- und verfahrensübergreifend vernetzen zu können, entsteht die Basis, Digitalisierungsmodule schrittweise und nach Bedarf einzuführen. Damit das aber am Ende zum Erfolg wird, brauchen auch kleine und mittlere Unternehmen von Anfang an eine klare Vision dessen, was sie erreichen wollen. Und diese Strategie gilt es dann konsequent umzusetzen.

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