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Cleveres Rüsten macht auch Fertigung von Einzelteilen produktiver

Fertigungsmanagement: Weniger Maschinenstillstandszeiten durch effiziente Schlüsselprozesse
Cleveres Rüsten macht auch Fertigung von Einzelteilen produktiver

Auf den ersten Blick eignet sich das Rüsten in der Einzelteil- und Kleinserienfertigung nicht fürs Optimieren. Doch auch hier lassen sich Rüstzeiten reduzieren, wenn Prozessschritte analysiert werden. Nach einem Workshop des WZL rüstet ein Zerspaner seine Maschinen in weniger als einem Drittel der Zeit.

„Wir sind ein eingespieltes Team, das mit höchsten Ansprüchen produziert“, sagt Hans-Peter Baum, Inhaber und Geschäftsführer der Baum Zerspanungstechnik e.K. in Marl. Das Unternehmen fertigt einzelne Neu-, Ersatz- und Musterteile sowie Kleinserien für den Maschinen- und Anlagenbau, die Antriebs- und Fördertechnik, den Getriebebau, aber auch für die Glas-, die lebensmittelverarbeitende Industrie. Das Rüsten gehört dabei zu den Schlüsselprozessen und hat als nicht wertschöpfender Prozess einen erheblichen Anteil an den Maschinenstillstandszeiten der Engpassmaschinen. Um diese unproduktiven Phasen zu verkürzen und die Rüstprozesse zu optimieren, hat Baum mit Unterstützung durch das Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen einen Workshop durchgeführt. Das Ergebnis: An einer Engpassmaschine konnte die Rüstzeit um mehr als 70 % gesenkt werden.

Der zweitägige Initialrüstworkshop basierte auf der Single Minute Exchange of Die (SMED)-Methode und gliederte sich in sechs Schritte. Das Kernteam bestand dabei aus sieben der 43 Mitarbeiter von Baum und WZL-Mitarbeitern. Im Rahmen des Workshops lernten die Fachkräfte des Zerspanungsbetriebs die methodischen Grundlagen der Rüstzeitoptimierung. Die neuen Kenntnisse wurden an einer Beispielanlage in die Praxis umgesetzt. Als Pilotanlage diente dabei eine große Portalfräsmaschine mit einem Arbeitsraum von 6230 mm x 3450 mm x 1100 mm, die für ein großes Schweißbauteil umgerüstet wurde. Diese Maschine stellt oftmals den Engpass in der Produktion von Baum dar. Der Initialworkshop folgte dem Leitgedanken „Train the trainer“ und diente insbesondere dazu, das Kernteam für die Thematik zu sensibilisieren und zu befähigen, zukünftig eigenständig Rüstworkshops durchzuführen.
In einem ersten Schritt analysierte das Projektteam die bestehenden Rüstvorgänge. Bei der Ist-Aufnahme dokumentierten die Teilnehmer die einzelnen Arbeitsschritte und die erforderlichen Zeiten. Die Gesamtrüstzeit lag bei 135 min. Die aufgenommenen Arbeitsschritte wurden anschließend in einem zweiten Schritt in interne und externe Arbeiten unterschieden. „Als interne Rüstvorgänge bezeichnen wir Arbeiten, die nur bei stillstehender Maschine durchgeführt werden können. Alle Tätigkeiten, die sich auch bei laufender Maschine vor- oder nachbereiten lassen, sind externe Rüstvorgänge“, erklärt Sven Koch vom WZL. Allein diese Trennung und das vorbereitende Durchführen der externen Arbeitsschritte ermöglicht in der Regel eine Reduktion der Rüstzeit von mehr als 50 %. Bei Baum konnte sie so um 80 min verkürzt werden, so dass die Maschine statt 135 nur noch 55 min still stand.
Im dritten Schritt versuchte das Projektteam, interne Arbeitsschritte in externe umzuwandeln. Beispielsweise können Hebezeuge bereits im Vorfeld geholt und ans Werkstück angebracht werden, anstatt dies während des Maschinenstillstandes durchzuführen.
Die verbleibenden internen Rüstvorgänge wurden durch technische sowie organisatorische Maßnahmen optimiert. So war es unter anderem möglich, zwei Tätigkeiten mit Hilfe eines zusätzlichen Mitarbeiters parallel durchzuführen und dadurch die Rüstzeit weiter zu verkürzen. Und durch neue, größere Spannböcke ließ sich deren Gesamtanzahl reduzieren. Auch das Ausrichten des Werkstückes kann wesentlichen Anteil an der internen Rüstzeit haben. Da es sich bei den Werkstücken in Marl teilweise um Schweißkonstruktionen handelt, ist eine Standardisierung hier nicht möglich. Interne Schulungen zum Ausrichten bieten jedoch die Möglichkeit das Erfahrungswissen der Mitarbeiter auszutauschen und weiterzugeben.
Im fünften Schritt wurden die externen Rüstvorgänge optimiert. Einer der größten externen Arbeitsschritte – das Programmieren der Maschine – ließ sich optimieren, indem Standardprogramme und -programmabschnitte eingeführt wurden, die den Arbeitsaufwand fürs Programmieren deutlich reduzierten. Auch eine Schulung der Mitarbeiter, Programme nach einem gleichen Aufbau zu schreiben, verbessert die Effizienz und erhöht die Transparenz der Programme. Die neuen Prozesse wurden schließlich in einem sechsten Arbeitsschritt standardisiert und nachhaltig umgesetzt.
Insgesamt konnte die Rüstzeit bei diesem Beispiel von 135 auf 35 min reduziert werden. „Die am Anfang in den Raum gestellten Einsparungen von 70 bis 80 Prozent konnten wir zuerst nicht glauben, doch nach der sorgfältigen Analyse und nach dem eigenständigen, mehrmaligen Durchführen der SMED-Methode an anderen Maschinen, haben wir das große Potenzial erkannt“, sagt Andreas Markus, Werkstattmeister bei Baum. Weil die Zerspanungstechniker in Marl Einzelteile und Kleinserien fertigen und sich die Rüstvorgänge von Auftrag zu Auftrag unterscheiden, ist es wichtig, dass nicht nur der Initial-Workshop erfolgreich war, sondern die Mitarbeiter für die Thematik sensibilisiert und vom Potenzial überzeugt wurden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass der Grundgedanke, nicht wertschöpfende Tätigkeiten zu reduzieren, langfristig im Unternehmen gelebt wird.
Aufgrund der Erfahrungen möchte Baum mittelfristig in allen Fertigungsbereichen optimierte Abläufe und Strukturen installieren. Ab Juni soll die Materialbereitstellung organisatorisch und strukturell optimiert werden. Und im weiteren Verlauf wird das WZL die Projekte zur Arbeitsplatzgestaltung begleiten und methodisch unterstützen.
  • Melanie Baum, Baum Zerspanungstechnik, Marl
  • Prof. Achim Kampker, Sebastian Kamp, Sven Koch, Dr. Bastian Franzkoch, Werkzeugmaschinenlabor, RWTH Aachen
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