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Dehnfutter hält Gussteile sicher

Fertigung
Dehnfutter hält Gussteile sicher

Weil ein Kunde unterschiedliche Varianten eines Werkstücks fertigen wollte, musste Mikron sein modulares Bearbeitungssystem Mikron Multistep XT-200 mit einer besonderen Spannlösung ausstatten. Die Spezialisten von Röhm haben dafür ein Hydrodehnspannfutter entwickelt, das Guss- und Aluminium-Werkstücke verschiedener Abmessungen sicher spannt und eine Fünfeinhalb-Seiten-Bearbeitung ermöglicht.

Für die Fertigung von Teilen, die später in die Herstellung von Radialkolbenpumpen für den Hydraulikantrieb in schweren Baumaschinen einfließen, hat die Mikron GmbH, Rottweil, ein modulares Bearbeitungssystem Multistep XT-200 an einen asiatischen Kunden geliefert. Die Anlage besteht aus drei verketteten Modulen, einem Lademodul und zwei Fertigungsmodulen mitsamt Übergabeeinrichtung, die eine kurze Span-zu-Span-Zeit sicherstellt. Da Mikron für Lösungen aus Maschine und Werkzeug steht, musste auch die Spanntechnik für die Werkstücke gelöst werden. Das bedeutete jedoch eine größere Herausforderung.

„Bei der Suche nach der Spannlösung zeigte sich früh, dass ein klassisches Dreibackenfutter die Aufgabe nicht würde lösen können“, erinnert sich Alexander Amann, Projektleiter Multistep bei Mikron. Zu groß und zu schwer wäre eine solche Lösung geworden. Außerdem hätte ein solches Futter die zylindrischen Werkstücke nicht ohne die Gefahr einer Deformation spannen können. „Aufgrund der technischen Untersuchung war schnell klar, dass das Spannproblem nur mit einem Hydrodehnspannfutter gelöst werden kann. Voraussetzung war jedoch, dass die Spanndurchmesser eine entsprechende Toleranzklasse aufweisen“, berichtet Frank Stier, Fachberater beim Sontheimer Spanntechnikspezialisten Röhm GmbH.
Je zwei Werkstücke aus Aluminium und GGG 60 Sphäroguss mit 144 beziehungsweise 134 mm Durchmesser und bis zu 10 kg schwer, sollten mit einer Spannvorrichtung und in einer Aufspannung sicher durch die Anlage geführt werden. Die beiden miteinander verketteten Fertigungsmodule mit je zwei Spindeln à 18 Werkzeugen und fünf Achsen sollten die Werkstücke auf fünfeinhalb Seiten bearbeiten können. Um neun Löcher ins Werkstück zu bringen, sind von der einen Seite die Bearbeitungsschritte Vorbohren, Fertigbohren, Zirkularfräsen, Reiben und Honen notwendig. Auf der Gegenseite werden neun Langlöcher – zum Teil schräg – gefertigt und entgratet. Hierzu müssen die schweren Rohteile sicher aufgenommen, gespannt und von Modul zu Modul übergeben werden.
Bearbeitung von fünfeinhalb Seiten gefordert
Die von Röhm gelieferte Spannlösung mittels Hydrodehnspannfutter kristallisierte sich als kostengünstige Lösung heraus, die alle gewünschten Anforderungen erfüllt. Die Futter haben einen Öffnungswinkel von nur 0,1 bis 0,2 mm. Mit einem Druck von 160 bar werden die Werkstücke sicher gehalten. Da das Futter die zylindrischen Teile rundum umschließt, ist die Gefahr der Deformierung gebannt. Gespannt und gelöst wird mit einem Hydrauliksystem, das nach den Vorgängen wieder abgeklemmt wird. Das verschafft den Werkzeugen die nötige Bewegungsfreiheit bei der Fünfeinhalb-Seitenbearbeitung und ermöglicht auch die automatisierte Weitergabe von Modul zu Modul durch Übergabeachsen. Außerdem werden so Kollisionen ausgeschlossen. Ein Druckspeicher hält die Werkstücke während der Bearbeitung sicher und fest.
Die durchzuführenden Fertigungsprozesse können somit in einer Aufspannung durchgeführt werden, was eine hohe Präzision ermöglicht. Im Lademodul setzt ein Greifer die Werkstücke in das Spannfutter ein. Als Schnittstelle dient ein für seine Präzision aus der Erodiertechnik bekanntes Nullpunkt-Spannsystem der Erowa AG, Büron/Schweiz. Um jegliche Ungenauigkeit auszuschließen wird das Futter zuvor von eventuellen Spänen gereinigt, indem eine Blaseinrichtung mit sechs bar Druckluft Fremdkörper entfernt. Damit diese nicht unkontrolliert durch den Maschinenraum fliegen, wird zuvor automatisch eine Plexiglasglocke über das Futter gestülpt. Nachdem gespannt wird, fährt ein Pin zu einem Kontaktschalter und prüft, ob Spanndruck aufgebaut wurde. Anschließend ermittelt ein Funkmesstaster die Mittelachse, die Oberkante und – für die Fasenstärke – die Position der Rückseite. Die gesamte Peripherie ist auf die Werkstücke mit den zwei verschiedenen Abmessungen ausgerichtet. Und das Umrüsten auf die jeweils anderen Werkstücke ist eine Sache von nur wenigen Minuten und wenigen Handgriffen. Nachdem acht Schrauben gelöst sind und drei Teile des inneren Spannrings gewechselt wurden, ist das Futter für die jeweils andere Abmessung umgerüstet.
Der Clou: Zur Lösung des Spannproblems war keine Sonderanfertigung nötig, vielmehr sorgten Standardelemente beziehungsweise Standardkonstruktionen für niedrige Kosten. Dass allerdings die Hydrodehnspannfutter die Lösung bringen würden, daran konnte zunächst niemand glauben. Gussteile wie die angelieferten Werkstücke aus GGG 60 Sphäroguss und Aluminium mit hohem Siliziumanteil haben fertigungsbedingt eine Außenfläche, deren Oberflächengüte für diese Art der Spanntechnik viel zu ungenau und nicht wiederholgenau ist. Das macht das positions- und wiederholgenaue Spannen unmöglich. Ein Gussverfahren, das die Anforderungen an die Oberfläche erfüllen würde, gibt es nicht. Selbst für Spanntechnikspezialist Frank Stier von Röhm schien das ein K.o.-Kriterium zu sein: „Das schloss die Verwendung von Hydrodehnspannfutter eigentlich von vornherein aus.“ Mikron erörtert das Problem mit dem Kunden und der mit seinem Lieferanten. Gemeinsam wurde die passende Lösung gefunden: „Der Zulieferer schickt die Gussteile nun nach einem weiteren Bearbeitungsschritt mit einer Oberflächengüte in H7-Qualität“, erzählt Alexander Amann von Mikron. Mit den derart bearbeiteten Rohteilen ist es gelungen, die Präzision und die Wiederholgenauigkeit des Spannvorgangs sicherzustellen. Die drei Hydrodehnspannfutter, die mit dem Bearbeitungssystem mitgeliefert wurden, tragen nun zur kurzen Zykluszeit von unter 5 min bei. hw
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