Startseite » Technik » Fertigung »

Der Blick über den Gartenzaun

Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoffe erobern die Industrie
Der Blick über den Gartenzaun

Die Herstellung von Wood-Plastic-Composites verzeichnet in Europa seit Jahren zweistellige Zuwächse. Ein Grund: Immer mehr Hersteller entdecken die Vorzüge des Verbundwerkstoffes für ihre Produkte. Dass diese auch technisch anspruchsvoll sein dürfen, beweist der Ventilatoren-Spezialist ebm-papst.

Laut dem Nova-Institut aus Hürth bei Köln ist der europäische Markt für Wood-Plastic-Composites (WPC) – im deutschsprachigen Raum auch als Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoffe bezeichnet – seit 2005 jährlich um durchschnittlich 35 % gewachsen. Im Jahr 2010 wurden demnach in Europa etwa 220 000 t WPC produziert, davon rund 100 000 t allein in Deutschland. Ein Großteil des Verbundwerkstoffes wird zur Herstellung von Terrassen-Bodenbelägen (Deckings), Zäunen und Fassaden verwendet. Als zweitgrößter Abnehmer gilt die Automobilindustrie. Hier wird WPC unter anderem im PKW-Innenraum eingesetzt.

Zunehmend erobert das Holz-Kunststoff-Gemisch weitere Branchen. Denn immer mehr Unternehmen schätzen die Vorteile, die der Verbundwerkstoff gegenüber Vollkunststoffen besitzt. Dazu zählen unter anderem eine höhere Steifigkeit sowie eine geringere Ausdehnung bei Temperaturschwankungen. Zudem senkt der Einsatz von WPC den Erdölanteil in Kunststoffprodukten und sorgt so auf lange Sicht für eine planbare Preisentwicklung. Auch der Ventilatoren-Spezialist ebm-papst aus Mulfingen hat WPC für sich entdeckt. Gemeinsam mit der Werzalit GmbH & Co. KG, einem Hersteller von Bauelementen und Industrieformteilen, sowie mehreren Instituten und Universitäten hat das Unternehmen den Verbundwerkstoff „epylen“ entwickelt. Dieser ist gezielt auf die Anwendungen – in diesem Fall statische Bauteile wie Lüftergehäuse – zugeschnitten. „Wir wollten einen Werkstoff, der den bisher eingesetzten Materialien mindestens ebenbürtig ist. Deshalb standen Lebensdauer, Belastbarkeit, Stabilität und Temperaturbeständigkeit im Mittelpunkt des Projekts“, sagt Gunter Streng, Entwicklungsverantwortlicher bei ebm-papst. Die Basis für epylen bildet der Thermoplast Polypropylen, der unter Berücksichtigung der industriellen Anforderungenmit einem Holzfaseranteil von 50 % verstärkt wurde. „Bei diesem Verhältnis decken wir nicht nur die bisherigen Anforderungen ab, sondern konnten das Produkt sogar verbessern“, erklärt Streng. So würden die WPC-Ventilatoren im Vergleich zu ihren Vollkunststoff-Pendants unter anderem über ein verbesserten Dämpfungsverhalten verfügen. Auch der steigende Ölpreis ist für den Werkstoff ein bedeutendes Kaufargument.
Doch der Wechsel vom Erdöl zum Holz kann der Schritt von der einen Abhängigkeit in die andere sein. Denn vielerorts wird der vermeintlich nachhaltige Rohstoff schneller gefällt, als er nachwachsen kann. ebm-papst setzt deshalb auf lokalen Forstbestand, nahe der Produktion. Das für die epylen-Herstellung genutzte Holz stammt dabei aus ökologischer Rodung. Zudem sind die Mengen, die die Mulfinger für ihre Lüfter-Gehäuse benötigen, deutlich geringer als beispielsweise im Decking-Bereich.
Ein großer Vorteil, den Kunststoffe gegenüber anderen Materialien haben, ist ihre gute Recycle-Fähigkeit. So werden laut dem Branchenverband Plastics Europe inzwischen etwa 99 % des deutschen Plastikmülls – und das waren 2011 immerhin rund 5,5 Mio. t – entweder stofflich oder energetisch wiederverwertet. epylen folgt hier dem Beispiel glasfaserverstärkter Kunststoffe (GFK): Produkte aus GFK wie Fahrzeugteile oder Windrad-Rotorblätter werden an ihrem Lebensende oftmals erneut granuliert und anschließend zu technisch weniger anspruchsvollen Produkten verarbeitet. So wird aus einem Gehäuselüfter irgendwann einmal beispielsweise eine Parkbank.
Trotz der zahlreichen Vorteile, ist der Einsatz von WPC-Werkstoffen für Entwicklungsleiter Gunter Streng nur eine Zwischenstation: „Mein Ziel ist es, ein Granulat in der Fertigung einzusetzen, das zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen besteht.“ Deshalb arbeitet ebm-papst bereits an Alternativen. Dazu zählt das Biopolymer Lignin. Es lagert sich in Zellwänden von Pflanzen ab und sorgt dort für Stabilität. Millionen von Tonnen dieses organischen Stoffes fallen jährlich als Nebenprodukt in der Papier- und Zellstoffindustrie an. Dort wird er oft nur als Brennstoff zur Energieerzeugung genutzt. In der Kunststoffindustrie wird Lignin dagegen nur sehr selten als Basis für neue Polymere verwendet, da die Aufbereitung derzeit noch sehr aufwendig ist. Dies wollen die Ventilator-Spezialisten ändern und beschäftigen sich deshalb gleich in mehreren Projekten mit dem Naturprodukt, „um es auch für technisch anspruchsvollere Anwendungen nutzbar zu machen“, sagt Gunter Streng.
Egal, ob epylen oder Lignin: Mit neuartigen Materialien für die Kunststoffverarbeitung verfolgt ebm-papst ein ehrgeiziges Ziel. Bis 2015 will das Unternehmen einen Anteil nachhaltiger Biowerkstoffe von mehr als 15 % innerhalb des eigenen Produktportfolios erreichen. Die Anstrengungen der Mulfinger wurden jüngst mit einer Nominierung für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2012 gewürdigt.

Über ebm-papst

Die ebm-papst-Gruppe ist eine der weltweit führenden Hersteller von Ventilatoren und Motoren sowie Schrittmachern der effizienten EC-Technologie. Im vergangenen Geschäftsjahr 2011/2012 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von knapp 1,4 Mrd. Euro. ebm-papst beschäftigt an 17 Produktionsstätten – unter anderem in Deutschland, China und den USA – und 57 Vertriebsstandorten weltweit rund 11 000 Mitarbeiter. Die Ventilatoren und Motoren des Unternehmens sind in vielen Branchen zu finden, beispielsweise in der Lüftungs-, Klima- und Kältetechnik, bei Haushaltsgeräten, der Heiztechnik, in IT- und Telekommunikation, bei Applikationen im PKW und in der Nutzfahrzeugtechnik.
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de