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Deutsches Know-how sichert Chipherstellern den weiteren Fortschritt

Halbleitertechnik
Deutsches Know-how sichert weltweiten Chipherstellern den Fortschritt

Eine Smart Factory, KI oder die smarten Assistenten in unseren Hosentaschen wären ohne moderne Hochleistungs-Computerchips nicht denkbar. Um diese Chips herzustellen und das Moore‘sche Gesetz noch für mindestens eine Dekade aufrecht zu erhalten, liefern die deutschen Technologieunternehmen Trumpf und Zeiss einen zentralen Beitrag.

» Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger

Captain James T. Kirk wäre neidisch auf uns. Das Communicator-Modell, das die Crew von Raumschiff Enterprise im 23. Jahrhundert nutzte, war im Vergleich zu unseren Smartphones ziemlich primitiv. Intelligent vernetzte Fabriken, Städte und Wohnungen, automatisiert fahrende Autos oder die smarten Alltagsbegleiter in unseren Hosen- oder Handtaschen wären ohne Hochleistungs-Computerchips nicht denkbar. Immer anspruchsvollere Szenarien verlangen kontinuierlich mehr Rechenleistung. Dafür muss das Herzstück der digitalen Welt – der Computerchip – bei stetig steigender Funktionalität in immer höherem Tempo immer größere Datenmengen bewältigen. Und zu all dem sollen die Systeme immer weniger Energie verbrauchen.

Dass wir heute solche Hightech-Produkte im Alltag nutzen können, ist nicht zuletzt auch das Verdienst zweier deutscher Technologieunternehmen. Denn: Um die neueste Generation von Mikrochips herzustellen, sind riesige Lithografie-Anlagen nötig, die Hochleistungschips mit extrem ultravioletter Strahlung (EUV) belichten. Dieses EUV-Licht entsteht mit einem Lasersystem, das von Trumpf entwickelt und produziert wird. Von Zeiss stammen die hochpräzisen Optiken, die das EUV-Licht einfangen und fokussieren. Den umsatzmäßig größten Anteil an einer solchen EUV-Anlage hat allerdings ASML aus Veldhoven. Die Niederländer bauen die 180 t schwere Gesamtanlage, steuern unter anderem die Tröpfchenkammer bei und integrieren die einzelnen Bausteine.

Bis zu zehn Jahre Know-how-Vorsprung

„So wie Deutschland beim Thema Halbleiter auf die weltweiten Chiphersteller angewiesen ist, so sind die Chiphersteller auf Unternehmen des deutschen Mittelstands angewiesen“, sagt Dr. Berthold Schmidt. Der CTO von Trumpf schätzt den Entwicklungsvorsprung von ASML, Trumpf und Zeiss bei dieser Schlüsseltechnologie auf fünf bis zehn Jahre. Das deutsch-niederländische Konsortium ist der einzige Anbieter weltweit. Die Entwicklungsroadmap der drei Unternehmen deckt mehr als die nächsten zehn Jahre ab. Mindestens so lang wird das Moore’sche Gesetz – nach dem sich die Anzahl von Transistoren auf einem Chip alle zwölf bis 24 Monate verdoppelt – seine Gültigkeit behalten.

Schmidt betont: „Halbleiter sind die Grundlage für nahezu alle innovativen Technologien – etwa künstliche Intelligenz, das autonome Fahren oder das Internet der Dinge. Europa muss in dieser Branche wettbewerbsfähig sein, um wirtschaftlichen Fortschritt zu ermöglichen und technologische Souveränität zu bewahren.“ Der langfristige Wachstumspfad im Halbleiterbereich sei nach wie vor intakt. Taiwan, Südkorea, Japan, China und auch die USA festigten ihre führende Position auf dem Weltmarkt durch massive Investitionsprogramme, die gezielt und unbürokratisch umgesetzt würden. Trumpfs Cheftechnologe mahnt: „Die Wirksamkeit von Europas Absichtserklärungen, die eigene Chip-Industrie zu stärken, bleibt hingegen noch abzuwarten.“ Er fordert in diesem Zusammenhang bessere Rahmenbedingungen für die Industrie und eine vernünftige Energiepolitik, die eine längerfristige Planung erlaubt.

EUV ist der Lithografie-Fineliner

Um die Leistungsfähigkeit von Mikrochips stetig zu steigern, brauchen die Hersteller Lithografieanlagen, die Wafer immer feiner belichten können. Ein Großteil dieser Anlagen verwendet heute ultraviolettes Licht (UV) um Milliarden winziger Strukturen auf dünnen Siliziumscheiben zu erzeugen. Die bisherigen UV-Lithografieanlagen wurden technologisch weiter vorangetrieben als viele das für möglich gehalten hätten. Doch um die neueste Generation von Mikrochips herzustellen, reichen auch sie nicht mehr. Eine EUV-Anlage ist sozusagen der Fineliner, durch den sich die integrierten Schaltungen noch enger packen lassen. Dadurch steigt die Leistung der Chips, bei gleichen oder gar sinkenden Herstellkosten.

„Um dieses spezielle Licht zu erzeugen, ist Trumpf-Technologie unerlässlich“, unterstreicht Schmidt. Der Laser muss im Inneren der Lithografie-Anlage pro Sekunde 50.000 Zinntröpfchen jeweils zweimal treffen. Der erste Schuss drückt das Tröpfchen platt, der zweite zündet das Plasma. Dabei werden die Zinntröpfchen auf 220.000 Grad erhitzt – das ist gut 40 mal heißer als die Oberfläche der Sonne – und es entsteht das wertvolle EUV-Licht mit einer Wellenlänge von 13,5 nm; zur Orientierung: ein menschliches Haar ist etwa 50.000 nm breit. Spiegel von Zeiss fangen das vom Plasma emittierte EUV-Licht ein, bündeln und übergeben es zur Belichtung des Chips an das Lithografiesystem, das eine Blaupause des zu übertragenden Musters auf den Siliziumwafer projiziert. Der Wafer ist mit einer lichtempfindlichen Chemikalie beschichtet. Werden die unbelichteten Teile weggeätzt, wird das Muster sichtbar.

Doch nicht nur 50.000 Zinntröpchen pro Sekunde zum richtigen Zeitpunkt zweimal zu treffen, ist eine Herausforderung. EUV-Licht ist nicht nur extrem schwierig zu erzeugen, es wird sogar von Luft absorbiert. Deshalb verfügt das System über eine große Hochvakuumkammer, in der das Licht von einer Reihe von Präzisionsspiegeln so geleitet wird, dass es den Wafer erreicht.

Durch die deutlich feinere Auflösung der EUV-Anlagen im Vergleich zur UV-Technologie sind Chiphersteller in der Lage, kleinere, schnellere und leistungsfähigere Chips herzustellen, während die Komplexität der Fertigung und die Kosten im Rahmen bleiben.

Alleine das Lasersystem für eine EUV-Anlage herzustellen, dauert drei Monate. Dann wird das aus rund 500.000 Einzelteilen bestehende und etwa 17 t schwere Lasersystem wieder in seine Hauptkomponenten zerlegt, hochrein verpackt und mit Lkws zu ASML nach Veldhoven transportiert. Dort werden die Einzelsysteme zur Gesamtanlage zusammengebaut. Um letztere zu betreiben, ist eine elektrische Leistung von 850 kW nötig.

Eine zentrale Komponente des Lasersystems stammt ursprünglich aus der Industriewelt und wurde vor Jahrzehnten zum Schneiden von Blechen entwickelt. Der Laserstrahl wird mehrfach umgelenkt und durch mehrere Verstärker geschickt. Am Ende erreicht er eine Leistung von 30 kW. Dabei wird die Strahlqualität permanent von Kameras überwacht.

Trumpf steigert Produktion um 80 %

Um die Produktionskapazitäten für EUV-Lasersysteme auszubauen, erweitert Trumpf seine Produktionsfläche derzeit um 70 %. Auf rund 7000 m2 – 2400 davon sind Reinräume mit verschiedenen Arbeitskammern – entstehen aktuell rund 60 Systeme pro Jahr. Im Geschäftsjahr 2027/28 bieten die neuen Produktionsflächen Kapazität für 110 Systeme.

2100 der gut 19.000 Trumpf-Mitarbeiter sind rund um die EUV-Technologie tätig. 350 Spezialisten der unterschiedlichsten Fachrichtungen arbeiten in der Produktion in Ditzingen, weitere 180 in Veldhoven, Schreibtisch an Schreibtisch mit ASML-Mitarbeitern. „Die Technologie ist so komplex, dass sie von einem Unternehmen allein nicht beherrscht werden kann“, begründet Produktionsmanager Dr. Frank Wirth.

Allein in diesem Bereich haben die Ditzinger in den letzten drei Jahren rund 300 Mio. Euro investiert. Das Unternehmen generiert mit Halbleitertechnologie, zu der auch Produkte der Elektronik- und der Photonic Components-Sparte in Ulm gehören, einen Umsatz von etwa 1 Mrd. Euro und damit etwa 20 % des Gruppenumsatzes. CTO Schmidt hält es durchaus für realistisch, den Umsatz in diesem Geschäftsfeld mittelfristig auf 1,5 bis 1,6 Mrd. Euro zu steigern. „Schließlich nutzen immer mehr Anwendungen die mithilfe unserer Technologie hergestellten Chips. KI, autonomes Fahren oder moderne IT- und Kommunikationssysteme sind ohne Hochleistungs-Chips nicht realisierbar.“

Auch moderne Smartphones mit Spezialfunktionen wären ohne EUV-Laser nicht herstellbar. So verfügen viele der aktuellen Geräte beispielsweise über eine automatische Gesichtserkennung. Dabei ermittelt das Smartphone über seine Front-Kamera verschiedene Merkmale im Gesicht seines Eigentümers, etwa den Abstand zwischen den Augen. Nimmt eine Person das Smartphone in die Hand, gleicht das Programm die Informationen mit den hinterlegten Daten ab und entsperrt sich selbstständig, sobald es den Eigentümer erkennt. Dank der immer leistungsfähigeren Mikrochips konnten Forscher die automatische Gesichtserkennung in den vergangenen Jahren enorm verbessern. Heute lassen sich solche Programme nicht nur bei smarten Alltagsassistenten zuverlässig nutzen, sondern zum Beispiel auch an Flughäfen oder in anderen sicherheitsrelevanten Bereichen.

Basis für leistungsfähige Assistenten

EUV-Lithographie hilft aber auch, beispielsweise Sprachassistenten auf ein neues Niveau zu heben. Dank der Technologie und den damit hergestellten Hochleistungschips werden diese virtuellen Helfer immer besser. Sie arbeiten zunehmend mit künstlicher Intelligenz, etwa um doppeldeutige Wörter richtig zu interpretieren oder Begriffe trotz Rechtschreibfehlern zu verstehen. Weil Sprachassistenten aus ihren Fehlern und unserem Feedback lernen, werden sie mit der Zeit immer besser und präziser.

Doch nicht nur dazu ist maximale Rechenleistung erforderlich. Fürs autonome Fahren reicht es nicht, wenn ein Auto selbst bremsen und lenken kann. Es muss Situationen selbstständig richtig einschätzen und vorausschauend erkennen. Diese Stufe des automatisierten Fahrens ist zwar noch nicht im Alltag angekommen, dank den mittels EUV hergestellten Hochleistungschips rückt sie aber in greifbare Nähe. Zu den wichtigsten Komponenten dabei gehören zahlreiche Sensoren und Kameras, die die Umgebungsdaten des Fahrzeugs detailliert aufzeichnen. Diese Informationen vergleicht das System mit dem in der Datenbank hinterlegten Wissen und sorgt so dafür, dass das Fahrzeug richtig reagiert. Hochleistungsfähige Mikrochips, die mittels EUV hergestellt werden, sind in der Lage, die benötigten Daten im geforderten Tempo bereitzustellen.

Doch das Geschäftsfeld ‚Halbleiter‘ beschränkt sich bei Trumpf nicht auf die EUV-Technologie. In Freiburg produziert das Unternehmen Generatoren, die bei der Chipfertigung zum Beschichten der Wafer eingesetzt werden – laut CTO Schmidt in allen großen, aber auch in vielen kleineren Halbleiterproduktionen.

Minilaser-Sensoren breit einsetzbar

Und in Ulm stellt das Tochterunternehmen Trumpf Photonic Components winzige Laser her, die in der Kommunikationstechnik, der Unterhaltungselektronik sowie in der Automobilindustrie zum Einsatz kommen. Der weltweit führende Anbieter von VCSEL- und Photodiodenlösungen für Consumer- und Industrieanwendungen, wurde von Apple als Schlüssellieferant ausgezeichnet. VCSEL steht für vertical cavity surface emitting Laser. Diese Laserdioden – sie geben ihr Licht in einem kegelförmigen Strahl vertikal von der Oberfläche des Wafers ab – bieten einige Vorteile gegenüber herkömmlichen, kantenemittierenden Lasern, bei denen das Licht an den Kanten des Chips austritt:

  • Das optimierte Strahlprofil prädestiniert VCSEL für eine Vielzahl von Anwendungen.
  • Der vertikal emittierende Laser spart Platz und Kosten.
  • Kurze Anstiegs- und Fallzeiten ermöglichen einen schnellen Pulsbetrieb.
  • Durch die vertikale Lichtemission lassen sich zusätzliche Features wie Mikrooptiken leicht integrieren.
  • Wegen hoher Modulationsgeschwindigkeiten sind VCSEL für Hightech-Anwendungen prädestiniert, etwa 3D-Sensoriken, LiDAR oder die optische Datenkommunikation.
  • Die geringe Leistungsaufnahme ermöglicht einen effizienten Betrieb in mobilen Applikationen.
  • VCSEL zeichnen sich durch eine temperaturstabile, schmalbandige spektrale Lichtemission aus.

Basierend auf Gallium Arsenid werden die Mini-Halbleiterlaser Prozessschritt für Prozessschritt, etwa durch ätzen, beschichten und metallisieren, aufgebaut. Dazwischen machen die Wafer immer wieder Station in der Lithographie, wo die Strukturen definiert werden. Je nach Einsatzbereich und Anforderungen bestehen die Mikrolaser am Ende aus fünf bis 20 Schichten. Sie haben eine Kantenlänge von rund 150 µm. Auf jeden Wafer mit einem Durchmesser von 100 mm passen rund 150.000 dieser Hightech-Winzlinge. Ein diamantbestücktes, weniger als 20 µm dünnes Kunststoff-Sägeblatt trennt die einzelnen Chips. So vermeiden die Ulmer den thermischen Einfluss eines Laserschneidsystems.

Gelebte Quantenmechanik

Diese Laserdioden sind für den industriellen und für den Consumermarkt mit unterschiedlichen Wellenlängen verfügbar. Die Minichips können sowohl Licht aussenden als auch empfangen. Während Singlemode VCSEL häufig in industriellen Anwendungen eingesetzt werden, finden sich die kompakten Multimode-VCSEL vor allem in mobilen Consumer-Applikationen oder hochintegrierten Sensoren.

Trumpf Photonic Components hat bereits über eine Milliarde VCSELs an Apple geliefert. Die Minilaser kommen unter anderem als Näherungssensor im iPhone zum Einsatz. Dieser Sensor schaltet beispielsweise den Bildschirm aus, wenn er ein Objekt in der Nähe erkennt – etwa wenn der Benutzer das Smartphone ans Ohr hält. Das spart nicht nur Strom, es verhindert auch unbeabsichtigte Berührungen.

Seit der Übernahme des Ulmer Unternehmens im Jahr 2019 hat Trumpf bereits mehr als 40 Mio. Euro in die hochmoderne Fertigung investiert und rund 20 neue Produktionsanlagen in Betrieb genommen. In den kommenden fünf Jahren wollen die Ditzinger in Ulm einen weiteren zweistelligen Millionenbetrag investieren. Das Ziel dabei ist, auch künftig den stark steigenden Bedarf an leistungsstarken Laserkomponenten prozesssicher und wirtschaftlich zu decken. Abhängig von den Anforderungen, die die unterschiedlichen Einsatzfelder stellen, müssen Design und Aufbau der Chips angepasst werden. Man spürt die Begeisterung für die Aufgabe, wenn Werksleiter Dr. Andreas Popp sagt: „Was wir hier in Ulm machen, ist High-Tech pur: auftragen, abtragen und strukturieren auf Nanometerskala nahe an der Quantengrenze. Das klingt für viele wie Science-Fiction.“

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