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Die Technik von morgen ist bald von gestern

Schichtaufbauverfahren ermöglichen die Produktion, Reparatur und Individualität von Teilen
Die Technik von morgen ist bald von gestern

Wie können wir ein altes Auto auch noch in 20 Jahren warten? Wie gelingt es uns, individuelle Teile zu fertigen und dabei nachhaltig zu sein? 33 Fraunhofer-Institute zeigen, dass generative Verfahren mögliche Antworten auf diese Fragen haben.

Im Rahmen der diesjährigen Euromold, der Messe für Werkzeug- und Formenbau, Design und Produktentwicklung, wagte die Fraunhofer-Allianz Generative Fertigung einen Vorausblick in die Zukunft. Unter dem Namen „Generate the Future“ präsentierte die Allianz drei Szenarien, in denen sich der Einsatz von generativen Verfahren lohnt. Ein viertes Szenario widmete sich dem CO2-Ausstoß, welcher bei jedem Fertigungsvorgang entsteht und zeigte die Auswirkungen auf ein mögliches „CO2-Konto“ des Anwenders.

Am Beispiel eines von der Fraunhofer-Allianz entwickelten Elektrofahrzeuges, dem „Frecc0 2.0“ (Fraunhofer e-concept car Typ 0), wurden die vier einzelnen Szenarien veranschaulicht. Das Fahrzeug wurde aus Komponenten aufgebaut, die durch generative Verfahren produziert wurden. Der Kerngedanke des Beispiels sollte sein, dass der nach heutigem Stand der Technik als Prototyp geltende Sportwagen im Jahr 2025 als Oldtimer gesehen werde und sich aber auch dann noch problemlos warten und produzieren lässt. Die Bauteilproduktion, die Schadensanalyse und der Ersatzteilaustausch verschmelzen zu einem Gesamtkonzept, welches auch die Schadstoffemission an CO2 bei der Herstellung nicht aus dem Auge verliert.
In Szenario 1 geht es vor allem darum, das Potenzial der generativen Verfahren im Blick auf auf Funktionalität und Komplexität zu zeigen. Von neuen Handling-Konzepten über unsichtbar integrierte elektronische RFID-Chips in Metallbauteilen bis zu geometrisch hochkomplexen Wärmetauschern sind der Gestaltungsfreiheit kaum Grenzen gesetzt. Die Bandbreite an den zu bearbeitenden Werkstoffen reicht von Metall und Keramik bis zu Materialmischungen und -verbünden. Laut der Fraunhofer-Allianz können die generativen Verfahren insbesondere bei individuellen und geometrisch hochkomplexen Bauteilen ihre Stärken voll ausspielen.
In der „Werkstatt von morgen“ zeigten die einzelnen Institute, wie im Jahr 2025 eine virtuelle Schadensanalyse aussehen könnte. So werden defekte Bauteile mittels eines Roboters, genannt „Elefantenrüssel 2.0“, vor Ort gegen individuell gefertigte Ersatzteile ausgetauscht. Die generativen Verfahren, auch Schichtaufbauverfahren genannt, bieten neue fertigungstechnische Möglichkeiten zur Herstellung komplexer Bauteilgeometrien mit Freiformflächen, Hinterschnitten oder Hohlstrukturen. Hier gibt es mehrere Verfahren. Zum Beispiel das Selective Laser Melting (SLM) oder den 3D-Druck. Beide Verfahren zählen zu den additiven Fertigungstechniken. Beim SLM-Verfahren werden die Bauteile direkt auf Basis von 3D-CAD-Daten aus pulverförmigen Serienwerkstoffen wie beispielsweise Edel- oder Warmarbeitsstahl, Aluminium oder Titan generiert.
Beim 3D-Druck hingegen wird das Pulver sozusagen schichtbildend aufgetragen. So werden bei komplexen und detailreichen Objekten keine Stützkonstruktionen benötigt und ebenso entfällt das Entfernen von Supportmaterial. Im 3D-Pulverbett-Druck ergibt sich die Verbindung der Pulverschicht mit der Druckflüssigkeit (Tinte) aus der Wechselwirkung zwischen dem Pulver und einem reaktiven Bindemittel-System. Das Bindemittel kann sowohl dem Pulver als auch der Flüssigkeit beigemischt werden. Die Nutzung von 3D-Druck Verfahren zur Herstellung von Formkörpern mit komplexer Geometrie befindet sich erst im Anfangsstadium. Mit der heutigen Gerätetechnik kann noch keine ausreichende Dichte des erzeugten Formkörpers erreicht werden. Hier setzt das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Stuttgart, mit der Entwicklung eines optimierten Verfahrens an, mit dessen Hilfe komplexe Bauteile auch mit stark verbesserter Dichtheit gefertigt werden können. Ein Hauptvorteil der generativen Fertigung ist die werkzeuglose Fertigung auf Basis eines CAD-Entwurfs. Als Endprodukt sind komplexe Bauteile ohne Fügestellen das Besondere an generativen Verfahren.
Das zweite Szenario hat die Reparatur an Stelle eines Austauschs im Fokus. Defekte Bauteile werden durch ein computergestütztes System automatisch erkannt, analysiert und vor Ort mittels generativer Verfahren hergestellt oder repariert. Werkzeuge und Gesenke verschleißen bei ihrer Verwendung immer dort am stärksten, wo sie am meisten belastet werden. Der Werkstoffabtrag an diesen Stellen ruft Einbußen an der Funktionalität hervor.
Für diese Art von Bearbeitung ist das SLM sehr gut geeignet. Die pulverförmigen Werkstoffe werden dabei durch einen Laser lokal vollständig aufgeschmolzen und das generierte Bauteil erhält nach der Erstarrung ein nahezu 100 % dichtes Gefüge. Laut dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK), Berlin, bietet das SLM im Vergleich zu konventionellen Fertigungsverfahren enorme Gestaltungsfreiheit in der Bauteilgeometrie. Ebenfalls ist es laut Fraunhofer möglich, mit solch einem additiven Verfahren kritische Bereiche durch zusätzliche Schichten eines widerstandsfähigeren Werkstoffs zu panzern, um so eine höhere Verschleißresistenz zu erzielen. Somit lassen sich auch Reparaturintervalle verlängern.
Im dritten Szenario geht es darum, dass der Kunde als Designer fungiert. Hier wird die individualisierte Massenproduktion fokussiert. Individuelle Produkte sind schon heute sehr gefragt, jedoch auch sehr teuer. Die generative Technik könnte dazu beitragen, kundenindividuelle Waren kostengünstig herzustellen. So lassen sich ausgewählte Komponenten im Sinne einer Massenindividualisierung fertigen. Der Kunde soll in Zukunft auf Software zurückgreifen können, welche es ihm ermöglicht, individuelle Produkte zu gestalten. Die Fraunhofer-Allianz zeigt dies anhand eines Lenkrads. Hier kann der Kunde seine Vorstellungen unmittelbar in das Design mit einbringen – egal ob er den Retro-Stil oder eine futuristische Variante präferiert. Mittels eines 3D-Scans seiner Hand lässt sich das Lenkrad ergonomisch optimieren und genau auf den Kunden anpassen, bevor es anschließend mittels eines generativen Verfahrens produziert wird.
Das vierte Szenario dreht sich rund um das Thema der CO2-Reduzierung. Fraunhofer Generativ beschreibt dies als die „Währung der Zukunft“ – denn nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Kosten nehmen einen immer höheren Stellenwert bei Unternehmen und Konsumenten ein. Der so genannte „Carbon Footprint“, eine Bilanz der Treibhausgasemissionen entlang des gesamten Produktlebenszyklus, könnte als solche „ökologische Währung“ fungieren. Die generativen Verfahren und die mit ihnen verknüpfte dezentrale partizipative Produktionskultur eignen sich dazu, einen Beitrag zur Reduktion von Ressourcenverbrauch und Treibhausgas-Emissionen zu leisten.
Viele Ressourcen obliegen einer natürlichen Knappheit, daher lässt sich eine steigende Nachfrage nicht schlichtweg durch eine Erhöhung des Angebots kompensieren. Dies hat zur Folge, dass die Preise für begehrte Ressourcen steigen. Hinzu kommen nationale wie auch internationale politische Ziele und Maßnahmen, um eine Treibhausgasreduktion zu erreichen. Diese Ziele werden beispielsweise durch Gesetze oder finanzielle Anreize erreicht und tragen dazu bei, dass sich die Energie- und Rohstoffpreise auf lange Sicht verteuern. Jene Preisentwicklungen zwingen jeden Abnehmer, konsequent den Ressourceneinsatz zu überdenken und ein Energiemanagement zu betreiben. Um dieser globalen Aufgabe gerecht zu werden, konzipierte das Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie (IPT), Aachen, unter dem Begriff „Green Quality“ Methoden für eine energie- und ressourceneffiziente Produktion. Sie soll zusätzlich zum unternehmerischen Qualitätsverständnis auch ökologische Aspekte beachten und somit Nachhaltigkeit fördern.
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