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Umformen 4.0 – mit künstlicher Intelligenz zu hochwertigen Drückteilen

Metalldrücken
Drücken 4.0 – mit künstlicher Intelligenz zu hochwertigen Umformteilen

Mithilfe künstlicher Intelligenz unterstützt die Smart Control des Maschinenbauers Leifeld Metalldrücker beim Optimieren der Prozesse. Im Autopilot-Modus erreichen auch weniger hoch qualifizierte Bediener hochwertige Ergebnisse.

» Beate Hiltrop, Leiterin Marketing, Leifeld Metal Spinning, Ahlen

Der Fachkräftemangel nehme immer weiter zu, damit fehlten zunehmend auch qualifizierte Maschinenbediener, sagt Benedikt Nillies von der Leifeld Metal Spinning GmbH im westfälischen Ahlen. Das Unternehmen ist seit 130 Jahren führend in der Metallumformung. Mit dem Drückverfahren bringen die Münsterländer verformbare Materialien von Stahl und Edelstahl bis hin zu Nichteisenmetallen wie Aluminium, Kupfer, Messing, Titan oder Molybdän, in Form. Dabei sind Wanddicken von wenigen Zehntelmillimetern möglich.

Was geschieht mit dem Expertenwissen, wenn erfahrene Metalldrücker in Rente gehen und der Nachwuchs fehlt? Wäre es für einen Betrieb nicht besser, die Anforderung an den Bediener zu senken und das Know-how in die Steuerung zu verlagern? Solche Fragen führten zur Idee einer smarten Steuerung. Als technischer Direktor war Nillies verantwortlich für die Entwicklung dieser Lösung. Unterstützt durch Routinen, die mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt wurden, sollen sich damit zum Beispiel Prozessanpassungen automatisieren oder die Prozessstabilität verbessern lassen – alles Punkte, die bislang von der Kompetenz, dem Geschick und Know-how des Maschinenbedieners abhingen. Im Vorfeld untersuchten die Entwickler etwa, ob es wiederkehrende mathematische Muster während der Umformung gibt, oder welche Strategien unterschiedliche Maschinenbediener beim Bearbeiten nutzen.

Ziel: Einrichtzeit reduzieren

Der Maschinenbauer entwickelt Drück- und Drückwalzmaschinen, die unter anderem in Branchen wie dem Automobil- oder dem Maschinenbau, der Raumfahrt, der Chemie-, Pharma- und Lebensmittelindustrie, oder auch in den Bereichen Beleuchtung, Energie-, Luft- sowie Klimatechnik zum Einsatz kommen.

Das Ziel bei der Entwicklung der Leifeld Smart Control war es, die Stabilität von Prozessen zu erhöhen, Bedienfehler zu vermeiden, Werkzeugkosten zu minimieren und Einrichtzeiten zu reduzieren. Hardwareseitig besteht das System aus der Drückrolle mit Gabelrollenhalter, einem Kraftmesssensor und einer Werkzeugspanneinrichtung. „Der Gabelrollenhalter mit Kraftmesssensor lässt sich anstelle oder im Wechsel mit normalen Drückrollenhaltern zum manuellen, vom Bediener gesteuerten Drücken einsetzen“, erklärt Nillies. „Durch die automatische Kontaktierung funktioniert das Umschalten zwischen Kraftsensor und normaler Drückrolle von allein über einen Werkzeugwechsel während der Bearbeitung.“ Durch die Rückführung von Axial- und Radialkräften verbessert der Sensor die Steuerung der Drückrolle. Es kann mit konstanter Kraft projiziert werden – und somit lassen sich neben der Formgebung auch die Wanddickenverläufe definieren.

Konturaufnahme entfällt

Ein Softwarebaustein der Smart Control ist der „Autopilot Konturaufnahme“. Steuert der Bediener die Konturaufnahme manuell, muss er zwischen Drückrolle und Drückfutter einen Kontakt herstellen. In der Regel ist dies vom Geschick des Bedieners abhängig oder bedingt den Einsatz harter Drückfutter. Mit dem Autopiloten ist mit Hilfe eines Kraftsensors ein automatisches Abtasten der Drückfutterkontur mit geringster, kontrollierter Kraft möglich. Die im Hintergrund laufende Kollisionsüberwachung verhindert dabei Beschädigungen. „Diese Funktion beschleunigt und vereinfacht die Einrichtung der Teile erheblich und ermöglicht darüber hinaus den Einsatz weicher Drückfutter“, verspricht Nillies.

Auch die Kraft lässt sich mit der neuen Smart Control während der Produktion automatisch regeln. Dafür sorgt der „Autopilot Wiedergabe“. „In der Regel fährt der Bediener in der Programmaufnahme festgelegte Bahnen im Koordinatensystem der Maschine ab, um das entsprechende Teil herzustellen“, erklärt der technische Direktor. Mit zunehmender Stückzahl oder bei hohen Umformleistungen kommt es fast immer zur Wärmeausdehnung von Drückfutter und Werkzeugen. Dadurch reduziert sich zwangsläufig der Spalt zwischen Drückrollen und Drückfutter, wodurch die Umformkräfte ansteigen. Das kann dazu führen, dass die Wanddicken negativ beeinflusst werden oder dass bei sehr dünnen Wandungen der Prozess gefährdet ist.

Um das zu verhindern, muss der Bediener manuell ein Offset der Drückrolle oder der Supportachsen eingeben und dieses regelmäßig während des Prozesses anpassen. Mit Hilfe des Kraftsensors lassen sich die Umformkräfte dagegen überwachen und automatisch regeln, um so die in der Programmaufnahme erstellten Drück- oder Projizierteile exakt und wiederholgenau zu fertigen. Der Einsatz der smarten Steuerungslösung reduziert den Aufwand für die Qualitätskontrolle und Prozessbeobachtung durch den Bediener. Zudem erlaubt der Einsatz eines Roboters auch eine mannlose Produktion.

Drücken: Projizierteile automatisiert herstellen

„Neben der Standard-Version Leifeld Smart Control bieten wir auch eine Plus-Version an“, erläutert Harald Knechtel, Vertriebsleiter bei den Münsterländern. „Diese enthält zu den genannten Funktionen den ‚Autopilot Projizieren‘, mit welchem der Bediener Fehler beim Einrichten der Teile noch zuverlässiger vermeiden und die Einrichtzeit weiter reduzieren kann.“ Dazu berechnet der Autopilot den für die herzustellenden Produkte erforderlichen Spalt anhand der aufgenommenen Kontur automatisch. Das gilt sowohl für einen statischen Spalt bei konischen Komponenten, als auch bei einem dynamischen Spalt für einen sphärischen Konturverlauf, der sich an jeder Position der Drückrolle ändert.

Eine andere Möglichkeit, diese Bauteile automatisiert herzustellen: Der Autopilot folgt keinem berechneten Spalt, sondern projiziert das Werkstück mit einer vom Bediener programmierten, konstanten Kraft. Damit bleibt die sonst übliche Werkzeugauslenkung bei einer Einsupportmaschine durch die einseitig wirkende Kraft der Drückrolle ohne Auswirkungen auf das Drückergebnis. Eine automatische Korrektur ist somit nicht erforderlich.

Drückteile effizienter fertigen

Mit der Smart Control Premium erhält der Anwender obendrauf den Software-Baustein ‚Autopilot Drücken‘. Damit kann er mit automatisierten Routinen Drückteile fertigen. Ein durch KI ermitteltes mathematisches Modell berechnet anhand der Materialparameter die benötigte Umformkraft und gibt diese dem Autopiloten vor. Ein Algorithmus ermittelt etwa die Rondenbegrenzungskurve während des Prozesses. Dazu zerlegt die Software die Drückstufe in einzelne Teile und kann durch entsprechende Parametrierung die Form der Stufe beeinflussen. Jede Stufe liefert Daten und Positionen für die nächste. Zudem sind verschiedene Profile für unterschiedliche Umformstrategien parametrierbar. Dadurch wird ein perfektes Drückprogramm erzeugt und einem Materialversagen in den einzelnen Drückstufen vorgebeugt. Ein empirisches Herantasten an die optimalen Drückstufen kann somit entfallen.

Wie das in der Praxis aussehen kann? Nillies nennt ein Beispiel: „Um etwa eine Zylinder-Geometrie herzustellen, ist eine stufenweise Umformung mit zahlreichen Drückstufen erforderlich. Form und Anzahl der Drückstufen sind von Material, Rondenüberstand und Strategie abhängig. Der finale Glättüberlauf oder auch das Abstrecken bestimmen die Wanddicken des Fertigteils.“ Im ersten Schritt werden die Drückstufen inkrementell generiert. Dazu sind in der Steuerung verschiedene Drückstufenformen und Profile hinterlegt, die der Bediener anwählen kann. Die Software berechnet automatisch die Rondenbegrenzungskurve beim Drücken, so dass es zu keinem Überfahren des Rondenrandes kommt. Dann folgt das finale Abstrecken auf die Endwanddicke.

Fehlbedienung ausgeschlossen

Die Entwicklungszeit für die Smart Control betrug inklusive ausführlicher Praxistests drei Jahre. Doch Benedikt Nillies betont: „Die Entwicklung steht bei uns nicht still. Wir treiben unsere Lösungen kontinuierlich voran, validieren und verbessern die Software- und Hardware-Module entsprechend des Kundenfeedbacks.“

Einer, der schon lange auf Leifeld setzt, ist Michael Hommel, Geschäftsführer der Metalldrückerei Hommel im baden-württembergischen Bad Überkingen. „Den Vorteil der Smart Control sehe ich insbesondere im Automatikbetrieb der Maschine. Damit sind keine Korrekturen von Wärmegängen mehr erforderlich.“

Vertriebsexperte Harald Knechtel ist überzeugt, dass das ein bedeutender Schritt für diese Industrie ist, in der immer mehr qualifizierte Maschinenbediener fehlen. Die Münsterländer würden damit die Branche in punkto Prozess-Automatisierung mittels KI und Digitalisierung auf ein neues Level heben.

Kontakt:
Leifeld Metal Spinning AG
Feldstr. 2–20
59229 Ahlen
Tel. +49 2382 96607-0
info@leifeldms.com
www.leifeldms.com


Leifeld in Kürze

Die Leifeld Metal Spinning GmbH entwickelt, fertigt und vertreibt Werkzeugmaschinen zur spanlosen Metallumformung. An Standorten in Deutschland, den USA, China, Japan und Russland arbeiten über 200 Mitarbeiter. Die Kernbranchen sind Automotive, Luft- & Raumfahrt, Energie sowie industrielle Anwendungen. Produktionsstandort und Sitz der Zentrale ist Ahlen im Münsterland.

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