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Durchgängigkeit als Gebot der Stunde

Werkzeugbau-Trends auf der Fachmesse Euromold 2009
Durchgängigkeit als Gebot der Stunde

Jede Industrie ist letztlich weiter entwickeltes, automatisiertes und in hoher Auflage produzierendes Handwerk. Die Stückzahlen im Werkzeugbau bleiben zwangsläufig klein, die Qualitätsansprüche wachsen dafür umso mehr. Die Euromold zeigte Mittel und Wege, die Abläufe zwischen den einzelnen Fertigungsabschnitten der Betriebe griffig zu automatisieren.

Lediglich ein Prozent der deutschen Werkzeugbauer hat mehr als 100 Mitarbeiter, und nur ein Fünftel beschäftigt über 20 Menschen. Insoweit seien 80 % der auf 5000 geschätzten Betriebe Klein- und Kleinstunternehmen, die die amtliche Statistik ignoriere, sagte Engelbert Adam zur Eröffnung der Messe Euromold. „Die überwiegend kleinen Firmen bedienen vor allem Großunternehmen, die den Wert der Werkzeuge allein am Einkaufspreis messen“, führte der Vorsitzende des Branchenverbands VDMA Werkzeugbau weiter aus. Dies gehe am Kern des Leistungstauschs vorbei. Zwar hätten Stanz- oder Spritzgießwerkzeuge – die so genannten Special Tools – im Durchschnitt nur 5 % Anteil an den Fertigungskosten. Sie bestimmten die Qualität des Bauteils, die Stabilität der Produktion sowie die Folgekosten entscheidend mit. Hauptteil der Dienstleistung sei vielmehr der Service, etwa in der Beratung, wie man Produkte fertigungsgerecht konstruiert, oder der Auslegung, so dass das Werkzeug exakt der gewünschten Haltbarkeit, Qualität und Preis entspricht.

Die hierzu nötigen Ressourcen an Know-how und Technik sind enorm. Dies dürfte einer der Gründe sein, wieso die 1994 erstmals veranstaltete Fachmesse Euromold auch in Konjunkturflauten gut besucht ist. Einer der Schwerpunkte der 16. Ausgabe – sie fand vom 2. bis 5. Dezember in Frankfurt/M. statt – war die Durchgängigkeit im Werkzeug- und Formenbau.
So zeigte eine Automations-Sonderschau das Zusammenspiel von Konstruktion und Werkstatt auf dem jüngsten Stand der Technik. Die Daten aus Prozessen wie der Elektroden-Konstruktion und deren Fertigung sowie die zum Palettieren, Messen, Fräsen, Erodieren, Reinigen und Verwalten der Werkstücke erforderlichen Bits und Bytes wurden koordiniert und zwecks durchgängigem Arbeitsfluss abgestimmt. Dies wurde im Bereich „Werkstatt“ anhand einer automatisierten Zelle demonstriert. Im Abschnitt „Konstruktion“ leisteten dies Technik-Inseln in Form von Einzelständen verschiedener Anbieter von CAD/CAM, Programmierung und Spannsysteme. In der Fertigungszelle waren zwei Fräs- und Messmaschinen nebst Peripherie, eine Waschanlage sowie zwei Erodiermaschinen verknüpft.
Automation und Handhabung sind auch das Anliegen der Schweizer Gressel AG. Das Unternehmen stellte eine Kombination aus Werkstückspeicher, Paletten-Beschickungshandling und Werkstück-Spanntechnik vor. Man reagiere auf ein notorisches Problem, betont Gressel-Geschäftsführer Jörg Oskar Maier: „Das neue Bearbeitungszentrum ist zwar in Betrieb, trotzdem gibt es bei der Produktivität nicht den erhofften Schub.“ Grund dafür sei selten die Maschine oder das Werkzeug, sondern meist das Umfeld für Werkstück-Spannung und Handling oder wenig definierte Schnittstellen. Der „plug and play“-bereit lieferbare Werkstückspeicher P60R dagegen werde rechts an die Fräszentren gedockt und stelle den Arbeitsfluss sicher. Das Handling im Werkstückspeicher und beim Beschicken geschehe über Teleskope mit einer horizontalen Schwenkvorrichtung, die für Werkstückpaletten bis 30 kg Gesamtgewicht ausgelegt ist. Der Produktivitätsgewinn sei zwangsläufig, unterstreicht Maier.
Auch Erodieranlagen sind kostenschwere Investitionen und sollten im Idealfall 24 h an sieben Wochentagen Wert schöpfen. Palettenwechsel für Werkstücke und Elektroden werden insoweit auch hier zunehmend eingesetzt. Eine systematische Schwachstelle im Arbeitsfluss war bislang dennoch, dass die Anlagen still stehen müssen, wenn eine Elektrode in der Maschine ausgerichtet werden muss. Das Smile-EDM der Pleidelsheimer Zoller GmbH+Co. KG könnte das Problem lösen. Innerhalb einer einzigen Minute erfasst das System alle zum Ausrichten erforderlichen Parameter, soweit es mit einer automatischen Spindel ausgestattet ist. Ohne letztere dauert der Messvorgang rund 3 min. Das Messergebnis wird in der hauseigenen Elektronik des Typs Pilot 3.0 editiert, das außerdem eine komplette Werkzeugverwaltung nebst komplettem Managementsystem beinhaltet.
Produktivität plus Durchgängigkeit bietet auch die Samag GmbH. Das Tiefbohr-Fräs-Zentrum TFZ des Saalfelder Unternehmens bearbeitet kubische Werkstücke auf vier Seiten fix und einbaufertig. Alle im Kraftfluss liegenden Teile sind FEM-optimiert. Das Ergebnis ist eine extrem steife und kompakte Maschinenstruktur. Die TFZ-Reihe besteht aus drei Baugrößen und deckt den Durchmesserbereich zwischen 3 mm und 65 mm ab. Die in einem Zug erreichbaren Bohrtiefen betragen 1000 bis 2800 mm. Die Spindeln leisten 9 bis 25 kW bei Drehzahlen von 6000 und 10 000 min-1. Die Tische sind mit 6000 bis 40 000 kg belastbar.
Der Hamburger Anbieter Makino stellte auf der Euromold erstmals das Bearbeitungszentrum iQ300 vor. Die Maschine sei eine Antwort auf eine zunehmende Miniaturisierung und komplexere Funktionalität von Bauteilen, wie sie in Mobiltelefonen, Digitalgeräten, medizinischen sowie optischen Instrumenten eingesetzt werden, erklärt Makino-Europe-Präsident Per Anders Ingemarsson. Mit herkömmlichen vertikalen Zentren war dies bislang schwer zu erreichen. Bei einem Radius des Werkzeug-Verfahrwegs von 0,1 mm und einem Vorschub von 100 mm/min wurde in der Mikrobearbeitung ein tatsächlicher Fehler in der Rundheit von 0,65 µm gemessen. Bei hohen Schnittvorschüben von 2000 mm/min in der Zirkularbearbeitung und einem Werkzeug-Verfahrwegsradius von 28 mm betrug die gemessene Rundheitsgenauigkeit 0,6 µm.
X-, Y- und Z-Achse werden über Linearmotoren so angetrieben, dass Seiten- und Senkkräfte keine negativen Auswirkungen auf die Geradheit der Wälzführungen haben. Die iQ300 arbeitet mit Linearmaßstäben von 0,005 µm Auflösung. Die Linien, die auf bearbeiteten Flächen an den Quadrantenübergängen auftreten sowie die durch Welligkeit verursachten Streifenmuster werden mit bloßem Auge nicht mehr wahrgenommen. Die iQ300 verfügt über eine neu entwickelte Spindel mit 45 000 min-1. Die Maschine hat bereits im Standard ein hybrides automatisches Werkzeug-Messsystem, das die Position der Werkzeugschneide und die Lage der Spindelnase exakt misst und korrigiert. So können Unebenheiten auf ein Minimum reduziert und selbst mit Mikrowerkzeugen Oberflächen von hoher Qualität und Genauigkeit erzielt werden. Der Tisch misst 600 mm x 400 mm im Verhältnis zu den Verfahrwegen der X- und Y-Achsen von 400 mm x 350 mm – eine äußerst praktische Größe für die Bearbeitung bei Mehrfachspannungen sowie den Einsatz von automatischen Spannfuttern und Schraubstöcken.
Ebenfalls auf die Mikro- und Medizintechnik schaut die Fanuc Europe Robomachine GmbH. Der Neuhausener Hersteller hat seiner Alpha-Reihe eine NC-gesteuerte A-Achse spendiert. Die im Werkzeugbau seit Jahren bewährte Drahterodier-Maschine bearbeitet damit auch hoch komplexe Werkstücke aus der Medizintechnik.
Wolfgang Filì Journalist in Köln
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