Startseite » Technik » Fertigung »

Ein Rums, und die Struktur stimmt

Sprengprägen: Strukturen und Kopierschutz in Stahl
Ein Rums, und die Struktur stimmt

Mit einer Sprengung lassen sich filigrane Strukturen und sogar Hologramme auf Metalloberflächen übertragen. Das ist für den Formenbau interessant, aber auch für den Schutz vor Produktpiraterie.

Wer mit Sprengstoff hantiert, hat meist Grobes im Sinn. Doch Explosivstoffe taugen auch für filigrane Aufgaben. So ermöglicht es das Verfahren des Sprengprägens, relativ weiche, nahezu beliebig strukturierte Materialien, in Metall abzuformen. Die strukturierte Vorlage wird direkt auf die Werkstück- oder Werkzeugoberfläche gelegt und mittels eines hohen Impulses durch einen Explosivstoff ins Metall übertragen.

Vor einigen Jahren schon hat das Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT in Pfinztal aus der rabiat erscheinende Methode eine patentierte Technologie für die Oberflächenveredelung entwickelt, die das Zeug hat, auch in der Massenfertigung eine wichtige Rolle zu übernehmen. „Wir sind derzeit im Gespräch mit einigen, weltweit führenden Unternehmen in der Industrie“, sagt Günter Helferich vom ICT. Namen dürfen nicht genannt werden, aber er rechnet damit, dass die Machbarkeitsstudien noch in diesem Jahr zu Produkten führen, die auch auf dem Markt verfügbar sein werden.
Unter den Möglichkeiten, die das Sprengprägen bietet, ist eine für die Unternehmen derzeit besonders interessant: Das Einbringen von Strukturen in den Stahl von Werkzeugen, die als Hologramm das fertige Produkt unverkennbar machen. Solche heikle Aufgaben sind für dieses Verfahren kein Problem. Richtig dosiert, kann der Sprengstoff eine Vorlage viel exakter abbilden als herkömmliche Verfahren. Die Auflösung, die man mit dem Sprengprägen erzielen kann, reicht bis in den zweistelligen Nanometerbereich. Ein menschliches Haar, Lotosblätter, Mottenaugen, Haifischhaut – kein Problem. „Niemand hat geglaubt, dass so etwas möglich ist“, schwärmt ICT-Projektleiter Helferich. Fast jede Struktur lasse sich mit Hilfe einer Sprengfolie detailgenau auf Metall bannen, ob Holz, Leder, Textil oder Sand – schnell und präzise.
Mit der Holographie öffnet sich für die Sprengmeister aus Pfinztal jetzt ein weiteres Anwendungsgebiet. Die Hologramme, also Abbildungen mit einem dreidimensionalen Effekt, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Schon heute trägt jeder einige davon mit sich herum, ob auf Geldscheinen, EC-Karten oder Tickets für Popkonzerte.
Die bunt schillernden Interferenzbilder schützen zum Beispiel Banknoten und Dokumente vor Fälschungen, denn sie lassen sich nur mit erheblichem Aufwand herstellen, und man kann sie kaum kopieren. Das beste Kopiergerät macht aus den schillernden Originalen graue Schattenrisse. Der Grund: Bei Hologrammen entsteht das Bild im Auge des Betrachters nicht durch das Zusammenspiel verschiedener Farben und Kontraste, sondern durch die Struktur der Oberfläche. Je nachdem, aus welcher Richtung das Licht einfällt, zeigt sich ein anderes Bild.
Wissenschaftler am ICT arbeiten nun daran, das herkömmliche galvanische Kopieren, mit dem Formen für Hologramme erstellt wurden, durch das Sprengprägen zu ersetzen. Das ist eine große Herausforderung, denn die Strukturen, die in den Stahl eingedrückt werden sollen, sind so winzig, dass man sie nicht einmal unter dem Lichtmikroskop erkennen kann. Mit zahlreichen Versuchsreihen haben die Pfinztaler das Verfahren optimiert, bis die gewünschte Abbildungsschärfe erreicht war.
Am vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt Holo-Impact beteiligen sich auch die Universität Hannover und die Holo-Support sowie mehrere Partner aus der Industrie. Wichtig sind dabei vor allem die Homogenität und die genaue Dosierung des Sprengstoffs. Wenn die Sprengfolie detoniert, baut sich für den Bruchteil einer Sekunde auf der Stahloberfläche ein Druck zwischen 70 und 80 kbar auf, so viel wie 250 km unter der Erdoberfläche. Mehr Sprengstoff erhöht den Druck zwar nicht, verlängert aber die Wirkdauer.
Das Sprengprägen hat einige Vorteile gegenüber der galvanischen Methode: Man erhält kein weiches Nickelteil, das rasch verschleißt, sondern einen harten Stahlstempel, den die durchlaufende Stoßwelle zusätzlich gehärtet hat. Auf der Messe für Werkzeug- und Formenbau, der Euromold, die Anfang Dezember 2007 in Frankfurt (Main) stattfand, stellten die Ingenieure das Verfahren vor. Sie fertigten an Ort und Stelle mit einer Spritzgießmaschine 6000 Frisbees mit holographischen Strukturen. Das Verfahren stieß auf großes Interesse: Viele Firmen wollen die Hologramme als Plagiatschutz einsetzen.
Der Schutz vor Fälschungen ist jedoch nur eine mögliche Anwendung. Hologramme können auch dekorative Folien zieren, die je nach Sonneneinstrahlung in verschiedenen Farben leuchten. Und der durch das Sprengprägen behandelte Stahl könnte in der Kunststoff verarbeitenden Industrie aus anderen Gründen gefragt sein. Denn eine Strukturierung lässt Polymerteile dekorativ und edel aussehen. Ein Handschuhfach mit Lederstruktur macht sich im Auto besser als eines mit glatter Oberfläche. Zudem kann eine Strukturierung die Kratz- und Abriebempfindlichkeit verringern oder die Rutschfestigkeit erhöhen. Auch Unregelmäßigkeiten durch das Fertigungsverfahren, wie Fließlinien, Wirbel oder Einfallstellen, kann man so kaschieren.
Zu den herkömmlichen Verfahren, die zu solchen Spritzgießformen führen, gehören das photochemische Ätzen oder das Mikrozerspanen. Doch das Sprengprägen hat diesen gegenüber Vorteile: Es spart Zeit, kostet weniger, und die Details kommen besser heraus. Darüber hinaus hält das explosiv behandelte Spritzgießwerkzeug länger, weil die durchlaufende Stoßwelle den Stahl ja zusätzlich härtet.
Einige Machbarkeitsstudien hat es auch zu diesen Anwendungen schon gegeben, und an der Technik würde eine mögliche Anwendung laut Helferich nicht scheitern. Ein Einschränkung ist allerdings zu beachten: Das Sprengprägen funktioniert nur auf ebenen oder zylindrischen Flächen, nicht hingegen auf den häufig im Werkzeugbau erforderlichen Freiformflächen. „Mit einem Werkzeugeinsatz ließe sich aber auch hier manche Aufgabe lösen“, ergänzt der Experte aus Pfinztal. op
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 7
Ausgabe
7.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de