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Unvorhersehbare Krisen mit weitreichenden Folgen erforderten schnelles Handeln, sagte Prof. Günther Schuh anlässlich des 21. Kolloquiums Werkzeugbau mit Zukunft in Aachen. Der Direktor des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen fragte das Plenum: „Warum überraschen uns die stark gestiegenen Energiepreise?“ Seine Antwort: „Weil wir nicht vorbereitet waren!“ In diesem Fall sei die Entwicklung sogar vorhersehbar gewesen, das Gefährliche an ihr sei die abrupte Veränderung.
Der Wandel in der Automobilbranche, Corona, unterbrochene Lieferketten oder der Klimawandel – vergangene und aktuelle Herausforderungen hätten für viele Werkzeugbaubetriebe dramatische Folgen. Umso wichtiger sei es für die Unternehmen, sich durch eine gute Strategie und eine leistungsfähige Organisation zugleich stark und flexibel aufzustellen. Um die aktuellen Aufgaben zu meistern, müsse der Werkzeugbau die Chancen nutzen, die sich im Kontext der Nachhaltigkeit, der Wertschöpfungsgestaltung und der Digitalisierung bieten. Den größten Hebel, Umwelt und Ressourcen zu schonen, bietet laut Schuh die Kreislaufwirtschaft. Wichtig sei auch, zentrale Abläufe selbst im Griff zu haben und sich nicht unnötig in Abhängigkeiten von einzelnen Lieferanten zu begeben. Die Prozesskette möglichst regional zu gestalten sei ein wesentliches Element der Resilienz.
Schlüsselrolle des digitalen Zwillings
Prof. Thomas Bergs – neben Schuh einer von vier WZL-Direktoren – referierte über die Schlüsselrolle des digitalen Zwillings für eine nachhaltige Produktion im Werkzeugbau. Er betonte, Nachhaltigkeit und Klimaneutralität werden die produzierende Industrie künftig prägen. Die Schwierigkeit dabei sei, dass bestehende Reportingmethoden nur einen kleinen Ausschnitt der vielfältigen Einflussgrößen betrachten. Die Zielgrößen der Produktion – schnelle Markteinführung, hohe Produktivität und Qualität sowie geringe Kosten – müssten künftig um ökologische Aspekte erweitert werden. Dazu müsse es gelingen, diese entlang des Produktlebenszyklus zu bewerten.
Bergs stellte in diesem Zusammenhang die Hypothese auf: „Um die Transformation in eine nachhaltige Produktion erfolgreich zu gestalten, müssen die relevanten Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge verstanden und messbar sein.“ Zentrales Element, um Daten entlang des gesamten Lebenszyklus nutzbar zu machen, sei der digitale Zwilling eines Produkts sowie seiner Komponenten. Indem valide Produktions-, Produkt- und Nutzungsdaten in ihm zusammengeführt werden, entsteht eine Lebensphasen-übergreifende Transparenz, die es erlaubt, unterschiedliche Prozessketten hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit, Qualität und Ökologie zu beurteilen.
Analysemodelle helfen dabei, die Werkstückeigenschaften auf der Basis von Fertigungsdaten zu bestimmen. Das wiederum ermöglicht es, beispielsweise künftige Produktgenerationen zu verbessern, die Fertigung zu optimieren oder den zu erwartenden Verschleiß in der Nutzungsphase des Produkts abzuschätzen. So hilft der digitale Zwilling auch, die besten Szenarien für eine Kreislaufwirtschaft zu bestimmen – aus ökonomischer und ökologischer Sicht. Der Werkzeugbau leistet einen entscheidenden Beitrag, zugleich marktfähige und nachhaltige Produkte zu realisieren“, schloss Bergs.
In weiteren Fachvorträgen referierten:
- Steffen Drabek, ZF Friedrichshafen AG, zum Thema „Multidimensionale Transformation – vom Werkzeugbau zum Enabler“.
- Rafaele Tete, EBZ SE, über „Industrie CO2-Werkzeugpass – Stellhebelanalyse Nachhaltigkeit“.
- Axel Roßbach, SMS Group GmbH, zum Thema „Forge – Traceability“ und
- Dr. Hermann Uchtermann, Schuler Group GmbH, über „Brennstoffzellen und Elektrolyseure – eine Chance für die Umformtechnik“.
Werkzeugbau des Jahres
Am Vorabend des Kolloquium wurden traditionell die besten Werkzeugbaubetriebe im deutschsprachigen Raum prämiert. Im Rahmen des vom WZL und vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) veranstalteten Branchenwettbewerbs „Excellence in Production“ bewertete die fachkundige Jury in diesem Jahr 262 Unternehmen. Den Gesamtsieg des in vier Kategorien ausgeschriebenen Wettbewerbs sicherte sich die Fritz Stepper GmbH & Co. KG. Die Pforzheimer dürfen sich damit – nach ihren Sieg 2019 – bereits zum zweiten Mal „Werkzeugbau des Jahres“ nennen. Überzeugt hat die Juri unter anderem der hochwertige Maschinenpark mit hohem Automationsgrad, konsequente Industrie-4.0-Anwendungen, etwa zur Prozessdatenaufnahme in der Serienfertigung für eine automatisierte Qualitätssicherung, sowie die Unternehmensorganisation.
Neben dem Gesamtsieg ging auch der Titel in der Kategorie „Externer Werkzeugbau ab 50 Mitarbeitende“ an Stepper. Bester „Externer Werkzeugbau unter 50 Mitarbeitende“ ist 2022 die RKT Rodinger Kunststoff-Technik GmbH aus Roding. In der Kategorie „Interner Werkzeugbau ab 50 Mitarbeitende“ siegte der Werkzeugbau der Igus GmbH in Köln. Und bester „Interner Werkzeugbau unter 50 Mitarbeitende“ ist die Böllhoff Produktion GmbH aus Bielefeld.
Interessenten, die im kommenden Jahr beim Wettbewerb dabei sein möchten, können sich unter www.excellence-in-production.de informieren und ab dem 1. Dezember 2022 registrieren. Alle Teilnehmenden des Wettbewerbs erhalten eine individuelle Auswertung über ihre Stärken und Verbesserungspotenziale.
Kontakt:
Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT)
Steinbachstr. 17
52074 Aachen
Tel.: +49 241 8904–0
info@ipt.fraunhofer.de
www.ipt.fraunhofer.de
WZL – Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen
Steinbachstr. 19
52074 Aachen
Tel: +49 241 80–27400
info@wzl.rwth-aachen.de
www.wzl.rwth-aachen.de
WBA Aachener Werkzeugbau Akademie GmbH
Campus-Boulevard 30
52074 Aachen
Tel. +49 241 990163 02
info@werkzeugbau-akademie.de
www.werkzeugbau-akademie.de
www.excellence-in-production.de