Startseite » Technik » Fertigung »

Feiner Strahl schneidet komplexe Werkstücke in Serie

Wasserstrahlschneiden: Stark verbesserte Präzision eröffnet Zulieferer neue Geschäftsfelder
Feiner Strahl schneidet komplexe Werkstücke in Serie

Eine neue Qualität hat das Wasserstrahlschneiden bei Dick & Dick bekommen. Der Thüringer Schweiß- und Schneidspezialist setzt seit etwa einem Jahr eine Womajet Mikrowasserstrahl-Anlage von Daetwyler ein und erzielt damit eine um den Faktor 10 verbesserte Präzision und Wiederholgenauigkeit.

Nach ihrer Gründung 1994 setzte die Dick & Dick GmbH in Dingelstädt, zunächst auf Lohnfertigung mit einer Laserschneidanlage. Doch die Fertigungsumfänge dehnten sich schnell aus. Es kamen zunächst kleine Schweißaufträge und schließlich hochpräzise Schweißbaugruppen hinzu, vor allem aus den Bereichen Schienenfahrzeuge, Busse und Bahnen. Die Palette der Bearbeitungsverfahren wuchs ums konventionelle Bohren und Fräsen sowie ums CNC-Abkanten. Um das Angebotsspektrum zu erweitern investierten die Thüringer 1996 zudem in eine Wasserstrahlschneidanlage.

Ausschlaggebend für den Einstieg ins Wasserstrahlschneiden war, dass in den Schweißbaugruppen immer dickere Einzelteile zum Einsatz kamen, die sich per Laser nicht mehr trennen ließen. „Wir haben damals schon das Potential des Wasserstrahlschneidens erkannt“, erläutert Geschäftsführer Martin Dick. Fast zehn Jahre lang bildete das Verfahren ein wichtiges Standbein. Dann begannen die Probleme: Die Materialpreise stiegen, und die Kunden forderten Teile in hoher Präzision, die keine Nacharbeiten erfordern. Das konnte das damalige Wasserstrahlschneiden nicht leisten. „Wir haben viele Aufträge an Erodierer und Fräser verloren“, erinnert sich der Geschäftsführer. Das Wasserstrahlschneiden lief noch – aber nur um billige Vorprodukte herzustellen. Dieses Dumpingschneiden, wie Dick es nennt, entsprach so gar nicht seinem Anspruch: „Wir wollten ein fertiges Produkt verkaufen, das der Kunde nicht nochmals anfassen muss, und das natürlich seinen Preis hat.“
Der Unternehmer erwog sogar, aus dem Wasserstrahlschneiden auszusteigen. Nicht verzichten wollte er jedoch auf die Vorteile des Verfahrens: schnelles und kostengünstiges Herstellen von Prototypteilen, Schneiden ohne Wärmeentwicklung, Werkstoffverhärtungen, Verfärbungen oder Risse, gute Materialausnutzung und nicht zuletzt. dass sich fast jeder Werkstoff damit trennen lässt.
Zunächst versuchte das Unternehmen, die vorhandene Anlage umzubauen, um höhere Präzision zu erreichen. Das scheiterte am Aufwand und an den Kosten. Schnell wurde klar: Mit einem Wechsel der Steuerung war es nicht getan, die maschinenbauliche Basis der Anlage ließ die nötige mechanische Präzision vermissen. Im zweiten Anlauf ließ sich Dick 2007 eine Wasserstrahlanlage für präzise Schnitte maßschneidern. Nach und nach kamen auch Aufträge – und schließlich die Ernüchterung: Die Positionier- und die Wiederholgenauigkeit reichten für höchste Ansprüche immer noch nicht aus.
Dick erinnert sich: „Dann haben wir Walter Maurer angerufen, den Gründer der Schweizer Waterjet AG, der als Papst des Wasserstrahlschneidens gilt und seinerseits eine Mikrowasserstrahlanlage entwickelte, die er auch selbst einsetzte.“ Danach ging alles recht schnell: Dick ließ sich bei Maurer dessen Technik in der Praxis vorführen. Bei der Daetwyler AG im schweizerischen Bleienbach, dem Hersteller der Anlagen, inspizierte er die maschinenbauliche Basis genau. Was er dort sah, überzeugte ihn: „Das ist von Grund auf topp gebaut, das funktioniert“, war er sofort sicher. Denn die Womajet F3-Anlagen – ab der Version F4 unter dem Namen Microwaterjet im Handel – besitzen ein stabiles Maschinenbett und ein beidseitig gelagertes Portal, das über zwei Kugelrollspindeln angetrieben wird. Damit die Positioniergenauigkeit unter 1 µm eingehalten werden kann, wurden unter anderem Glasmaßstäbe über die volle Länge installiert. Die reproduzierbare Präzision liegt im Bearbeitungsbereich von 600 mm x 1000 mm bei ± 0,01 mm. Zudem wurde der Durchmesser des Wasserstrahls, dem ein sehr feinkörniges Abrasiv beigesetzt wird, von 0,5 auf 0,3 mm reduziert. Unterm Strich verbesserte sich damit die Genauigkeit nochmals um den Faktor zehn: Denn mit seiner bereits vorhandenen Anlage erreichte Dick & Dick auch schon beachtliche Toleranzen von ± 0,1 mm.
Seit Ende 2009 läuft die erste Womajet F3 bei den Thüringern. „Seither können wir echtes Microcutting anbieten“, freut sich Kai Stöber, der für dieses Aufgabenfeld verantwortlich ist. Die Kunden freuen sich offensichtlich auch, denn mittlerweile ist bereits die zweite Schicht ausgelastet. Und Martin Dick hat schon die Microwaterjet F4 im Blick, die im Herbst auf den Markt kommt.
Mit der neuen Technologie öffneten sich für das Thüringer Unternehmen neue Horizonte: „Wir fertigen jetzt auch Serien – damit hätten wir nie gerechnet“, sagt Dick. Zuvor hatte er fürs Mikrowasserstrahlschneiden nur die Fertigung von Einzelteilen, etwa für die Erprobung, im Fokus und ging davon aus, für höhere Stückzahlen werde etwa das Erodieren zum Zuge kommen. „Aber auf einmal bestellten Kunden sogar Serien, weil es für viele Materialien keine andere vernünftige Trenntechnologie gibt. Der Wasserstrahl schneidet, ohne dass das Material aufhärtet und sich das Gefüge verändert. Mit der Womajet halten wir auch engste Toleranzen ein.“ Für Dick hat diese Technologie gewaltiges Potenzial.
Die neue Qualität des Wasserstrahlschneidens erahnt man bereits, wenn man im thüringischen Mühlhausen die Fertigungsräume betritt, die fast wie Reinräume wirken: In einem wird geschnitten, im anderen werden Teile vermessen – und beide sind klimatisiert. Konsequenterweise hat Dick den Standort in Mühlhausen ausschließlich fürs Mikrowasserstrahlschneiden eingerichtet. Schweißen, Laserschneiden und die allererste Wasserstrahlanlage befinden sich im knapp 20 km weiter nördlich gelegenen Dingelstädt, am Stammsitz des Unternehmens.
Kunden für die Präzisionsteile aus Mühlhausen sind beispielsweise Automobilzulieferer, Prototypenbauer, Unternehmen aus der Medizintechnik, der Uhrenindustrie, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Die Liste ihrer Aufträge ist lang. Geschnitten werden beispielsweise 1 mm dicke Scheiben von einem Schmiedeteil als Basis für Ohrschmuck, Löcher in Zifferblättern für Uhren, Schwingböden mit feinsten Stegen für die Elektroindustrie, Siebe aus PVC als Tropfstopper für einen Handdosierer oder bis zu 20 mm dicke Schnittwerkzeuge für Prototypenbauer aus der Automobilindustrie. Außerdem werden Vorarbeiten für Fräsbetriebe ausgeführt.
Um optimale Ergebnisse zu erzielen, ist neben der Präzision der Anlage viel Erfahrung nötig, denn jedes Material besitzt Eigenheiten, die beim Schneiden berücksichtigt werden müssen. Erforderlich ist aber auch Neugier auf die neuen Möglichkeiten. Daher hat Martin Dick für die Bedienung der Maschine keinen Wasserstrahl-Veteranen ausgewählt, sondern gezielt einen Facharbeiter, der zuvor noch nichts damit zu tun hatte. Die Strategie hinter dieser Entscheidung: Er sollte sich ohne Vorbehalte offen auf die neue Technologie einlassen und die Möglichkeiten ausprobieren.
In einem Punkt allerdings war keine gedankliche Umstellung erforderlich. Für die Programmierung der Womajet F3 nutzt Dick & Dick ein CAD-System namens PEPS, das auch schon beim Laserschneiden zum Einsatz kommt. Zusammen mit der hochpräzisen Messmaschine ergibt sich sogar die Möglichkeit zum Reverse Engineering. Wenn also beispielsweise jemand mit einem beschädigten Zahnrad aus Opas Uhr kommt, vermessen es die Spezialisten und stellen ein neues her.
Beat Trösch Bereichsleiter Marketing und Verkauf, Max Daetwyler AG, Bleienbach/Schweiz
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de