Zylinderbearbeitung | Mit dem Formhonen berücksichtigt Gehring die im Betrieb eines Verbrennungsmotors auftretenden Effekte. Die Folge ist ein um mindestens 3 g/km reduzierter CO2-Ausstoß.
Gerhard Flores Leiter Technologieentwicklung, Gehring Technologies GmbH, Ostfildern
Neuwagenflotten, die in Europa ab Ende des Jahres angeboten werden, sollen im Schnitt nicht mehr als 130 g CO2 pro Kilometer Fahrstrecke freisetzen – andernfalls drohen den Herstellern saftige Geldstrafen. Diese scharfen Grenzwerte sind die Triebfeder für die Entwicklung von Verbrennungsmotoren mit reduziertem Schadstoffausstoß.
Beim konventionellen Bearbeiten der Zylinderlaufbahnen können die Anforderungen hinsichtlich einer hohen Zylinderform- und Oberflächengüte nicht erfüllt werden, weil es zu Deformierungen der Laufbahn kommt. Das Formhonen ermöglicht es nun, Freiformen in zylindrischen Bohrungen zu erzeugen. Damit trägt das Fertigungsverfahren dazu bei, die Energieeffizienz moderner Verbrennungsmotoren zu verbessern und die CO2-Emission zu reduzieren.
In der bisherigen Fertigung von Verbrennungsmotoren besteht die Forderung nach zylindrischen Bohrungen mit hoher Form- und Oberflächengüte. Die Bearbeitungsmakroform bleibt jedoch im Betrieb des Motors aufgrund mechanischer und thermischer Einflüsse nicht erhalten. Diese Einflüsse bewirken im Betriebszustand komplexe Verzugsmechanismen, die die Zylinderlaufbahnen deutlich abweichend von der ideal-zylindrischen Form deformieren. Daher sind zum Ausgleich des Zylinderverzugs hohe Ringspannungen nötig.
Es wurde ein Honverfahren entwickelt, das nicht die zylindrische Bohrungsform zum Ziel hat, sondern bereits die zu erwartenden Verzüge fertigungstechnisch berücksichtigt, so dass sich unter Betriebsbedingungen quasi-zylindrische Bohrungsmantelflächen einstellen. Dadurch wird es möglich, die Kolbenringspannung zu reduzieren. Die Folge sind eine geringere Reibung, geringerer Kraftstoffbedarf und somit eine reduzierte CO2-Emissionen.
Darüber hinaus berücksichtigen die aktuellen Entwicklungen des Formhonens auch die Reibung des Kolbenhemds im betriebswarmen Zylinder durch gezielte lokale Spielvergrößerungen im unteren Bereich der Bohrung. Dies ist ohne Beeinträchtigung des NVH-Verhaltens des Motors möglich.
Beide innovative Ansätze – die Freiform zur Kompensation von Zylinderverzügen und die lokale Spielvergrößerung zur Reibungsreduzierung am Kolbenhemd – können sowohl in einer komplexen Form kombiniert, als auch für sich angewendet werden. Entsprechend dem hohen Freiheitsgrad des Formhonens sind die möglichen Formen, von der einfachen Bottleneck-Form bis zur komplexen Freiform graduiert anwendbar.
Formhonen ist inzwischen ein Fertigungsverfahren mit hohem Reifegrad. Die Verfahrenskomponenten sind verfügbar. Die lokal und temporär unterschiedlichen Zustellbewegungen der einzelnen Honleisten erfolgen mit mono- oder multiaktorischen Zustellsystemen. Konventionelle Hontechnik, mit Honleisten unterschiedlicher Längen und Hubeinstellungen, lässt sich auch bei einfachen Bottleneck-Formen nicht prozesssicher einsetzen. Die beim Formhonen verwendeten Piezo-Steller arbeiten mit der notwendigen Dynamik, Präzision und Zuverlässigkeit. Die reibungsoptimierten Formhonwerkzeuge sind mit verschleißfesten Schneidstoffen ausgelegt. Die finalen Glätthonwerkzeuge sichern einen äquidistanten Abtrag und eine anforderungsgerechte Peak- oder Plateauoberfläche.
Zur Beschreibung der komplexen Freiformen wurden erweiterte Qualitätsbegriffe definiert, die auch in der Serienfertigung praktikabel sind. Zur Prozessüberwachung sind Postprozess-Messeinrichtungen verfügbar, die durch Feed-Back-Funktionen das Arbeitsergebnis stabilisieren.
Mit Formhonen können enge Freiformtoleranzen innerhalb weniger Mikrometer eingehalten werden. Die Bearbeitungszeiten und die Schneidmittelkosten je Bohrung entsprechen denen konventioneller Honprozesse. Formhonen kann in ein- und mehrspindelige Standard-Honmaschinen integriert und automatisiert werden. Die CO2-Reduktion liegt je nach Motor und Graduierung des Formhonens bei mindestens 3 g/km.
Gehring Technologies hat verschiedene Serienanwendungen in Vorbereitung. CEO Dr. Sebastian Schöning sieht im Verfahren vielfältige Chancen: „Wir haben mit dem Formhonen einen neuen Trend in der Feinbearbeitung von Bohrungen in optimierten Leichtbaukomponenten vorgegeben. Es erweitert das Anwendungspotenzial des Honens. Mit der Effizienzsteigerung am befeuerten Aggregat leistet das Formhonen einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit des Verbrennungsmotors.“ •
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