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Frischer Ostwind

Fertigung
Frischer Ostwind

An der Schnittstelle zwischen Technologie und Anwendung hat sich das Institut Chemnitzer Maschinen- und Anlagenbau e.V. (ICM) platziert. Die Entwicklung innovativer Prozesse und Produkte wäre für Kleinbetriebe ohne das Netzwerk kaum möglich.

Nach der Wende lag ein Großteil der ostdeutschen Industrie am Boden. Dass die Maschinen- und Anlagenbauer in den neuen Bundesländern schnell wieder auf die Beine kamen, verdanken sie unter anderem dem ICM. „In der Privatisierungsphase haben sich die ersten Kooperationsverbünde gebildet“, sagt ICM-Geschäftsführerin Dr. Heidrun Steinbach. Die promovierte Ingenieurin wusste schon damals, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nur mit Hilfe innovativer Produkte und Prozesse eine Chance auf dem Weltmarkt haben. „Dafür können kleinere Firmen bis circa 50 Mitarbeiter schneller und flexibler als große Unternehmen auf neue Anforderungen reagieren“, so Steinbach.

Angefangen hat alles mit drei Betrieben, die durch eine Kooperation ihre Ressourcen bündeln wollten. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich das Netzwerk etabliert: Heute arbeiten 68 Mitgliedsunternehmen und 31 Forschungspartner an unterschiedlichen Themen und konzentrieren sich vorwiegend auf die Baugruppen- und Produktentwicklung unter Integration neuer Werkstoffe (Leichtbau- und Verbundwerkstoffe), Adaptronik und den Einsatz von IT-Technologien. Dabei entstanden ein modularer Walzenrefiner zur Herstellung feinster Gummifolien, ein Tandemkneter zur Herstellung von Fertigmischungen in der Gummi- und Reifenindustrie und eine Technologie zur Komplettbearbeitung rotationssymmetrischer Werkstücke – um nur einige Projekte zu nennen.
Da das ICM zwischen Technologie und Anwendung angesiedelt ist, betreibt es Grundlagen- und Anwendungsforschung. Umgesetzt werden die Ergebnisse etwa im Klinikum Chemnitz: „Unsere Maschinenbau- und Elektroingenieure nutzen ihr Fachwissen, um medizinische Geräte zu entwickeln“, so Steinbach. Das ICM hat mit seinen Partnern ein optisch arbeitendes Verriegelungssystem entwickelt, das bei Marknageloperationen in der Orthopädischen Chirurgie zum Einsatz kommen soll. Dieser Metallnagel mit Löchern wird in den Knochen eingeführt: „So kann der Chirurg mit einer Art Navigationsgerät festlegen, wo er den Bohrer ansetzen muss.“ So ließen sich nicht nur die Zahl der Röntgenaufnahmen, sondern auch die Operationsrisiken minimieren.
Ein neues Standbein ist die Logistik: Mit dem Innvelo, einem alternativen Fahrzeugkonzept für Kurzstrecken, schlägt das ICM die Brücke zwischen dem E-Fahrrad und E-Auto. „Es lässt sich kommerziell und privat nutzen, ich kann mir aber auch einen Einsatz im Fun-Bereich vorstellen“, meint Steinbach. Welche Anwendungen möglich sind, zeigt sich Ende 2011 – dann ist der Prototyp gebaut.
Auch bei der Prozessoptimierung hat das ICM mit seinen Partnern viel erreicht – etwa die Optimierung der Fertigungs-, Montage- und Produktionssystemplanung. Dabei legt das Institut Wert auf Ergonomie sowie eine umwelt- und ressourcenschonende Produktion.
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden-Echterdingen

… und in Zahlen

Gründung: 1992
Geschäftsleitung: Heidrun Steinbach
Mitglieder: 68
Forschungspartner: 31
Beschäftigte: 34
Einnahmen: 2,9 Mio. Euro

Schwingungsfreie Rohrbearbeitung

Flexibles Werkzeugsystem spart bis zu fünf Arbeitsschritte

Im Bereich Sondermaschinen unterstützt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) das ICM mit marktorientierter Forschungsförderung. Ein Ergebnis ist eine Rota-Maschine, die die Bearbeitung von Rohren optimiert.
Lange Rohre stellten die Industrie immer wieder vor Probleme: „Früher wurden sie in konventionellen Drehmaschinen bearbeitet“, erklärt Jens Rolle, Projektleiter im ICM für Sondermaschinen. Die Arbeitsschritte erfolgten nacheinander, das heißt: „Die Bearbeitungszeit war relativ hoch.“ Doch es gab noch ein weiteres, viel gravierendes Problem: In klassischen Drehmaschinen muss man das Rohr in Drehung versetzen, was bei sehr langen Rohren starke Schwingungen erzeugt. Für die Fixierung waren einige Spannstellen erforderlich, die durch die ständigen Vibrationen beschädigt werden konnten. Zur langen Bearbeitungszeit kam also ein hoher Materialverschleiß hinzu.
Die Lösung, die das ICM entwickelt hat, dreht den Spieß um: Nun rotiert nicht mehr das Rohr, sondern das Werkzeug. „Es können bis zu sechs Bearbeitungsschritte gleichzeitig erfolgen“, sagt Rolle. Während die Spannmittel das Rohr fixieren, können die beweglichen Werkzeuge beispielsweise entgraten, phasen, planen und ein Gewinde schneiden.
Ein weiterer Vorteil: „Wenn man in einer Taktstraße einen Prozess, der vorher durch mehrere Maschinen realisiert wurde, in einer Maschine ausführen kann, sinkt der Aufwand an Zuführeinrichtungen und die Produktion wird preiswerter“, so Rolle. Früher musste man mehrere Maschinen hintereinander stellen, was die Automation erschwerte.

„Elektromobilität ist ein neues Standbein in unserem Innovationsnetz“

Nachgefragt

Ihr Verein feiert nächstes Jahr sein 20-jähriges Bestehen. Was haben Sie bisher erreicht?
Nach der Wende, in der Zeit der Privatisierung, wurde der Maschinenbau in Sachsen komplett neu aufgestellt. Wir sind das dienstälteste Netzwerk in diesem Bereich in Deutschland und konnten durch Kooperationen innovative Produkte und Prozesse für die Automobilindustrie, die Bahntechnik und andere Branchen entwickeln – etwa im Leichtbau und bei Sondermaschinen.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
„Mit der Rota-Maschine zur Bearbeitung von Rohrenden beispielsweise konnten sechs Arbeitsschritte zu einem zusammengefasst werden.
Und was planen Sie für die nächsten Jahre?
Gemeinsam mit unseren jungen Ingenieuren wollen wir die Forschung, etwa im Bereich Elektromobilität, vorantreiben. Dort sind erste Patente in der Beantragung.

Das Cluster in Kürze…

Das Institut Chemnitzer Maschinen- und Anlagenbau (IMC) ist ein Kooperationsnetzwerk für Innovationen und Systemlösungen, das 1992 als gemeinnütziger Verein entstand. Die aktive Forschungsarbeit begann 1996 mit Prozessinnovationen, 1998 kamen Produktinnovationen dazu. Das ICM bearbeitet Forschungs- und Entwicklungsaufträge für das BMBF, das BMWi, die Technologieförderung in Sachsen und die EU. 2005 folgte die Ausgründung des Tochterunternehmens ICM GmbH Innovation + Cooperation für Maschinenbaunetze.
Das Netzwerk soll die Überlebensfähigkeit der noch vorhandenen Maschinenbauunternehmen sichern und ihre globale Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Zudem unterstützt es seine Mitglieder dabei, Arbeitsplätze zu erhalten und auszubauen, und leistet damit einen Beitrag zur Beschäftigungs- und Strukturpolitik in Südwestsachsen. Unterstützt wird das IMC durch seine wissenschaftlichen Partner: die TU Chemnitz und die Hochschule Mittweida, University of Applied Sciences.
Die Mitglieder bilden überbetriebliche Arbeitsgruppen – etwa für Produktion, F&E, Einkauf und Personalentwicklung, teilen sich Ressourcen, tauschen ohne feste Zeit- und Organisationsstruktur Erfahrungen aus, gestalten Projektverbünde in Forschung und Entwicklung und schaffen sogar gemeinsame Unternehmen.
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