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Graphit und Stahl im Wechsel fräsen

Cleverer Medieneinsatz ermöglicht effiziente Automatisierung
Graphit und Stahl im Wechsel fräsen

Werkzeugbau | Durch einen innovativen Mediumverteiler löste Phoenix Contact die Herausforderungen, die beim automatisierten Verarbeiten von Stahl und Graphit in einer Fräsmaschine entstehen.

Klaus Vollrath

Das Herstellen von Kunststoffteilen für anreihbare Klemmen und Gehäuse für Schaltschränke stellt höchste Anforderungen an die Präzision der Spritzgießwerkzeuge. Schon kleinste Abweichungen addieren sich beim Anreihen der Elemente auf, so dass teils groteske Winkel- und Torsionsfehler auftreten könnten. Die Phoenix Contact GmbH & Co. KG in Blomberg fertigt daher sämtliche Spritzgießwerkzeuge für die weltweiten Produktionswerke selbst. Hierbei gelten höchste Standards, auch mit Blick auf die Prozessfähigkeit oder die Beherrschbarkeit der späteren Produktion. Deshalb erstellt man nicht etwa nur Werkzeuge nach Vorgabe: In Partnerschaft mit den Anwendern übernimmt die Abteilung Special Tooling aktiv Verantwortung für die prozessgerechte und wirtschaftliche Auslegung der Werkzeuge und für die Qualifizierung der Standorte. Aus diesem Grund muss ein Spritzgießwerkzeug, bevor es die Abteilung verlassen darf, nicht nur einige Musterstücke ausstoßen, sondern acht Stunden Produktionsbetrieb durchstehen. Anschließen wird überprüft, ob alle Sollvorgaben eingehalten sind.
In der Fertigung setzt der Werkzeugbau Komponenten auf moderne, vernetzte Produktionssysteme. Ein Beispiel dafür ist eine verfahrensgemischte Fertigungskette, bestehend aus zwei Fräsbearbeitungszentren – eines von Röders für die Hartbearbeitung sowie die Elektrodenherstellung und eines von DMG Mori fürs Weichbearbeiten –, einer Senkerodieranlage, einer Koordinatenmessmaschine, einem Waschautomaten und mehreren Tellermagazinen für Fräswerkzeuge sowie Paletten für Stahlwerkstücke und Graphitelektroden. Das Ganze wird durch ein Erowa-Handlingsystem komplettiert.
Beim Hartbearbeiten sowie der Elektrodenherstellung spielt Präzision eine entscheidende Rolle, zumal extrem filigrane Konturen und herausfordernde Verhältnisse von Wanddicke zu Höhe der Stege an den Bauteilen herzustellen sind. Hier sind teils feinste Werkzeuge mit Fräserdurchmessern bis herab zu 0,2 mm sowie Bearbeitungsgenauigkeiten im µm-Bereich gefragt.
Teil dieser Fertigungskette, die Anfang 2014 installiert wurde, ist ein 5-Achsen-Fräszentrum RXP 500 DS von Röders. Diese HSC-Anlage wurde 2008 installiert und mit sehr gutem Erfolg in der automatisierten Hartbearbeitung mit einem konventionellen Minimalmengenschmiersystem eingesetzt. Von Anfang an hätten nicht nur die guten Leistungen der Maschine überzeugt, sondern auch deren einfache Bedienbarkeit sowie der sehr gute Service der Soltauer. Im Problemfall dauere es meist nur wenige Stunden, bis die Servicemitarbeiter eintreffen. Aufgrund der hohen Leistungsfähigkeit und der erzielbaren Genauigkeit sind bei Phoenix Contact inzwischen weitere Röders-HSC-Fräsmaschinen im Einsatz. Beim Verknüpfen der unterschiedlichen Systeme erwies sich die Up-date-Fähigkeit der Röders-Steuerung als sehr positiv. So konnte sie problemlos an Konfigurationsänderungen des Gesamtsystems angepasst werden.
Da die Anlage in ihrer neuen Umgebung in erheblichem Maße zum von Anfang anfürs Bearbeitung von Graphit eingesetzt werden sollte, war eine Umstellung der Schmierphilosophie nötig: Durch die bisherige, hoch dosierte Minimalmengenschmierung lagerten sich Ölreste an Maschinentisch, Platte und im Arbeitsraum ab. Daran hätte sich unweigerlich Graphitstaub abgelagert und zu Problemen beim Automatisieren geführt. Um das zu vermeiden, wäre eine manuelle Reinigung beim Wechsel des zu bearbeitenden Materials nötig gewesen. Tests zeigten schnell, dass für die gewünschte Bearbeitungsqualität auf eine Schmierung beim Bearbeiten von Stahl nicht verzichtet werden kann. Es musste also eine Lösung her, die beiden Werkstoffen gerecht wird.
„Bei der Suche stießen wir auf den Mediumverteiler von MHT. Er ermöglicht es, mit nur einem System die eigentlich gegensätzlichen Anforderungen einfach und zuverlässig zu bewältigen“, sagt Nikolaus Chaintoutis, Werkstattleiter in der Abteilung Special Tooling bei Phoenix Contact. Beim Mediumverteiler handelt es sich um eine Art Hülse, die den Werkzeughalter eng umschließt, ohne ihn jedoch zu berühren. Dieser Düsenkörper wird über einen Adapter fest an der Z-Achse angeflanscht und über zwei Leitungen mit Druckluft oder einem Schmierstoffmedium versorgt. Beide Medien werden im Düsenkörper gemischt und über einen Kranz feiner Kanäle im Düsenkörper bis dicht an den Werkzeugschaft geführt. Der Schaft und die Werkzeugspitze werden so durch einen scharfen Strahl aus Luft oder einem Gemisch aus Schmierstoff und Luft bis zur Werkzeugspitze umströmt. Der scharfe Strahl sorgt gleichzeitig dafür, dass Abrieb und Späne zielgenau aus dem Arbeitsbereich der Schneide entfernt werden. Durch die präzise Zuführung des Öl-Luftgemisches genügt eine deutlich reduzierte Ölmenge, um bei der Hartbearbeitung eine gute Schmierwirkung zu erzielen. Und aufgrund der geringen Ölmenge gibt es quasi keine Ölablagerungen und somit auch keine Graphitanhaftungen.
Der Düsenkörper und das Spannfutter mit dem Werkzeug werden als kombinierte Einheit im Magazin vorgehalten. Der Austausch dieser Einheit erfolgt ebenso schnell und effizient wie ein normaler Werkzeugwechsel. Lediglich die Aufnahmen in den Magazinen müssen angepasst werden. Aufgrund dieses Konzepts war das System an der vorhandenen RXP 500 DS mit vergleichsweise geringem Aufwand nachzurüsten.
„Der Einsatz des Mediumverteilers hat sich bei uns inzwischen bestens bewährt“, erläutert Chaintoutis. Die RXP 500 DS wird für die Hart- und Weichbearbeitung von Stahl ebenso wie fürs Herstellen von Graphitelektroden eingesetzt. Beim Bearbeiten von Graphit werden die entstehenden Stäube zielgenau mit Druckluft von der Zerspanstelle weggeblasen. Beim Hartbearbeiten erfolgt dies ähnlich, nur dass der Druckluft ein minimaler Anteil an Öl beigemischt ist. An der Güte der Bearbeitung hat sich durch die Umstellung nichts geändert. So werden etwa Passungen bis H7 in Werkzeugstähle mit Härten von 52 HRC eingebracht oder Toleranzen ±5µm bei einer hohen Prozessfähigkeit zuverlässig eingehalten.
Durch die geringe Menge eingesetzten Öls ist der Arbeitsraum durchgehend trocken. Den Graphitstaub entfernt eine leistungsfähige Absaugung. Normalerweise genügt es, zusätzlich einmal pro Arbeitstag den Innenraum mithilfe eines an die Absaugung angeschlossenen Handstaubsaugers kurz zu reinigen.
„Nach inzwischen fast einem Jahr Erfahrung mit dem System können wir über deutliche Fortschritte berichten“, freut sich Chaintoutis. Dank des gezielten Einsatzes von Druckluft beim Graphitbearbeiten, können die Teile anschließend ohne Zwischenreinigung direkt in die Messmaschine überführt werden. Zudem ist die Oberflächenqualität besser als früher. Erfreuliche Verbesserungen ergaben sich auch bezüglich der Werkzeugstandzeiten. Ausfälle durch Werkzeugbruch hätten sich signifikant verringert. Das bereits hohe Niveau der Prozesssicherheit konnte unverändert gehalten werden.
Fachjournalist in Aarwangen/Schweiz
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