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Gunnar Mey, Leiter Industriemessen in Stuttgart, über die kommende AMB

Messe AMB
Gunnar Mey, Abteilungsleiter Industriemessen bei der Messe Stuttgart, über die kommende AMB

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Welche Neuheiten Aussteller und Besucher der Metallbearbeitungsmesse AMB erwarten dürfen und wie die Herausforderungen der letzten beiden Jahre die Messe und das Messegeschäft verändert haben, sagt Gunnar Mey. Er leitet bei der Messe Stuttgart die Abteilung Industriemessen.

» Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger

Herr Mey, wie haben Sie als Veranstalter – unter anderem der AMB – die lange Zwangspause im Messewesen erlebt?

Diese Zeit war gekennzeichnet durch eine unfassbare Unsicherheit. Wir alle konnten nur spekulieren, was mit den Messen geschieht und wohin sich das Messegeschäft entwickelt. Wenn ich nur mein Team betrachte, das hier in Stuttgart die Industriemessen organisiert, dann haben wir acht Messen vorbereitet, die wir nicht durchführen konnten. Acht physische Messen zu organisieren, als Plan B eine hybride Veranstaltung zu planen und als Plan C eine digitale Version durchzudeklinieren, bedeutet maximalen Aufwand. Vor allem, wenn man auch noch die Rückabwicklung all der Verträge berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund war die klare Aussage unserer Kunden, wieder Präsenzmessen haben zu wollen, ein Silberstreif am Horizont. Als wir im Oktober 2021 die Vision, die internationale Leitmesse für die Bildverarbeitung, durchführen durften, hat es sich wirklich toll angefühlt, wieder Gäste auf dem Gelände zu haben. Der positive Aspekt dabei: Aufgrund dieser Erfahrungen konnten wir unsere Resilienzfähigkeit deutlich steigern.

Wie hat sich das Messegeschäft in den letzten beiden Jahren verändert?

Aus meiner Sicht ist es noch zu früh, um das seriös zu beurteilen. Es geht ja gerade erst wieder richtig los. Unsere Frühjahrsmessen sind gut besucht. Vor allem von den großen Leitmessen haben aber noch zu wenige stattgefunden, um abschätzen zu können, wie sich die Situation entwickelt hat. Ob der Vergleich mit der Zeit vor der Pandemie sinnvoll ist, möchte ich nicht bewerten. Mir ist wichtig, dass es wieder losgeht, dass wir als Messeveranstalter wieder Angebot und Nachfrage zusammenbringen können. Gerne in einer großen Skalierung. Aber letztendlich geht es nur darum, dass die Veranstaltungen für Aussteller und Besucher passen. Und wenn dann einige Besucher weniger kommen, dann ist das für mich zu verschmerzen, solange die Richtigen kommen.

Wie konnten Sie und Ihre Kunden mit den Unwägbarkeiten umgehen?

Für die Besucher bestand kein finanzielles Risiko – abgesehen von eventuellen Reisekosten. Das war für unsere Aussteller und uns als Veranstalter natürlich ganz anders. Für beide Seiten war die Situation gleich schwierig. Wir haben uns an den Planungszeiträumen orientiert, die die Ministerpräsidentenkonferenz vorgegeben hat, und immer offen und ehrlich kommuniziert, was gerade möglich war und was nicht. Wir haben klare Meilensteinpläne ausgegeben, auf eine faktenbasierte, transparente Kommunikation geachtet und bei Corona-bedingten Absagen unseren Ausstellern die geleisteten Zahlungen zurückerstattet. Das honorieren unsere Kunden jetzt. Wir sind wirklich glücklich über die riesige Loyalität, die wir jetzt erleben dürfen.

Gibt es neue Anforderungen seitens der Aussteller oder der Besucher?

Wir haben viele Gespräche geführt und Workshops veranstaltet. Die Besucher erwarten natürlich zurecht, dass der Messebesuch sicher ist. Hier können wir berichten, dass sich unser Hygienekonzept auf der Vision gut bewährt hat. Seitens der Aussteller kommen natürlich Fragen wie: Was macht Ihr digital? Was passiert live? Gibt es einen digitalen Zwilling? Was muss ich bei meinem Standauftritt beachten? Aktuell sind die Corona-Auflagen weitestgehend aufgehoben, so dass die Aussteller planen können wie vor der Pandemie. Mit Blick auf die digitale Seite war es der klare Wunsch der Branche, keinen digitalen Zwilling der Messe zu machen, sondern digitale Ergänzungen anzubieten.

Welche digitalen Angebote gibt es?

Vorab, quasi als Appetithappen, bieten wir Websessions an und Vorabinformationen, um den Messebesuch effizient vorzubereiten. Auf der Messe werden wir einige unserer Angebote – etwa in der Trend-Lounge – aufzeichnen und anschließend On-Demand als digitale Verlängerung zur Verfügung stellen. Herzstück unseres Digitalkonzepts ist unser erweitertes Online-Ausstellerverzeichnis. Dort kann jeder Aussteller Bilder, Videos oder Unterlagen bereitstellen, Aktivitäten verlinken oder Personenprofile hinterlegen… Auf diese Angebote können Besucher direkt zugreifen und sie für ihre Messevorbereitung nutzen. Während der Messelaufzeit verzichten wir bei der AMB bewusst auf Live-Talks, Zoom-Calls oder Live-Rundgänge. Uns geht´s darum, Angebot und Nachfrage in den Hallen zusammenzubringen.

Welche neuen Erkenntnisse ergaben sich aus den Veranstaltungen, die in den letzten beiden Jahren stattfinden konnten?

Wir werden nicht die Ausstellerzahlen von 2018 erreichen und vermutlich auch nicht mit der gleichen Besucherzahl rechnen können. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass die Besucher viel besser informiert zur Messe kommen und die für sie interessanten Stände gezielter ansteuern als in der Vergangenheit. Die Besuchstage werden klar strukturiert und intensiv vorbereitet sein. Es wird viel mehr Gespräche auf Expertenlevel geben.

Werden wir nach der schöpferischen Pause eine veränderte AMB erleben?

Wir legen nach wie vor den Fokus auf die Präsenzveranstaltung. Ja, wir haben den digitalen Vorgeschmack, digitale Ergänzungen und eine digitale Verlängerung, aber unser Fokus liegt ganz klar auf den fünf Tagen, an denen es bei uns um die Zerspanung geht. Davor und danach gibt es noch viele andere Angebote – etwa der Fachpresse, der Verbände oder auch Hausausstellungen. Bei der AMB 2022 wird es einige Änderungen beim Rahmenprogramm geben. Beispielsweise findet auf unserer Trend-Lounge erstmals ein Klima- und Nachhaltigkeitstag statt. Dafür gibt es den Dreher der Jahres nicht mehr. Ebenfalls neu ist die Start-up-Area, auf der sich junge Unternehmen vorstellen können. Dafür haben wir keine wissenschaftliche Sonderschau mehr…

Gibt es Verschiebungen bei der Gewichtung zentraler Messethemen?

Den Kern bilden weiterhin Werkzeugmaschinen, Präzisionswerkzeuge und die dazu passenden Digitalisierungs- und Automatisierungsangebote. Wir werden nicht versuchen, Trendthemen an bestimmten Stellen zu zentralisieren. Das funktioniert nicht. Sämtliche Aussteller integrieren Themen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung in ihren Messeauftritt. Natürlich wird es in unserer Trend-Lounge spannende Thementage geben, unter anderem zu Industrial Security, Nachhaltigkeit oder zum Metall-Additiv-Druck. Letzterer ist eine der Neuerungen in der Nomenklatur. Viele Anbieter von metallauftragenden Maschinen waren schon in der Vergangenheit bei uns, nachdem wir das Thema mit allen Vor- und Nacharbeiten in die Nomenklatur aufgenommen haben, dürfen wir hier aber den einen oder anderen zusätzlichen Aussteller begrüßen. Das ist in dieser Form neu, aber nur ein Baustein des gesamten Konzepts.

Wie zufrieden sind Sie mit der Resonanz aus der Industrie auf die AMB 2022?

Wir sind echt überwältigt von der Loyalität der Aussteller, von der Messetreue – nicht nur zur AMB, sondern auch zum Format Messe an sich. Im Moment liegen wir bei rund 1.100 ausstellenden Unternehmen. Das ist toll, und das hätte ich zu den Hochzeiten der Pandemie kaum zu hoffen gewagt. Klar, wir haben das Glück, dass die AMB zu einem guten Zeitpunkt stattfindet. Ich denke wir können im Moment davon ausgehen, dass im September keine weiteren Einschränkungen zu erwarten sind. Aber wir sind uns auch bewusst, dass das nicht auszuschließen ist.

Ist die Aufplanung bereits abgeschlossen, oder haben kurzfristig interessierte noch Chancen auf einen AMB-Stand?

Gut 97 Prozent der Fläche sind bestätigt. Wir haben noch kleine Restflächen, die wir belegen können. In der Regel sind das kleinere Flächen mit 20 oder 25 Quadratmetern. Hier sind wir im regen Austausch mit Interessenten. Bei der Vergabe sind wir auf der AMB allerdings ein wenig eingeschränkt, weil wir uns an die thematische Aufplanung der Hallen halten müssen. Ich bin dennoch sehr zuversichtlich, dass wir die letzten freien Flächen bis September vergeben und mit einem ausgebuchten Gelände an den Start gehen können. Das hätten wir uns nicht besser wünschen können!

Was erwartet die Teilnehmer der „Self Guided Tours“? Wie läuft das ab?

Wir haben in der Vergangenheit geführte Touren angeboten, bei denen ein Experte die Teilnehmer entlang eines definierten Themas über die Messe und zu bestimmten Ständen führte. Jetzt nutzen wir die Möglichkeiten unseres Online-Ausstellerverzeichnisses, mit dessen Hilfe sich der Besucher vorbereiten und Aussteller mit passenden Exponaten und Anwendungen zu einem bestimmten Thema herausfiltern kann. Dieses Verzeichnis kann er auch nutzen, um sich über die Messe navigieren zu lassen – passend zu seinem Zeitplan und unabhängig vom Guide. Die Aussteller können entsprechende Angaben in den Katalog eintragen, vorausgesetzt, sie haben ein passendes Angebot und kompetente Ansprechpartner vor Ort, die dazu Auskunft geben können. Wir sehen diese Lösung als Vorstufe für ein künftiges KI-basiertes Ausstellerverzeichnis, bei dem künstliche Intelligenz herausfiltert, was für den jeweiligen Besucher interessant sein könnte.

Ist das schon geplant, innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens?

Früher dachte ich mal, KI komme bereits intelligent zur Welt. Aber ehe sie wirklich einen Mehrwert bietet, muss sie erstmal ganz schön viel lernen. Entsprechend startet das System jetzt schon und der Algorithmus wertet bereits das Suchverhalten aus, um damit die Basis zu schaffen für den künftigen intelligenten Katalog.

Was bietet die Sonderschau Smart Factory?

Federführend von Fanuc organisiert, wird sie zeigen, was heute mit Automatisierung und Digitalisierung möglich ist – mit einem physischen Prozess vor Ort, aber auch mit einem digitalen Zwilling. Wir werden eine richtig coole Installation gleich am Eingang Ost haben. Dabei geht´s um einen Kugelschreiber, den jeder Besucher individualisiert in Auftrag geben kann und der dann automatisiert mittels Laser beschriftet wird. Außerdem wird ein Kugelschreiberhalter aus Metall ebenfalls direkt auf dem Stand gefräst – beides unterliegt auch einer entsprechenden Qualitätskontrolle. Sobald alles fertig ist, erhält der Besucher eine Nachricht aufs Handy, dass er seinen Kugelschreiber abholen kann. Die große Herausforderung bei einer solchen Installation sind die Schnittstellen zwischen den Akteuren. Aber das ist ja genau das, was auch die Besucher in ihrem Shopfloor beschäftigt.

Was kann man sich unter der Trend-Lounge und der Trend-Area vorstellen?

Dabei handelt es sich um ein neues Konzept. In der Trend-Area veranstalten wir Thementage, an denen Experten mit unterschiedlichen Hintergründen ihr Know-how vermitteln. So werden beispielsweise am Thementag Industrial Security Firmen, die gehackt wurden, über ihre Erfahrungen berichten, es kommen Spezialisten vom Landeskriminalamt, die Tipps geben, wie man sich davor schützen kann, oder Software-Anbieter präsentieren ihre Lösungen… Nebenan in der Trend-Lounge haben die Referenten die Möglichkeit, sich an diesem Tag weiter zu präsentieren. Die Besucher können dort Kontakte knüpfen und sich mit den Experten austauschen. Die Referenten können sowohl von Ausstellern als auch von extern kommen – etwa von der Cyberwehr BW – und dann nur an diesem Tag vor Ort sein.

Was sind Pop-Up-Stände?

Das ist unsere International Association Area, auf der sich internationale Kooperationspartner präsentieren können. Wir kooperieren mit vielen internationalen Verbänden und Organisationen. Sie nutzen die Möglichkeit, ihre nationalen Messen und Events zu präsentieren und ihre Mitglieder zu betreuen. Hier werden unter anderem der spanische Verband AFM oder Taitra aus Taiwan vertreten sein. Mit unseren schwedischen Partnern haben wir erstmals eine direkte Flugverbindung von Jönköping nach Stuttgart organisiert, so dass die Besucher morgens anreisen, einen Tag auf der Messe verbringen und am Abend wieder zuhause sein können.

Was wird am Investorentag passieren?

Der Investorentag findet am Samstag statt. Für viele Start-ups ist eine Messeteilnahme aus zeitlicher und personeller Sicht schwierig. Deshalb haben wir ein besonderes Konzept entwickelt: Sie können sich an zwei Tagen an einem kleinen Stand präsentieren, müssen also nicht die ganze Zeit vor Ort sein. Aber sie haben die Möglichkeit, sich am Investorentag in der Trend-Lounge im Rahmen sogenannter Pitches potenziellen Geldgebern zu präsentieren. Zum Investorentag sind Förderer und Partner eingeladen, sowohl aus dem Umfeld der Aussteller oder externer Unternehmen als auch klassische Venture-Capital-Geber oder Business Angels, die junge Unternehmen kennenlernen wollen.

Welche Hoffnungen und Erwartungen verbinden Sie mit der AMB 2022?

Vor allem hoffe ich, dass wir die AMB so durchführen und die ausstellenden Unternehmen platzieren können, wie wir sie jetzt planen. Und dann wünsche ich mir, dass die AMB Ihre Position im Messemarkt festigen kann und auch künftig, alle zwei Jahre verlässliche Anlaufstelle für die Branche ist. Am liebsten natürlich mit allen relevanten Playern die sich mit einem eigen Stand präsentieren und ihre Innovationen in Stuttgart vorstellen. Unser Ziel ist es, die relevanten Themen mit unseren ideellen Trägern zu beleuchten und in Kooperation mit den Ausstellern entsprechend in Szene zu setzen. Ich bin schon neugierig, wie die Ergänzungen und Neuerungen angenommen werden. Die Reaktionen werden uns helfen, die Messe weiterzuentwickeln.

Wie soll sich die AMB in den kommenden Jahren entwickeln?

Mein Zeithorizont richtet sich – nach den Erfahrungen der letzten beiden Jahre – zunächst auf die anstehende Messe im September 2022. Mit der Loyalität unserer Aussteller bin ich aber zuversichtlich, dass wir bei der AMB 2024 mit anderen Planungshorizonten arbeiten können und mehr Planungssicherheit haben werden.

Gibt es weitere Planungen in Bezug auf das AMB Forum?

Ich glaube, es gibt sehr viele gute Formate, beispielsweise das mav Innovationsforum. Die brauchen wir, die sind wichtig. Für uns war das AMB-Forum 2020 eine tolle Möglichkeit, die blaue AMB-Fahne in der krisengeschüttelten Zeit hochzuhalten. Es hat sich aber gezeigt, dass die Erwartungen an eine AMB andere sind, dass man bei uns alle wichtigen Marktteilnehmer findet. Von daher haben wir uns entschieden, uns voll auf die AMB zu fokussieren und kein Forum mehr anzubieten. Diese Zeit nutzen wir lieber anderweitig, unter anderem für neue Messen wie die Grinding Hub, die wir gerade erstmals in Kooperation mit dem VDW veranstaltet haben.

Auf welche Verhaltensregeln müssen sich Aussteller und Besucher einstellen?

Seit Anfang April sind die Einschränkungen weitestgehend aufgehoben. Aktuell ist ein Messebetrieb ohne Auflagen möglich. Sollte sich das wieder ändern, haben wir Hygienekonzepte, die den unterschiedlichsten Szenarien gerecht werden und deren Wirksamkeit erprobt ist. Ich glaube, wir sind für alle denkbaren Szenarien gewappnet. Wir empfehlen, weiterhin eine Maske zu tragen, insbesondere dort, wo Abstände nicht eingehalten werden können.

Mit welchen Auswirkungen auf die Messe und die Teilnehmer rechnen Sie aufgrund aktueller Entwicklungen?

Dass die dramatisch gestiegenen Energiekosten und fehlende Bauteile und Rohmaterialien sich für die Unternehmen bereits massiv auswirken, das wird immer deutlicher. Und wenn die geopolitischen Konflikte weiter eskalieren, dann wird das zwangsläufig sowohl gesellschaftliche als auch makroökonomische Auswirkungen haben, die man sich gar nicht vorstellen möchte. Welche Priorität dann noch das Thema Messe haben kann, das möchte ich nicht beurteilen.

Kontakt:
Landesmesse Stuttgart GmbH
Messepiazza 1
70629 Stuttgart
Tel.: +49 711 18560–0
info@messe-stuttgart.de
www.messe-stuttgart.de
www.messe-stuttgart.de/amb/


Messe AMB

Die nächste AMB, internationale Messe für Metallbearbeitung, findet vom 13. bis 17. September 2022 in Stuttgart statt. Weitere Informationen: www.messe-stuttgart.de/amb/

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