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Herzstück der Fertigungstechnik

Digitalisierte Prozesse sind ein großes Thema auf der AMB
Herzstück der Fertigungstechnik

Vernetzte Fertigung | Module, die den Weg zu digitalisierten Abläufen ebnen, werden auf der AMB viele zu sehen sein. Sie sollen helfen, die Prozesse effizienter und sicherer zu machen. ❧ Mona Willrett

Werkzeugmaschinen werden immer schneller, präziser und zuverlässiger. Ihr grundsätzlicher Aufbau änderte sich dabei über die Jahre jedoch kaum. Die Entwicklung erfolgte eher evolutionär. Das wird auch auf der AMB, der internationalen Ausstellung für Metallbearbeitung in Stuttgart, so sein. Vom 13. bis zum 17. September stellen die Hersteller dort ihre Neuheiten vor.

Der Trend, die Maschinenleistung weiter zu optimieren werde sich weiter fortsetzen, sagt Axel Spinner in unserer Umfrage (ab Seite 38). „Schwerpunkte sind dabei eine verbesserte Zerspanleistung, eine höhere Verfügbarkeit durch die Automation der Prozesse, optimierte Energieeffizienz, ein geringer Platzbedarf und eine verbesserte Ergonomie“, so der geschäftsführende Gesellschafter der Spinner Werkzeugmaschinenfabrik GmbH (Halle 3, Stand D52).
Nachdem im letzten Herbst auf der Mailänder Messe EMO verschiedene hybride Bearbeitungszentren vorgestellt wurden, die dank eines integrierten Lasers auch Material auftragen, schweißen oder härten können, ist derzeit kaum mit der Integration weiterer Technologien zu rechnen. Trotzdem wird die Komplettbearbeitung in einer Aufspannung auch künftig ein Ziel sein. „Hybride Maschinenkonzepte haben weiterhin Potenzial“, sagt Manfred Maier. Der COO der Nürtinger Heller-Gruppe (Halle 5, Stand B55) betont aber: „Es geht nicht darum, die Maschine maximal hochzurüsten, sondern die für die spezifische Anwendung passenden Prozesse zu integrieren.“
In Stuttgart zeigt unter anderem GFH (Halle 6, Stand E01) eine Maschine mit integriertem Laser. Mittels Laserdrehen entstehen auf ihr hochgenaue Teile im µm-Bereich. Weil dabei weder mechanische noch relevante thermische Einflüsse aufs Werkstück wirken, lassen sich selbst kleinste Strukturen exakt und mit einer Oberflächengüte mit Ra-Werten unter 0,1 µm erzeugen. Bearbeitet werden können die unterschiedlichsten Materialien, von Metall über Kunststoffe wie Carbon bis hin zu extrem harten Werkstoffen wie Keramik.
Angesichts immer komplexerer Bearbeitungen erhalten auch Konzepte, die den Bediener unterstützen, eine zunehmende Bedeutung. Das beginnt bei Standardzyklen im Drehen, Fräsen und Bohren für die werkstattorientierte Programmierung, vor allem in der Einzelteilfertigung und beim Herstellen kleiner und mittlerer Stückzahlen. Über diesen Standard hinaus hat DMG Mori (Halle 7, Stand A01) auf Basis jahrzehntelanger Anwendungserfahrung derzeit 24 exklusive Technologiezyklen im Portfolio. Mit ihnen soll es dem Bediener in der Werkstatt möglich sein, über parametrisierte Kontextmenüs selbst komplexe Bearbeitungen bis zu 60 % schneller direkt an der Maschine zu programmieren. Herausragende Beispiele sind dabei das Bearbeiten von Freiformflächen durch 5-Achsen-Interpolation oder verschiedene Zyklen fürs Verzahnen.
Mehrere Schritte weiter in Richtung Nutzerführung und Visualisierung gehen Bedienkonzepte wie Celos von DMG Mori. Das App-basierte System ist ein zentraler Baustein der kundenorientierten Digitalisierungsstrategie des Werkzeugmaschinenbauers. Unter einer einheitlichen Oberfläche für Maschinen und Büro-PC können von den Mitarbeitern in ShopFloor und Arbeitsvorbereitung sämtliche Auftrags-, Prozess- und Maschinendaten verwaltet, dokumentiert und visualisiert werden. Über die Effekte im ShopFloor-Bereich hinaus ermöglicht Celos dank seiner offenen Architektur den Informationsaustausch mit übergeordneten Netzwerkstrukturen. Das System bietet dem Kunden laut DMG Mori die vollständige Integration seiner Maschinen in die Betriebsorganisation und schafft gleichzeitig bereits heute die Schnittstelle von der spanenden Fertigung in die cyberphysischen Produktionssysteme der Zukunft. Der Maschinenbauer verspricht in der täglichen Praxis 30 % Zeitersparnis beim Rüsten und einen um 50 % geringeren Aufwand fürs Berechnen von Technologiewerten oder das Suchen wichtiger Informationen. Zur AMB präsentiert DMG Mori zehn neue Celos-Apps. Darunter die neue Developer App, mit der es erstmals möglich ist, dass Partner ihre eigene App entwickeln.
Die Vision eines offenen, modularen App Stores für die Fertigungstechnik präsentiert die Trumpf-Tochter Axoom (Halle 5, Stand D32) . Die Karlsruher sind Mitaussteller am Stand des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt.
Die vernetzte Fertigung – oder Industrie 4.0 – wird eines der ganz großen Themen auf der AMB sein, das aber auch neue Anforderungen stellt und die Maschinenbauer in einigen Bereichen zum Umdenken zwingt. „Aus meiner Sicht sind dabei zwei Aspekte vordringlich“, sagt Prof. Christian Brecher. „Das sind die Digitalisierung und Virtualisierung der Maschine sowie deren Vernetzung.“ Im ersten Fall profitiere vor allem die Konstruktion. Mechanische und steuerungstechnische Modelle helfen dabei, das zu erwartende Verhalten der künftigen Maschine schnell und zuverlässig zu beurteilen und so viel effizienter die gesteckten Ziele zu erreichen. Die Vernetzung hingegen betreffe in erster Linie die Nutzungsphase der Werkzeugmaschine, sagt der Wissenschaftler, der den Direktorien des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie (IPT) und des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen angehört.
Auch wenn beispielsweise im Werkzeug- und Formenbau bereits automatisierte Fertigungszellen erfolgreich im Einsatz sind, sieht Brecher noch große Herausforderungen beim Bearbeiten variantenreicher Kleinserien auf solchen Anlagen. „Vielfach können die Prozesse nicht hauptzeitparallel in Betrieb genommen werden, oder die notwendige Expertise dafür fehlt. Zudem existieren bislang nur wenige Ansätze, eine funktional umfangreiche Schnittstelle zwischen Werkzeugmaschine und Roboter zu definieren.“ Dabei biete eine flexible Automation gerade für kleine und mittlere Unternehmen großes Potenzial. Ein Arbeitskreis soll nun genau diese Fragestellung beleuchten – sowohl forschungsseitig als auch in direkter Industriekooperation.
Als Herzstück einer Industrie-4.0-Lösung in der spanenden Fertigung sieht Prof. Jivka Ovtcharova das IT-Systemnetzwerk. Das ermögliche, sowohl in der Planung als auch in der Fertigung anfallende Daten zu erfassen und zu analysieren und so die Prozesse kontinuierlich zu verbessern. Offene Programmierschnittstellen seien eine treibende Kraft, um dies umzusetzen. Die Wissenschaftlerin vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die das Institut für Informationsmanagement im Ingenieurwesen (IMI) leitet, betont, die geringe Begeisterung in der Fertigungsindustrie für offene Schnittstellen sei zwar verständlich, aber nicht mehr zeitgemäß. „Offene Schnittstellen sind eine langfristige Investition, bei der zwar kurzfristig eigenes Know-how kostenfrei abgegeben wird, sich langfristig aber Reichweite, Bekanntheit und Marktpotenzial enorm erhöhen.“
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für solche Systeme ist eine Bedienung, die so einfach und intuitiv funktioniert wie bei einem Smartphone. Solche Human-Machine-Interface-(HMI)-Ansätze sind bei der Umsetzung von Industrie 4.0 gefragter denn je. Sie bauen auf bestehenden Erfahrungen aus dem Alltag auf und erfordern deshalb einen überschaubaren Schulungsaufwand.
Neben DMG Mori bieten auch andere Werkzeugmaschinenhersteller Steuerungs- und Software-Lösungen an, mit deren Hilfe sich Daten erfassen und analysieren, die Prozessstabilität und -transparenz verbessern oder übergeordnete Abläufe einbinden lassen. Beispiele dafür sind das Produktionsleitsystem Grob-Net4Industry des Mindelheimer Systemspezialisten Grob (Halle 5, Stand C38) oder die Steuerungsgeneration OSP suite von Okuma (am Hommel-Stand, Halle 3, Stand B14). Grob-CEO German Wankmiller sagt: „Unsere Bearbeitungszentren sind über diese Software-Anwendung vollständig mit anderen Maschinen, elektronischen Systemen und Mobile Devices vernetzbar. Unsere eigene Fertigung ist bereits komplett mit dem System ausgestattet, und auch mehrere Kunden haben es bereits in ihren Maschinen und Anlagen impliziert.“ Die sechs Module von Grob-Net4Industry ermöglichen die Organisation der direkten und indirekten Bereiche rund um die Zerspanung. Das Ziel ist, die Werkzeugmaschinen bestmöglich auszulasten. Von der Produktionsplanung, -überwachung und -analyse, über die Visualisierung von Vorgängen bei der Werkstückbearbeitung, bis hin zur aktiven Serviceunterstützung und zur Instandhaltung werden die modularen Applikationen schon heute den Zielen von Industrie 4.0 weitestgehend gerecht.
Beim Thema Datensicherheit gibt Jivka Ovtcharova zu bedenken: „Die beste Sicherheits-Software kann durch eine schwache Umsetzung wirkungslos werden. Die größte Schwachstelle in der Sicherheitsstrategie eines Unternehmens sind oft die Mitarbeiter.“ Deshalb empfiehlt sie, nicht nur in Hard- und Software zu investieren, sondern auch in die Schulung der Mitarbeiter.
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