Startseite » Technik » Fertigung »

„Hohe Flexibilität bei Geometrie-Gestaltung“

Freiformbiegen: Prof. Bernd Engel benennt Stärken und Schwächen
„Hohe Flexibilität bei Geometrie-Gestaltung“

Prof. Dr.-Ing. Bernd Engel lehrt am Institut für Fertigungstechnik der Universität Siegen und arbeitet dort an einem kombinierten Verfahren zum Dorn- und Freiformbiegen, das auf herkömmlicher Maschinentechnik eingesetzt werden kann.

Warum wird das Freiformbiegen von Rohren und Profilen gerade jetzt so hoch gehandelt?

Ich vermute, dass es zum Teil darin liegt, dass die Automobilindustrie an dieser Technik interessiert ist. Heute steht im Strukturbau deutlich die Tendenz zum Einsatz von Profilen im Schwerpunkt. Walzprofile verdrängen in bestimmten Bereichen das Innenhochdruckumformen (IHU). Die Längsverläufe, die durch IHU herstellbar waren, sind jedoch in Profilen nur durch Biegen darstellbar. Die werkzeuggebundene Biegetechnik ist allerdings bei den heute eingesetzten hochfesten Profilen mit ihren geringen Umformgraden kaum anwendbar. Es sind Verfahren gefragt, die durch Drucküberlagerung eine Gestaltgebung ermöglichen. Der Vorteil solcher Freiformbiegetechnik liegt dann auch in der hohen Flexibilität der Geometriegestaltung auch bei komplexen Querschnittsgeometrien. Zudem ist der Einsatz von Tailored rolled Profiles oder anderen Leichtbau-Halbzeugen denkbar.
Und das funktioniert problemlos?
Hier setzen die Schwierigkeiten der Prozessauslegung, -stabilität und Wiederholgenauigkeit an. Die in der Masse angewendeten Verfahren der Freiformbiegetechnik sind oft nach einem Trial-and-Error-Prozess ausgelegt. Es gibt sehr wenige systematische Untersuchungen zur Vorauslegung und der damit verbundenen Maschineneinstellung. Es ist typisch, dass die eingesetzten Biegetechniken aus der Werkstatttechnik entstanden sind, deren Belange aufgabenorientiert erweitert wurden. Die Universitäten beginnen erst damit, sich mit dem Freiformbiegen zu beschäftigen. Erst heute haben wir die Messmethoden für Freiformbiegekonturen.
Schon die mathematischen Beschreibungen der Freiformkurven im CAD ist nicht einfach, wie sieht es dann erst mit den Steuerungsdaten aus?
Da treffen Sie genau den Punkt! Ähnlich, wie es eine Vereinbarung zur Gestaltung und Bezeichnung von Biegekonturen beim Rotationszugbiegen gibt, auf deren Grundlage ja dann auch die Messtechnik funktioniert – ich meine hier die Einteilung in ideale Bögen und Zylinder –, so müssen auch in der Freiformbiegetechnik Grundlagen zur Beschreibung von Freiformkurven vereinbart werden. Wir sehen uns hier übrigens mit befreundeten Universitäten in der Pflicht. Denkbar wäre eine Spline-Beschreibung, die dann auch als Grundlage der Messtechnik verwendet werden kann. Um zu geeigneten Steuerungsgrundlagen zu kommen, müssen nicht nur die Anfahrpositionen der Werkzeugelemente aus den kinematischen Bedingungen berechnet werden, sondern auch die in jedem Punkt erforderlichen Rückfederungskorrekturen. Außerdem müssen Änderungen aus den Chargenschwankungen korrigiert werden. Entweder, indem aus vorher ermittelten Kennwerten für den im Prozess laufenden Bogen Korrekturwerte übernommen werden, oder durch einen Regelkreis, der korrigierend in den Prozess eingreift. Sämtliche heute verfügbaren Varianten befinden sich im Labor- und/oder Entwicklungsstatus. Wir selbst arbeiten an den genannten Themen im Rahmen einer ersten Dissertation, die gegen Ende des Jahres abgeschlossen sein wird.
Sie präferieren an ihrem Lehrstuhl in Siegen das Ziel einer kombinierten Lösung aus Dorn- und Freiformbiegen. Weshalb?
Das ist richtig. Tatsache ist, dass es kein Freiformbiegeverfahren gibt, das bei dünnwandigen Bauteilen eine Darstellung von Verhältnissen R/D < 2 ermöglicht. Die Idee ist, dass auf ein und derselben Maschine konventionelle Bögen als Radius werkzeuggebunden hergestellt werden. Dass aber gleichzeitig in einer „Freiformbiegeebene“ alle Bögen oberhalb einer durch das Halbzeug bestimmten Grenze hergestellt werden. Mit der Vorrichtung und der Erweiterung der Steuerung ist zudem gewährleistet, dass bestehende Maschinen umrüstbar wären.
Wann wird das Freiformbiegen die bisherigen Zugbiegeverfahren ablösen?
Ich glaube, nie. Das Freiformbiegen, egal in welcher Ausführung, wird eine sinnvolle Ergänzung zum werkzeuggebundenen Profilbiegen bleiben.
Volker Albrecht Fachjournalist in Bamberg
Spline-Beschreibung als Grundlage der Messtechnik
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de