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Immense Einspareffekte

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Immense Einspareffekte

Energieeffizienz | Der Werkzeugmaschinenhersteller Profiroll analysiert Energie- und Materialeinsparungen beim Kaltwalzen mit moderner Messtechnik und IT. Sein Forschungspartner Fraunhofer IWU will sogar die Energieflüsse in einer industriellen Produktionsumgebung aktiv steuern.

Stefan Schroeter Energiejournalist in Leipzig

Die kalte Umformtechnik liegt für Stephan Kohlsmann voll im Trend. Mit dieser Form der Metallbearbeitung seien stetig wachsende Qualitäten erreichbar, sagte Kohlsmann auf dem Kongress „Ressourceneffiziente Produktion“ in Leipzig. Vor allem aber ermögliche das Kaltmassivumformen oft deutliche Einsparungen beim Energie- und Materialbedarf. Auch die Bearbeitungszeiten für Werkstücke könnten erheblich verkürzt werden, berichtete der Geschäftsführer des Werkzeugma- schinen-Herstellers Profiroll Technologies aus Bad Düben.
Profiroll produziert Maschinen und Werkzeuge für das Kaltmassivumformen, die bei Automobil- und Flugzeugbauern sowie deren Zulieferfirmen eingesetzt werden. Dass beim Kaltwalzen kaum Material verloren geht und kurze Bearbeitungszeiten erreichbar sind, ist bereits bekannt. Um neue Verkaufsargumente für seine spezielle, sparsame Technologie zu gewinnen, begann Profiroll, den Energieverbrauch einzelner Prozessschritte zu ermitteln, mit denen seine Maschinen bestimmte Werkstücke innerhalb von Prozessketten bearbeiten. Anschließend verglichen die Experten den Material- und Energieverbrauch sowie die Stückfolgezeiten, die in einer Prozesskette mit Kaltumformung für die Produktion eines Teiles notwendig sind, mit den Daten anderer Herstellungsverfahren.
Beim Kongress in Leipzig präsentierte Kohlsmann zunächst die Prozessketten, die für die Produktion eines Wälzlager-Außenrings notwendig sind. Bei der Produktion mit einer CNC-Drehmaschine oder einem Mehrspindel-Drehautomaten muss zunächst ein Rohling aus einem geschmiedeten Rohr gesägt werden, der dann zum fertigen Wälzlager-Außenring mit allen Konturen gedreht wird. Die Prozesskette für das Kaltwalzen ist zunächst gleich, unterscheidet sich dann aber beim Drehen. Hier wird nur ein zylindrischer Rohling vorgedreht, der in dem anschließenden Prozessschritt des Kaltwalzens seine endgültige Form erhält. Obwohl für das Kaltwalzen ein zusätzlicher Prozessschritt anfällt, hat Profiroll deutliche Vorteile für diese Prozesskette ermittelt: Materialverschnitt, Stückfolgezeit und Stromverbrauch sind hier deutlich geringer als bei den Prozessen mit Mehrspindel-Drehautomat und mit CNC-Drehmaschine.
Die Material- und Energieeinsparungen, die damit in der Praxis möglich werden, sind beeindruckend. Kohlsmann zufolge kann eine Ringwalzmaschine in einem Jahr 1,27 Mio. Wälzlager-Außenringe produzieren. Bei dieser Stückzahl summiert sich die Materialeinsparung gegenüber einem Mehrspindel-Drehautomaten auf 368 t Stahl. Das entspricht 15 Güterwaggons mit je 25 t Ladung. Beim Strom werden 114 MWh weniger gebraucht. Das entspricht dem Jahresverbrauch von 33 deutschen Haushalten.
Hinzu kommen gute Materialeigenschaften des gewalzten Wälzlagerrings, der einen ununterbrochenen Faserverlauf hat. „Er hält per se länger als ein gedrehtes Teil, auch wenn das nicht immer in der Lebensdauer des Lagers zum Ausdruck kommt“, sagte Kohlsmann. „Es ist nicht der Wälzlager-Außenring, der zuerst kaputtgeht.“
Dass die so dokumentierten Energie- und Materialvorteile in absehbarer Zeit zu spürbaren Auftragszuwächsen führen, glaubt Kohlsmann zwar nicht. Nach seiner Erfahrung spielen diese Argumente bisher bei den wenigsten Kunden eine wichtige Rolle. Allerdings beobachtet er derzeit eine wachsende Aufgeschlossenheit in der Automobilindustrie: „Dort gibt es schon Unternehmen, die den Energie- und Materialverbrauch als Kriterium für die Auftragsvergabe einbeziehen.“
Der bewusste Umgang mit Energie hat bei Profiroll auch zu einem Umdenken bei den eigenen Walzmaschinen geführt. Hier wurde der Vorschub traditionell von hydraulischen Antriebssystemen bewirkt, die preisgünstig im Einkauf, einfach und robust sind. Jedoch verbrauchen sie auch in Nebenzeiten Energie und sind relativ laut. Bei neuen Walzmaschinen des Standard-Typs Rollex baut das Unternehmen nun elektromechanische Antriebe ein, deren Drehbewegung durch einen Spindeltrieb in die lineare Zustellbewegung der Walzschlitten umgewandelt wird.
„Wir haben die Möglichkeit, durch diese Methode bis zu 30 Prozent Energie einzusparen“, berichtet Kohlsmann. „Das konnten wir natürlich auch erst herausfinden, seitdem wir den Energieverbrauch messen.“ Mittlerweile hat Profiroll auch eine Walzmaschine des neuen Typs Rollex HP mit elektromechanischem Antrieb an das IWU Chemnitz geliefert. Hier können die Wissenschaftler weiter daran forschen, wie die verschiedensten Bauteile mit weniger Energieeinsatz hergestellt werden können.
„Erhöhung der Energieeffizienz heißt Transparenz erzeugen“, ist die Maxime von IWU-Hauptabteilungsleiter Peter Blau. „Transparenz ist das Wichtigste.“ Energieverbräuche müssten bewertet, Einsparpotenziale aufgezeigt, Fertigungsprozesse danach optimiert, Energiebedarfe prognostiziert und Kennzahlen gebildet werden. „Das ist ein ganz heikles und anspruchsvolles Thema, das möchte man auch ganz feinfühlig angehen.“
Bei Werkzeugmaschinen sieht er unter anderem große Einsparpotenziale beim Stromverbrauch im Betriebsbereitschafts-Modus. Hohe Beschleunigungen hält Blau zwar für interessant, um kurze Bearbeitungszeiten zu erreichen. Sie führten aber auch zu teuren Lastspitzen beim Strombezug, gegen die etwas getan werden müsse. Etwa ließen sich die Beschleunigungskräfte reduzieren, indem gezielt Leichtbau-Komponenten in den Maschinen eingesetzt werden.
Über die Energieeffizienz einzelner Maschinen und Prozesse hinaus geht die sogenannte E-3-Forschungsfabrik des IWU in Chemnitz. Hier werden seit Mai 2014 neuartige Fertigungsprozesse des Automobilbaus praxisnah auf effiziente Ressourcenverwendung, Emissionsneutralität und Einbindung des Menschen optimiert. Einen großen Teil des benötigten Stroms erzeugt sie selbst durch umweltfreundliche Kraftwärme-Kopplung in einem gasgefeuerten Block-Heizkraftwerk, das über eine Stromleistung von 238 kW und eine Wärmeleistung von 363 kW verfügt. Ergänzt wird es durch eine Fotovoltaik-Anlage mit 58,5 kW.
Laut Peter Blau sollen zeitweilige Stromüberschüsse künftig in einem Batterie- und in einem Schwungradspeicher zwischengelagert werden. Damit wollen die Chemnitzer erforschen, wie Energieflüsse in einer industriellen Produktionsumgebung aktiv gesteuert werden können. Zu den Zielen gehört es, die teuren Lastspitzen zu verringern und den Energiebezug vom Versorger bis hin zur Netzautarkie zu minimieren. Auch in einem zukünftigen intelligenten Stromnetz könnte ein solcher Produktionsstandort Strom je nach Bedarf ein- oder ausspeisen. •
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