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In einer Woche zum Schmiedestück

Rapid-Technologien: Fraunhofer IWU fertigt Schmiedegesenk durch Laserschmelzen
In einer Woche zum Schmiedestück

Forscher am Fraunhofer IWU haben probeweise ein Schmiedegesenk generativ hergestellt. Ergebnis: Mit dieser Technologie sind Schmiedestücke in Rekordzeit verfügbar, Funktionalitäten wie Kühlkanäle lassen sich mit großer konstruktiver Freiheit integrieren.

Schon bald nach Aufkommen der Rapid-Technologien entstanden erste Anwendungen im Werkzeugbau, bekannt unter dem Oberbegriff „Rapid Tooling“. Doch erst die Entwicklung der Laserstrahlschmelztechnologien machte es möglich, Serien-Werkzeugbaustähle zu verarbeiten, die im Schichtbauprozess vollständig aufgeschmolzen werden und so ein nahezu 100 % dichtes Werkstoffgefüge ausbilden. Die Herstellung von generativ gefertigten Umformwerkzeugen wurde bis dato allerdings kaum untersucht. Dabei zeigen die Anwendungen im Kunststoff-Spritzgießen und Leichtmetall-Druckgießen, dass auch andere Anwendungsbereiche erfolgversprechend sind.

Am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz/Dresden wurde deshalb ein Prototypen-Schmiedegesenk für ein Leichtbau-Kurbelwellensegment generativ gefertigt – und im Schmiedeprozess erfolgreich eingesetzt: Die laserstrahlgeschmolzenen Gesenkeinsätze widerstanden den hohen Temperaturen und mechanischen Beanspruchungen und ermöglichten das erfolgreiche Fertigen von Schmiedeteilen. Die Projektergebnisse werden auch Thema der Anwendertagung auf der Rapid.Tech in Erfurt sein (siehe Seite 26).
Das Fraunhofer IWU ist Forschungs- und Entwicklungspartner der Automobil- und Maschinenbaubranche. Ein Forschungsschwerpunkt sind „Generative Fertigungsverfahren“ wie das Laserstrahlschmelzen, mit dem sich komplexe Werkzeugeinsätze herstellen lassen. Generativ gefertigte Werkzeugaktivteile ermöglichen es auf einzigartige Weise, Funktionalitäten wie konturnahe und -konforme Temperierung in die Umformwerkzeuge zu integrieren und damit Zykluszeiten zu senken und die erreichbaren Bauteilqualitäten zu erhöhen.
Beim Laserstrahlschmelzen wird das Bauteil ausgehend von seinem 3D-CAD-Modell schichtweise aus pulverförmigem Werkzeugstahl aufgebaut. Auch andere Serienwerkstoffe wie Edelstahl, Aluminium, Titan oder Inconel lassen sich verarbeiten. Das Material wird durch einen Laser lokal komplett aufgeschmolzen und erhält nach Erstarrung ein vollständig dichtes Gefüge. In seinen mechanischen Eigenschaften steht es den konventionell gefertigten Werkzeugen also in nichts nach. Aufgrund des schichtweisen Aufbaus der Bauteile („Generierung“) bietet dieses Verfahren praktisch unbegrenzte gestalterische Freiheit und ermöglicht das Fertigen beliebig komplexer Geometrien und innerer Strukturen, beispielsweise von Kühlkanälen. Durch die Integration solch generativ gefertigter Werkzeugeinsätze in konventionell produzierte Stammwerkzeuge lassen sich Mehrwerte und Zusatzfunktionalitäten lokal in Umformwerkzeuge integrieren – und zwar genau an der gewünschten Stelle.
Die Industrie fordert „echte“ Schmiede-Prototypen in kürzestmöglicher Lieferzeit. Das ehrgeizige Ziel „echter Schmiedestücke innerhalb einer Woche“ gab den Ansporn für das IWU, Gesenkeinsätze mittels Laserstrahlschmelzen zu fertigen. Die Schmiedetechnik soll auf diese Weise einen Schub für neue Serienanwendungen erfahren. So erhält der Bauteilkonstrukteur die Möglichkeit, ein echtes Schmiedeteil bereits im Produkt-Entwicklungszyklus in Händen zu halten und sogar zu testen. Die niedrigeren Oberflächen- und Maßhaltigkeitsanforderungen beim Schmieden bieten die Chance, auf eine mechanische Nachbearbeitung der Gesenkkontur zu verzichten, wodurch sich in der Werkzeugfertigung erheblich Zeit sparen lässt. Dazu trägt auch der Wegfall aller vorbereitenden Schritte für die spanende Konturbearbeitung bei.
Das Projekt sollte den Nachweis führen, dass sich laserstrahlgeschmolzene Werkzeuge einsetzen lassen, um gesenkgeschmiedete Prototypen herzustellen – basierend auf einem realen Referenzteil mit anspruchsvoller Geometrie und unter Nutzung einer Standard-Schmiedepresse für die Serienproduktion.
Bei dem Referenzteil handelte es sich um ein Segment einer PKW-Leichtbaukurbelwelle, die aus einzelnen Kurbelsegmenten zusammengefügt wird. Es repräsentiert typische Anforderungen an ein Schmiedeteil (mittlere Komplexität, tiefe Kavität, Napf-Form). Eine besondere Herausforderung hierbei waren die zwei asymmetrisch versetzten Dorne zum Formen der hohlen Zapfen mit unrunder innerer Kontur. Sie sorgen dafür, dass sich die Formfüllung und der damit verbundene Materialfluss schwierig gestalten, so dass das Werkzeug im Schmiedeprozess zusätzlichen Scherkräften ausgesetzt ist.
Um das ehrgeizige Ziel der kurzen Lieferzeit zu erreichen, wurde ein konventionell gefertigtes, universelles Muttergesenk verwendet, in das die laserstrahlgeschmolzenen Aktivteile eingesetzt wurden. Beide Gesenkeinsätze entstanden am Fraunhofer IWU generativ durch Laserstrahlschmelzen. Die Gesenkkontur wurde grundsätzlich nicht mechanisch nachbearbeitet, sondern lediglich von Hand poliert und gestrahlt. Nur der Außendurchmesser und die Rückseite wurden frästechnisch auf Presspassung zum Muttergesenk nachbearbeitet. Beide Einsätze wurden vor den Polierarbeiten vermessen und zeigten sehr gute Maßhaltigkeit mit typischen Abweichungen von unter 0,1 mm. Nach der Bearbeitung wurden die Einsätze in das Muttergesenk eingeschrumpft und so das Gesenk produktionsfertig montiert.
Die Schmiedeversuche fanden am Fraunhofer IWU auf einer konventionellen, serientypischen Kupplungsspindelpresse statt. Im bisherigen Prozessverlauf wurde das Gesenk noch nicht bis zu seiner Verschleißgrenze eingesetzt, doch es ist kein gravierender Standzeitnachteil im Vergleich zur herkömmlich gefertigten Variante zu erwarten. Dies soll aber in künftiger Projektarbeit noch erforscht werden.
Eine Schlüsselrolle für wirtschaftlich sinnvolle Anwendungen spielen deutliche Anstiege der Bauraten sowie beträchtliche Preisreduzierungen für das Pulvermaterial. Hierbei hat das Fraunhofer IWU bereits Erfolge erzielt: Mit einem neuen, leistungsstarken 400-Watt-Laser wurde die Produktivität das Laserstrahlschmelzprozesses bereits um über 80 % gegenüber dem marktüblichen 200-Watt-Laser gesteigert – bei gleich bleibender Gefügedichte von 99,8 %. Außerdem konnten die Preise des pulverförmigen Ausgangsmaterials dank verbesserter Herstelltechnologie um rund 30 % gesenkt werden. Weitere Forschungen am Fraunhofer IWU konzentrieren sich auf intelligentes „Downsizing“. So sollen hybride Werkzeugkonzepte aus gefrästen Grundkörpern und generativ erzeugten Konturaufbauten entwickelt werden, um das Volumen der zu bauenden Werkzeugeinsätze zu verringern. Aber auch Fügetechniken zum schnellen und einfachen Verbinden der laserstrahlgeschmolzenen Werkzeugeinsätze mit universellen Mutterwerkzeugen werden erforscht.
Dr. Bernhard Müller Gruppenleiter Generative Fertigung am Fraunhofer IWU, Chemnitz/Dresden
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