Ein Industriebaukasten ermöglicht Vielfalt und Individualität bei geringer Komplexität – nur so kann das von der RWTH Aachen geplante Elektroauto StreetScooter kostengünstig produziert werden.
Um den StreetScooter als besonders kostengünstiges, aber dennoch individualisierbares Elektroauto produzieren zu können, ist es zentrales Ziel des Industriebaukastens, Massenproduktion und Individualisierung der Endprodukte zu vereinbaren und den Zielkonflikt zwischen Scale und Scope aufzulösen. Hierzu steht die Skalierbarkeit auf Ebene einzelner Funktionen im Fokus.
Um also die möglichen Produktionsvolumina zu steigern und die Herstellkosten zu senken, werden einzelne Funktionsmodule in den verschiedenen Konfigurationen und Derivaten des StreetScooter, aber auch in Elektrofahrzeugen anderer Hersteller verwendet. Wo möglich, werden die Anforderungen an den Industriebaukasten um artverwandte Einsatzgebiete erweitert, um weitere Skaleneffekte durch die Vergrößerung des Einsatzspektrums zu erzielen.
Notwendige Voraussetzung hierfür ist eine Form der Modularisierung, die auf Basis der Anforderungen an das Basisprodukt Freiheitsgrade definiert und diese als Skalierungs-„Achsen“ des Moduls nutzbar macht. Dabei sind die mechanischen, elektrischen und informatorischen Modul-Schnittstellen für eine leichte Wiederverwendbarkeit zu standardisieren. Der so gestaltete Industriebaukasten ermöglicht nicht nur eine hohe Wiederverwendung der einzelnen Module, sondern erlaubt auch eine kostengünstige Ableitung von StreetScooter-Derivaten, die verschiedensten Ansprüchen gerecht werden.
Hierbei erlaubt das entwickelte Modularisierungskonzept, neben der kostengünstigen Ableitung von Derivaten auch noch nach dem Kauf des StreetScooter in der Nutzungsphase Ergänzungen und Änderungen vorzunehmen. Dies stellt eine klare Differenzierung zu heute verfügbaren Kleinwagen dar: Die Steigerung der Fahrleistung oder Reichweite, Upgrades von Komfortfunktionen oder Updates der Infotainment-Funktionalität können ohne „zerstörerischen Eingriff“ in die Fahrzeugstruktur erfolgen und gewährleisten, dass nach Möglichkeit keine „vormals teuer bezahlten“ Komponenten überflüssig und damit entsorgt werden. Veraltete Applikationen – etwa das Navigationsgerät – lassen sich problemlos austauschen.
Für die Entwicklung eines solchen Industriebaukastens wurde von der Abteilung Innovationsmanagement des WZL ein strukturiertes Vorgehen entwickelt, das in den folgenden sieben Kernschritten zur gewünschten Produktarchitektur führt:
- Bestimmung der Anforderungen an das Basisprodukt
- Ermittlung von Freiheitsgraden zur Produktskalierung
- Erweiterung des Einsatzfeldes um artverwandte und artfremde Anwendungsfelder
- Optimierung der Anwendungsfelder auf Basis von Herstellkosten- und Stückzahlwirkung
- Bildung von Merkmalclustern
- Ableitung von kundennutzenorientierten Modularisierungs- und Plattformstrategien
- Zusammenführung der Teilkonzepte zu einer Produktarchitektur
Zusammen mit dem Institut für Kraftfahrzeuge (ika) wird derzeit für das komplette Elektrofahrzeug der Industriebaukasten entwickelt.
- Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Tobias Reil Lehrstuhl für Produktionsmanagement, WZL der RWTH Aachen
- Dipl.-Ing. Fabian Schmitt Leiter Geschäftsstelle Elektromobilität, RWTH Aachen
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