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Interiew VDW-Chef Dr. Schäfer und VDW-Technik-Chef Dr. Broos über Werkzeugmaschinen

Interview Werkzeugmaschinen-Trends
VDW: Dr. Schäfer und Dr. Broos über Aktuelles aus der Werkzeugmaschinen-Branche

Firmen im Artikel
Über die aktuelle Lage in der deutschen Werkzeugmaschinen-Branche und jüngste Entwicklungen im Rahmen der Umati-Gemeinschaft berichten Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW), und Dr. Alexander Broos, Leiter Forschung und Technik beim VDW.

» Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger

Herr Dr. Schäfer, wie geht es der deutschen Werkzeugmaschinen-Branche?

Wir erleben eine dynamischere Erholung als ursprünglich angenommen. Im Vergleich zum – Corona-bedingt extrem schwachen – Vorjahreszeitraum stieg der Auftragseingang im ersten Halbjahr um 57 Prozent. Der Orderzuwachs aus dem Inland lag bei 38 Prozent, aus dem Ausland bei 68 Prozent. Bis zu den Top-Ergebnissen der Jahre 2018 und 2019 bleibt allerdings noch ein Stück Weg zu gehen.

Welche Erkenntnisse nimmt die Branche aus den letzten anderthalb Jahren mit?

Schäfer: Der entscheidende Punkt ist sicher: In den Unternehmen sind jetzt alle Möglichkeiten geschaffen, sowohl intern als auch extern über digitale Medien zu kommunizieren, Geschäfte abzuschließen, Schulungen abzuhalten oder Serviceleistungen anzubieten. Das steigert die Reaktionsgeschwindigkeit. Was die Krisenbewältigung angeht, sind unsere Mitglieder ja erfahren. Das Besondere war hier aber nicht der konjunkturelle Einbruch, sondern massive Bewegungseinschränkungen. Welche Lehren daraus folgen, bleibt noch abzuwarten.

Welchen Einfluss hat die Nachhaltigkeitsdebatte auf die Branche?

Schäfer: Natürlich spüren auch wir die Herausforderungen, denen sich große Kundenbranchen stellen müssen, etwa die Automobil- oder die Luftfahrtindustrie. Was hier auf unsere Branche zukommt – das Auslegen neuer Fertigungsprozesse, damit unsere Kunden nachhaltigere Produkte herstellen können –, ist nicht neu für uns. Das zweite sind die Anforderungen an die Fertigungstechnik selbst. Auch damit beschäftigen wir uns – etwa im Rahmen unserer Blue-Competence-Initiative – schon seit einigen Jahren. Sowohl die deutschen als auch die europäischen Hersteller haben das Thema auf dem Schirm und sind hier auf einem guten Weg. Die Frage ist: Wie nehmen die Kunden das Angebot an? Wie ein Maschinenhersteller auch die Nachhaltigkeit seiner Lieferkette sicherstellen soll, das kann ich Stand heute noch nicht beantworten.

Broos: Bei dieser Diskussion sollte man immer auch bedenken, dass Investitionsgüter dafür da sind, Produkte für den Verbrauchermarkt herzustellen. Ein höherer Energieverbrauch in der Produktion kann zu einer deutlichen Effizienzsteigerung der gefertigten Produkte führen. Eine rein produktbezogene Regulierung bei Investitionsgütern greift deshalb zu kurz. Entscheidend sind die Bilanzgrenzen und die individuellen Rahmenbedingungen.

Mit welchen Erwartungen schauen Sie auf die EMO in Mailand?

Schäfer: Die Nachfrage belebt sich. Folglich hoffen alle Aussteller, mit dem Messeauftritt neue Geschäfte zu generieren. Natürlich ist auch der direkte Kontakt mit Kunden wichtig und die Möglichkeit, im persönlichen Gespräch Lösungen für deren Fertigungsprobleme zu diskutieren. Außerdem wollen wir zeigen: Messen sind möglich. Ein Hygienekonzept lässt sich auf einer Messe besser managen, als bei einem Fußballspiel.

Welche Trends oder Entwicklungen warten auf die Besucher der EMO 2021?

Schäfer: Nach den schwierigen anderthalb Jahren, die hinter uns liegen und der Unsicherheit, ob die Pandemie eine Messe überhaupt zulässt, erwarte ich in Mailand keine grundlegend neuen Trends. Die Unternehmen haben im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten – viele waren ja in Kurzarbeit – ihre Produkte weiterentwickelt. Wo hier die Schwerpunkte liegen, das wird individuell verschieden sein. Ein besonderer Fokus wird natürlich auf neuen Lösungen rund um die Themen Industrie 4.0 und vernetzte Produktion liegen.

» Eine strikt produktorientierte Regulierung kann dazu führen, dass sich die Ökobilanz für ein Gesamtsystem negativ entwickelt. «

Herr Dr. Broos, welche Neuheiten bringt die Umati-Community zur EMO mit?

Vordergründig werden die Besucher Altbewährtes erleben. Nämlich eine tolle Live-Präsentation mit vielen beteiligten Unternehmen, die zeigen, wie sie ihre Produkte – ob Maschinen oder Software – an unseren Demonstrator anbinden. Wir haben auf der EMO‘19 etwas geschaffen, das Bestand hat. Wir müssen nicht mehr darüber nachdenken, wie man einen Show-Case aufbaut. Mit dem Demonstrator können wir auch in Zukunft den Nutzen neuer Funktionalitäten zeigen.

Wie hat sich der Auftritt im Vergleich zur EMO 2019 in Hannover verändert?

Broos: Die Optik wird den Besuchern vertraut sein. Die Musik spielt hier im digitalen Bereich. Wir haben das Look-and-Feel unseres Demonstrators weiterentwickelt und den Funktionsumfang erweitert. Aus Sicht der Werkzeugmaschinen ist neu, dass es die seit September 2020 offizielle OPC UA for Machine Tools den Herstellern ermöglicht hat, entsprechend ausgestattete Produkte zu entwickeln, die interessierte Kunden jetzt kaufen können.

Wie ist der technische Stand bei Umati?

Broos: Der Data-Hub, den wir gemeinsam mit der Telekom für unseren Demonstrator entwickelt haben, verarbeitet jetzt beliebige OPC UA-Spezifikationen. Für unser Umati-Dashboard, auf dem die anfallenden Daten visualisiert werden, benötigen wir für jede Spezifikation ein eigenes Ansichtstemplate. Das ergänzen wir, wenn neue Spezifikationen dazu kommen. Die Entwicklung der Spezifikationen läuft in den Fachgruppen. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass es neben den spezifischen Ergänzungen auch übergreifende Bedarfe gibt, die in der OPC UA Specification for Machinery abgebildet sind. Sie dient als Grundlage für den gesamten Maschinen- und Anlagenbau. Hier laufen derzeit noch Harmonisierungsaktivitäten. Hinzu kommt: Je größer die Gruppe wird, umso aufwändiger und zeitintensiver wird die Abstimmung.

Inwieweit ist Umati im Markt und in der Betriebspraxis angekommen?

Broos: Zunächst sollten wir nochmal klarstellen: Umati bezeichnet nicht mehr die Spezifikation für Werkzeugmaschinen. Umati versteht sich mittlerweile als Community, die die Basis dafür schaffen will, verschiedene OPC UA-Spezifikationen in die Praxis zu tragen und die Implementierung so zu harmonisieren, dass der Nutzer Maschinen und Anlagen unterschiedlicher Produktsegmente möglichst einfach anbinden kann. Interesse und Offenheit sind da, allerdings bilden die Bestandssysteme noch eine gewisse Hürde. Hinzu kommt, dass gerade viele kleinere Betriebe noch keine konkrete Vorstellung haben, wie ein für sie passendes Gesamtkonzept aussehen sollte. Wir dürfen uns nichts vormachen. Hier geht es um lebende Ökosysteme, die sich nicht von heute auf morgen ändern lassen. Wir müssen jetzt – nach dem Motto ‚der Appetit kommt beim Essen‘ – die Bedürfnisse des Marktes einfließen lassen und die Funktionalitäten schrittweise erweitern. Während im Consumermarkt eine solche Umstellung als Sprint funktioniert, ist sie im Investitionsgüterbereich ein Marathon.

Wie ist die internationale Akzeptanz?

Broos: Von aktuell 180 Umati-Partnern kommen mehr als die Hälfte von außerhalb Deutschlands. Natürlich liegt der Schwerpunkt noch in Europa, aber wir haben es auf der CIMT in Peking erlebt: Wenn man den Leuten Sinn und Nutzen von Umati erklärt und ihnen sagt, dass sie jederzeit mitmachen können, dann rennt man bei ihnen offene Türen ein.

Welche Erweiterungen sind zu welchem Zeitpunkt geplant?

Broos: Wir haben einen großen Themen-Pool, den wir angehen wollen – angefangen bei der Werkzeugdaten-Verwaltung, bis hin zum Thema Remote Operation, also den Schreibzugriff zu realisieren. Letztlich haben wir jetzt einen neutralen Basisstand, über den sich unterschiedlichste Maschinen verbinden lassen. Je mehr es nun um technologiespezifische Informationen geht, die sich zum Beispiel bei einer Fräs- und einer Lasermaschine unterscheiden können, bedarf es einer dezentralen Weiterentwicklung, die sowohl den Marktbedarfen als auch den Ressourcen der beteiligten Unternehmen folgt. Und dann dürfen wir nicht vergessen, dass die Werkzeugmaschinen-Branche eine von 36 Gruppen im VDMA ist, die sich mit dem Thema beschäftigen. Die Aufgaben sind zu vielschichtig, um Termine für einzelne Ziele nennen zu können.

Herr Dr. Schäfer, welche Erkenntnisse brachte die digitale Metav?

Wir haben gesehen, dass solche Formate Potenziale bieten. Die Frage ist, wie sie von den Besuchern oder den Usern angenommen werden und wie sich die Verlässlichkeit der Teilnahme entwickelt.

Welchen Einfluss haben diese Erfahrungen auf die nächste Präsenz-Metav?

Schäfer: Die Anmeldung läuft. Wir haben klar kommuniziert, dass es ein hybrides Konzept geben wird. Wir werden im Vorfeld und auch während der Messe wieder Webinar-Reihen veranstalten. Alles andere ist noch in der Planung.

Kontakt:
Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V. (VDW)
Lyoner Straße 18
60528 Frankfurt am Main, Deutschland
www.vdw.de

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